Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann
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Das alles ist bitter und aufreibend, doch man könnte sich durchbeißen, man hat schon Schlimmeres ertragen, da kommt das Schlimmste: er wird zum Gegenstand des Gelächters. Der Kapitän Pedro Alonzo Niño, von Bartolomé geschickt, landet in Cadix, und als ob er in der Schule des Admirals zum Großsprecher wäre erzogen worden, läßt er diesem melden, er führe eine so schwere Ladung Gold an Bord, daß er Gott danke, daß das Schiff nicht gesunken sei. Colón ist überglücklich, und ohne sich zu überzeugen, ob die Meldung auf Wahrheit beruhe, schreibt er sogleich an die Majestäten, aus dem Goldland Ophir sei eine mit unermeßlichen Reichtümern beladene Flotte im Hafen von Cadix eingelaufen. Das königliche Paar, wiewohl die Botschaft nicht recht glaubhaft klingt, bezeigt lebhafte Freude und gibt ihm zu verstehen, nun könne er ja die Kosten der Ausrüstung von dem indischen Gold bestreiten und die Anweisung auf die sechs Millionen Maravedis zurückerstatten. Das geschieht auch. Was stellt sich aber heraus? Die »Reichtümer der Flotte aus Ophir«, d. h. einer einzigen halbwracken Galeazze, bestehen aus hundertfünfzig Indios, durch deren Verkauf als Sklaven das Gold erst gewonnen werden soll. Niederschmetternde Eröffnung. Nicht allein muß er die Nachricht widerrufen, sondern auch noch die andere Demütigung auf sich nehmen, der Königin die ausführliche schriftliche Darlegung seines Bruders, des Statthalters Bartolomeé über die trostlos-verworrenen Zustände in der Kolonie zu überreichen. Als er neuerdings um die Anweisung der sechs Millionen bittet, wird ihm trocken erwidert, es könne über die Summe nicht mehr verfügt werden.
Es waren lauter Stationen des Abstiegs. Man sollte denken, eine solche Kette widriger Ereignisse müsse ihn an sich irre gemacht oder doch das Gefühl der Wichtigkeit in ihm untergraben haben. Weit gefehlt. Er rettet sich einfach aus dem Sein in den Schein. Damit sein Adel und sein Titel ganz sicher auf seine Nachkommen vererbt würden, erbat er eben um diese Zeit, vor der dritten Ausreise, von der Königin den Konsens zur Errichtung eines Majorats, und das Majorat hatte als greifbare Grundlage nichts anderes als eine Kiste, angefüllt mit frommen Reliquien und indianischem Schmuck. Denn der Landstrich auf Española, fünfzig Stunden lang und fünfundzwanzig breit, der als Schenkung hinzugefügt wurde, hatte keinen Realwert; zum Teil noch nicht erobertes, zum Teil Urwald-und Sumpfgebiet, hätte er sich mit derselben Aussicht auf Nutznießung ein Terrain von der Größe Spaniens aneignen können, ohne daß es ihm jemand mißgönnt hätte. Als er dann noch das Zugeständnis verlangte, kein spanischer Seefahrer außer ihm allein solle das Recht haben, im indischen Meer Entdeckungen zu machen, gewährte ihm die Krone auch dieses unsinnige und unhaltbare Privileg. Wahrscheinlich willigte König Ferdinand in die törichte Abmachung nur, weil er sich von Anfang an nicht für gebunden erachtete, die maßlosen Ansprüche des Admirals zu erfüllen; Verträge zu brechen war ihm ein leichtes, das belastete sein Gewissen nicht, und die Königin, die noch immer mit einem Rest von Sympathie an dem wunderlichen Mann hing, sagte sich, was der gesunde Menschenverstand sich sagen mußte, daß ein solcher Vertragspunkt außer aller Wirklichkeit war, außer aller Möglichkeit, da man nicht einige Millionen Quadratkilometer Ozean unter dauernde Polizeiaufsicht stellen konnte. Aber vernünftigen Erwägungen war ihr Schützling niemals zugänglich gewesen, und Wirklichkeit, Möglichkeit, danach zu fragen kam ihm gar nicht in den Sinn.
Elftes Kapitel.
In Ketten
Indessen waren die Kolonie und alle mit ihr zusammenhängenden Unternehmungen in einen so üblen Ruf geraten, daß kein ehrlicher Mensch mehr willens war, in Indien ein fragwürdiges Glück zu suchen. Man verfiel also auf denselben Ausweg wie vor der ersten Reise und öffnete dem Admiral die Pforten der Zuchthäuser. Abermals sollte er unter Banditen und Dieben seine Wahl treffen, und er wußte doch schon, was damit seiner harrte; zudem wurde ein Generalpardon für alle Übeltäter erlassen, die sich der Strafe durch die Flucht entzogen hatten; wenn sie sich bereit erklärten, übers Meer zu gehen, sollten sie frei und ledig sein, nur Ketzer, Hochverräter, Brandstifter, Majestätsverbrecher, Falschmünzer und Sodomiter konnten der Amnestie nicht teilhaftig werden. Die sich zum Dienst anboten, waren immerhin noch schlimm genug, und von dieser Räude der europäischen Menschheit erwarteten die Majestäten und ihre geistlichen Minister allen Ernstes, daß sie »ihr Augenmerk vornehmlich auf die Bekehrung der Indios zum katholischen Glauben richten sollten«.
Colón konnte sich, durfte sie nicht wehren. Er hatte weder das Volk auf seiner Seite noch den Hof noch den Klerus. Seine Sache war in heillosen Mißkredit gebracht, dafür hatten der Bischof Fonseca und seine Günstlinge gesorgt, zu deren geschäftigsten Antonio de Torres gehörte, der dem Admiral alles zu verdanken hatte. Die Absicht war, ihn in Hader mit den Beamten zu verstricken und gesellschaftlich zu isolieren. Nichts ging seinen geraden Weg, alles mußte erschlichen, errafft, erzwungen, mit unwürdigen Mitteln durchgedrückt werden. Die Abreise verzögerte sich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, der Hauptgrund war, daß man dem Admiral zum Einkauf der Lebensmittel eine Taxe vorgeschrieben hatte, die die Beschaffung unmöglich machte, kein Kaufmann wollte zu dem behördlich fixierten Preis seine Ware liefern. Außerdem fehlte es an Bargeld; wenn er zu den gewährten kümmerlichen Summen einen Zuschuß verlangte, wurde ihm der höhnische Bescheid, er möge Gold in Indien prägen lassen. In letzter Stunde erschien der königliche Zahlmeister Ximeno de Breviasca, ein getaufter Jude, bei ihm, forderte in beleidigender Weise Rechenschaft über die Einkäufe, und als sich Columbus dessen weigerte,