Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann
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Читать онлайн книгу Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann страница 31
So sah es in seinem geliebten Espanola aus, als der Admiral Ende August 1498 auf die Insel zurückkehrte. Sogleich meldete er der Königin die von Roldan angestiftete Empörung und daß er jede Verständigung verweigert, keinerlei Verzeihung gewährt habe (was eine bewußte Unwahrheit war). Er bat, daß Roldan nach Spanien vorgeladen werde, wo Ihre Hoheiten ihn richten sollten, und schrieb, verhüllte Anklage, die Verwirrung in der Kolonie den Hindernissen zu, die man ihm bei seiner Ausreise in den Weg gelegt hatte. (Wobei er verschwieg, daß er Monate damit zugebracht hatte, das Paradies und das Reich des Großchans zu suchen.) Auch auf die Züchtigung des infamen Ximeno Breviasca kam er zurück, wohl ahnend, daß man ihm daraus einen Strick gedreht hatte, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ihm weder dieser noch ein anderer Umstand durch Verleumdung zum Nachteil in der königlichen Gunst gereichen werde. (Alles um ihn wankte bereits, er suchte nach allen Seiten Stützen zu gewinnen.) Die natürlichen Hilfsquellen der Insel, so beteuerte er, verlangten weiter nichts als Fleiß, um den Bedürfnissen der Siedler zu genügen, allein diese seien träg und ausschweifend. Man möge ihm doch erlauben, mit jedem Schiff, das in die Heimat fahre, die unnützen und unheilstiftenden Leute zurückzuschicken und durch mäßige und arbeitsame ersetzen zu lassen. (Dann hätte er sich bis zum äußersten dagegen wehren sollen, daß man ihm Ketten-und Galeerensträflinge mit auf die Reise gab, aber das hat er resigniert über sich ergehen lassen.) Er ersuchte um einen in der Rechtsprechung erfahrenen Mann, dem an Roldans Stelle das Amt des Oberrichters zu übertragen sei (das Verblendetste, was er tun konnte: seinem Feind den Dolch in die Hand drücken, der ihn selber treffen sollte), und zum Schluß äußerte er den Wunsch, daß ihm noch für zwei Jahre die Sklaven einfuhr nach Spanien gestattet werden solle, wogegen er sich verpflichte, daß er nur Kannibalen, Mörder und Revolutionäre auf den spanischen Märkten werde feilbieten lassen. Nur!
Der Admiral hatte gut befehlen, Roldan und seine Spießgesellen hätten sich nach Spanien einzuschiffen, es fiel diesen gar nicht ein, zu gehorchen. Er hatte die Absicht gehabt, den Adelantado auf neue Entdeckungen in den Golf der Perlen auszuschicken, aber es war nicht möglich, er mußte die treugebliebene Mannschaft in seiner Nähe behalten. So entschloß er sich, mit Roldan zu unterhandeln und schrieb ihm im Oktober einen eigenhändigen Brief, worin er ihn an die Freundschaftsdienste erinnerte, die er ihm früher erwiesen, ihn beschwor, um des allgemeinen Besten willen von seinem aufrührerischen Tun zu lassen, und ihm und seinen Gefährten, wenn sie kämen, für ihre persönliche Unverletzlichkeit sein Wort verpfändete.
