Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann

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Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann

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dreifach geschlungenen Kranz aus Smaragden und Rubinen, und um diese wieder lief ein Saum von Kornalin, auf dem zwölf Stiere in schreitender Stellung eingraviert waren, in ihrer Mitte das Symbol des Lebens. Den oberen Rand krönte ein kunstvoller Strauß birnenförmiger Perlen, jede so groß wie ein Fingernagel. Es hieß, diese Perlen seien die erstarrten Tränen der Göttin Anahita, die sie um den Helden Rustem geweint.

      Der Mager schritt vor Alexander hin, warf sich nieder und berührte mit der Stirn den Boden. Alexander und Hephästion trugen beide das unscheinbare makedonische Gewand; Hephästion war viel größer von Gestalt, aber Alexanders Gesicht und Kopf waren von so mächtigen Formen, daß er dadurch alle zu überragen schien. Seine Augen schweiften über die versammelten Edelscharen, als wollten sie den allertiefsten Grund jeder Brust kennen lernen. Die Söldner zitterten vor diesem Blick, die Glieder zitterten ihnen, wenn er sie so anschaute, trotzdem seine Züge ruhig, ja sogar freundlich waren.

      »Nie möge dein Schatten sich mindern, Herr,« sagte der Mager, indem er aufstand. »Haoma schütze dich, das schönste Wesen vor den Augen Zarathustras. Der Räuber des geweihten Grabes ist entdeckt.« Er hielt das Diadem empor. Alexander nahm es aus seiner Hand und betrachtete es in tiefem Staunen.

      »Wirf es weg, Alexander!« rief auf einmal eine Stimme, »der Mager weissagt den Tod aus seinem Besitz.«

      »Es ist wahr,« sagte der Mager ernst, »ehe siebenmal der Mond sich erneut, muß der sterben, der das Diadem trägt.«

      Von neuem betrachtete Alexander das strahlende Kunstwerk in seiner Hand. Ein flüchtiges Lächeln bewegte seine Lippen, sein großer Blick verlor sich langsam in den Raum. Sterben müssen? … Fremd und fern war ihm der Begriff des Todes. Schien ihm doch die Welt nur um seinetwillen auferbaut und dazustehen, um seinetwillen wimmelte die Menschheit. Schien es doch, als ob ungezählte Tausende nur deswegen den Tod empfangen hatten, damit er stärker und voller leben könne; was sie verloren, nahm er in Besitz. Hatte er an das Sterben gedacht, als es in den Schluchten Baktriens Felsblöcke von den Höhen regnete und rings um ihn die besten Männer zerschmettert wurden? als vor Tyros die Schiffe zu brennen anfingen und das Meer mit verkohlten Leichnamen bedeckt war, zwischen denen er hindurchschwimmen mußte? als in Indien der Giftpfeil in seine Brust drang und er verblutend zur Erde stürzte? Er hatte niemals an den eigenen Tod gedacht. Die kündende Gewalt des Schicksals prallte kraftlos an seinem Innern ab. Und nicht die Jugend verursachte dies, nicht der stürmische Wille, der unaufhaltsam von Ding zu Ding, von Ereignis zu Ereignis sprang, nicht die spürbare Wärme des Blutes, das fühlbar pochende Herz, das schallende Wort, die sichtbare Welt und alles, was man greifen und schmecken kann. Es war etwas anderes, Ungreifbares, Geheimnisvolles; es baute Brücken über den Tod hinaus, es kannte kein Ende aller Enden, keinen letzten Weg, keine letzte Tat; Rausch und Taumel war sein Wesen, ein Sichaufrecken bis unter die Sterne, ein Verachten der gemeinen Lose, ein Fernhalten des Alltäglichen, Allstündlichen, – Unsterblichkeitswollust. Oft war es wie ein Prunktraum um Alexander, wenn die Schwerter klirrten und die Schilde klapperten und die Erde vom Schritt der Armeen dröhnte und der Himmel vom Brand gerötet war; oft hatte er beim Geschrei der Sterbenden Lust verspürt, sich mitten unter sie zu setzen und den Homer zu lesen.

      Ein unbeschreibliches Schweigen herrschte in der gewaltigen Halle, als er die Wieselfellmütze vom Kopf nahm und mit Ruhe das Diadem daran festband. »Nun, Osthanes,« wandte er sich an den Mager, »befrage deine Stäbe.« Ihn kitzelte das Verlangen, die fremden Götter zu reizen und herauszufordern.

      Osthanes öffnete den Köcher und warf die Tamariskenstäbe auf die Erde. Lange betrachtete er die wirren Figuren, die sie bildeten, dann verbarg er das Gesicht in den Händen. Die Söldner drängten sich heran. Alexander lächelte.