Roldan verhöhnte das Anerbieten und war unverfroren genug, dem Admiral seinerseits Bedingungen zu diktieren. Er verlangte nicht mehr und nicht weniger als die Entlassung des Adelantado (der erst unlängst unter diesem Titel vom Hof bestätigt worden war), für sich die Wiedereinsetzung in Amt und Würden und die Übergabe zweier Forts und zweier Schiffe. Trotz dieser herausfordernden Unverschämtheit hütete sich Columbus wohl, die Verhandlungen abzubrechen. Er ging in der Nachgiebigkeit so weit, daß er dem Rädelsführer des Aufstands und seinen Mitverschworenen Zeugnisse ihres Wohlverhaltens und beim Schatzamt Anweisungen auf Gehalt und Sold bis zum Tag der Ankunft in Spanien auszustellen versprach; ferner sollte jedem nach seinem Rang eine Anzahl Sklaven mitgegeben werden und denen, die sich mit indianischen Frauen verheiratet hatten, wurde erlaubt, diese entweder als Sklavinnen mitzunehmen oder einfach zurückzulassen, was soviel hieß, als wären die Ehen überhaupt nicht geschlossen. Diese Übereinkunft unterzeichneten Roldan und seine Leute im November vor dem Fort Concepcion, anstatt aber nun die Ausrüstung der versprochenen Schiffe mit Energie zu betreiben und so die gefährliche Bande schnell vom Hals zu kriegen, betraute der Admiral, schon wieder rosig gestimmt, seinen trägen und schwachmütigen Bruder Diego damit, während er selbst in Begleitung Bartolomés eine Rundreise durch die Insel unternahm, um, wie eine rügelsame Hausfrau, nach dem Rechten zu sehen. Er hatte sich wahrscheinlich in dem Glauben gewiegt, die Zustände seien nicht so arg wie man sie ihm geschildert hatte, indessen überzeugte er sich bald, daß sie noch viel ärger waren. Felder und Gärten verödet; die Indios hatten ihre Heimstätten und Pflanzungen verlassen, wo sich der Admiral und seine Leute blicken ließen, flohen sie wie erschrockene Vögel meilenweit; von regelmäßigen Abgaben konnte nicht mehr die Rede sein, in den Goldwäschereien wurde nicht mehr gearbeitet, ganze Täler sahen aus wie Brandstätten, große Plantagen wie Schlachtfelder. Da wurde der Admiral und Vizekönig von Tag zu Tag stiller, und vielleicht fragte er sich in einem lichten Moment, warum er dies wirkliche Paradies den Händen von Unholden preisgegeben, um ein imaginäres zu suchen.
Als er nach sieben Monaten von seiner Musterungsfahrt nach Isabella zurückkam, hoffte er bereits Nachrichten von der Landung Roldans in Spanien und dem an den Aufrührern vollzogenen Strafgericht vorzufinden. Er war wie aus den Wolken gefallen, als man ihm berichtete, die Rebellen hätten sich noch nicht einmal eingeschifft und nähmen eine drohendere Haltung ein denn je. Da der Admiral den Vertrag nicht erfüllt habe, erklärten sie sich an die Bedingungen nicht mehr gebunden und hätten die Heimreise überhaupt aufgegeben. Neue Verhandlungen; Zusammenkunft in einem Hafen von Xaragua (es war mittlerweile August geworden). Columbus lud Roldan und sein Gefolge an Bord seines Schiffes, er meinte, es bedürfe nur seines zornigen Auges und seiner flammenden Rede, und der Empörer liege um Verzeihung bettelnd vor ihm auf den Knien; jedoch er fand einen hartnäckigen und leidenschaftlichen Gegner, und das Resultat der erregten Auseinandersetzung war, daß der Admiral, in allen Punkten geschlagen, Spottbild eines Herrn und Gouverneurs, folgenden demütigenden Pakt unterzeichnen mußte: Fünfzehn von Roldans Gesellen sind bereit, nach Spanien zu fahren, wenn man ihnen unverzüglich eine Karavelle übergibt; die übrigen, auf Española verbleibenden, erhalten statt des immer noch rückständigen Soldes (wie er alles andere auf die lange Bank geschoben, hatte Diego Colón auch diesen zu zahlen versäumt) Ländereien zum Feld-und Gartenbau als ewiges Eigentum; ehrenvolle Zeugnisse für alle, daß ihr Betragen keinen Tadel verdiene und sie dem königlichen Dienst keinen Schaden zugefügt hätten; und letztlich: Wiedereinsetzung Roldans in sein Amt mit der Befugnis, in der Stadt San Domingo zu residieren und die öffentliche Bekanntmachung davon. Sollte der Admiral einen dieser Artikel unerfüllt lassen, schmälern oder verletzen, so sei Roldan und seinen Gefährten das Recht zugestanden, sich zu versammeln und die Ausführung mit Gewalt zu erzwingen.
Roldan bekam für seine Person den in der Vega real gelegenen königlichen Meierhof Esperanza, und Columbus bewilligte ihm zur Bebauung der dazugehörigen ausgedehnten Ländereien jene Indios, denen Alonzo de Ojeda auf seinem Zug gegen Caonabo Nasen und Ohren hatte abschneiden lassen: als gebrandmarkte