      Eumenes hatte die Leiche des Promachos gesehen und machte Alexander aufmerksam. Phason berichtete mit nackten Worten, was vorgefallen war und weshalb er den Elenden mit eigener Hand gerichtet. Er war seiner Sache nicht ganz sicher, und als er geendet, starrte er wie gebannt auf Alexanders Lippen. Aber Alexander antwortete nichts. Er schaute in das verzerrte Gesicht des Toten, dann erhob er den Blick, der einen kalten und gläsernen Ausdruck gewonnen hatte, und heftete ihn erst auf Phason, dann auf zwei, drei andere der umstehenden Makedonier. Es war ein stummer schneller Kampf zwischen ihnen, aber Alexander hatte bald gesiegt, die Blicke, die er aufgefangen hatte, krümmten sich und suchten den Boden. Nun grüßte er die Söldner mit einem Kopfnicken, faßte Hephästion unter den Arm und ging mit ihm gegen die Terrasse.

      Im Schatten der riesenhaften menschenköpfigen Marmorstiere blieben sie stehen. Gleich grünlich-blauem Kristall, aber zart und leicht, bog und hob sich der Himmel von der Ebene im Westen bis zu den schwärzlichen Hügeln im Osten hinüber. Aus dem Park schallte das Gebrüll eines Löwen. Den Blumen und Obstgärten entströmten berauschende Gerüche. Das Wasser des Flusses schimmerte in den Mondstrahlen wie ein unbewegliches, launisch verbogenes Silberband, die Ulmen und Platanen, die seine Ufer säumten, bewegten kräftigrauschend ihre Kronen.

      Zweites Kapitel.

       Die Hochzeitsfeier

       Inhaltsverzeichnis

      Am andern Tag fand die den Makedoniern versprochene Schuldenzahlung statt. An vielen Stellen des Lagers wurden große Tische aufgestellt und Hunderte von Sklaven schleppten aus dem Palast goldgefüllte Säcke herüber. Zuerst kamen die Makedonier nicht; sie fürchteten, Alexander wolle nur die Verschwender kennen lernen, um sie nachher ihren Leichtsinn doppelt entgelten zu lassen. Da verkündeten die Herolde, daß keiner seinen Namen nennen oder aufschreiben müsse, es genüge, wenn sie den Schatzmeistern die Höhe der Summe und den Gläubiger angäben. Dies stolze Vertrauen schmeichelte den Soldaten, und die meisten verschmähten es, Vorteile zu erlangen, wo die Gelegenheit zu List und Betrug allzuleicht war. Doch eine vibrierende Mißstimmung verschwand nur bei jenen, die sich sogleich wieder zum Trinken lagerten oder ihren Ausschweifungen ergaben. Die andern liehen den herumschwirrenden, kaum zu fassenden Gerüchten das Ohr. Ein grauer Regenhimmel hatte sich über Stadt und Lager verwoben, und sie betrachteten das Verschwinden der Sonne als ein böses Zeichen. Daß sie von den drückenden Schuldenlasten erlöst waren, erleichterte oder befriedigte sie nicht im geringsten; nur die Wünsche hatten noch Reiz für sie, jede Erfüllung war zugleich eine Enttäuschung. In nüchternen Stunden waren sie die unglücklichsten aller Menschen; der Freund fürchtete im Freund einen Verleumder und Verräter, sie wagten nicht mehr, ihre Gedanken in Worte umzusetzen, an die guten Götter glaubten sie nicht mehr, und die Mächte des Bösen fürchteten sie bis zum Wahnwitz; zu jeder Minute fühlten sie sich preisgegeben; da sie einem fremden Leben niemals den geringsten Wert beigemessen, sahen sie auch das eigene beständig vor dem Abgrund des Todes taumeln. Durch das lange Fernsein von der Heimat waren auch diejenigen entwurzelt, die einst aus dem mütterlichen Boden Kraft und Beständigkeit gesogen hatten; in ihnen war kein Glauben, kein Vertrauen, keine Hoffnung, keine Freude, keine Festigkeit, kein wahrer Ernst. Die Schlacht entflammte sie zum Blutdurst, wie der Wein zur Trunkenheit, und ohne Schlacht und ohne Trunkenheit waren diese Abertausende von erwachsenen Männern wie traurige Bestien, müde an sich selbst, müde an der Welt, aufgeregt durch schwere Träume, gepeinigt von maßlosen, aber leeren Begierden, willenlose Werkzeuge für jeden fremden Willen.

      So geschah es auch, daß unter den Edelknaben plötzlich eine Verschwörung gegen das Leben Alexanders ausbrach. Eigentlich um nichts, – die Sonne brütet Maden aus, der Sumpf treibt Blasen, die der leichteste Luftzug zerplatzen läßt. Aus einem trägen Knabengehirn war ein träges Gelüst aufgestiegen, empfangen im übersättigten Behagen, geboren und gehegt in der stachelnden Langeweile einer dumpfen Seele. Der eine fand einen zweiten, und auf dem Bett unnatürlicher Liebe reifte der Entschluß. Wenn die Verwegenheit von Männern nach dem Höchsten greift, wird ihre Tat im Feuer der Leidenschaft geglüht, aber diese vorzeitig ins wilde Leben gerissenen Knaben erlagen ihrem tückischen Trieb wie einer Krankheit.

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