Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann

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Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann

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Sproße auf der Leiter seiner Wünsche erklimmen wollte, verlor lieber sich selbst als die gute Gelegenheit. Bleiern und lähmend spürte Hephästion, wie das Mißtrauen in Alexander tobte, so daß er nur mit Anwendung aller Kraft an sich halten, den Zutrinkenden danken, den Fragern antworten konnte. Manchmal flog sein Blick fragend zu Hephästion hinüber, aber Hephästion war zu stolz, diesen vermessenen Argwohn zu stillen. Er schwieg und tat, als bemerke er nichts. Aber er mußte es immer deutlicher gewahren, wie Alexander litt, wie er die Zähne aufeinander rieb und an den Lippen nagte, wie er mit beiden Händen die dichten Haare gleich einem geduckt Lauschenden gegen die Ohren hielt, wie sein Auge dahin und dorthin flog, wie seine Faust krampfhaft und immer krampfhafter den Becher umklammerte, wie durch jedes Wort, das er sprach, die knirschende Wehklage tönte: Seht, auch Hephästion hat mich verraten, Hephästion ist im Einverständnis mit denen, die mir nach dem Leben trachten …

      Nackte Knaben liefen hin und her; sie schöpften Wein aus den großen Behältern in die kleineren Amphoren. Sie kletterten wie Zwerge an ehernen, auf kolossalen Statuen ruhenden Kratern herum, die mit dunklem chalydonischen Wein gefüllt waren. Sie trugen die auf Würfeln ruhenden Eimer, die mit Inselweinen gefüllt waren, zu den Tischen. Wie beflügelt eilten sie dahin mit ihren Trinkhörnern, Schöpfgefäßen, Doppelbechern und Schalen aus Onyx, Achat, Alabaster und Porphyr. Seltsam wie das Rascheln vieler kleiner Tiere im Gras klangen ihre Schritte auf dem mit Blüten und Laubwerk bedeckten Boden. Lange Züge von Sklaven reichten die Speisen: das gebratene Fleisch kappadokischer Schafe, Rinderkeulen am Spieß gebraten, Vögel auf phönikische Art zubereitet, seltene Fische aus dem schwarzen Meer, flache Gerstenkuchen aus Babylon, euböisches Obst, bernsteinfarbene Riesendatteln aus den karäischen Dörfern, ägyptischen Käse und sizilische Leckereien.

      Alle, die in Alexanders Nähe waren, wurden jetzt aufmerksam und verfolgten mit wachsender Unruhe das aufregende Spiel seiner Mienen. Da suchte auch der Unschuldige in seinem Innern nach einer Schuld und der nicht ganz Reine gedachte seines Makels. Sie peitschten deshalb ihre Laune an, warfen mit prahlerischen Worten um sich, schlangen die Arme um die Frauen; der graubärtige Krateros richtete sich vom Lager empor, wie ein Satyr tauchte er auf mit weinschmatzendem Mund, pries lallend Alexander, riß ein Stück der Rosenguirlanden von der Säule nebenan und warf es Alexander zu. Der einzige Perdikkas bewahrte seine Besonnenheit. Seine Augen sahen aus wie gefroren, ihn gelüstete es unaufhörlich nach blutiger Abrechnung, und über diesem Verlangen trug er die Maske der Gerechtigkeit; stets zu Anklagen fertig, war ihm der Ton friedlich scherzenden Genusses lästig, und nur eine Stunde wie diese spannte seine Erwartung höher.

      Plötzlich erhob sich Alexander. Er schloß die Augen, so daß das Gesicht wie schlafend aussah, und die Stimme brach dunkel aus den bebenden Lippen: »Hast du mir nichts zu sagen, Hephästion?«

      Ringsum entstand jähes Schweigen. Hephästion schüttelte den Kopf und verneinte stolz und entschlossen. Da öffnete Alexander die Augen. Sein Blick flackerte. Er riß mit der Linken das Diadem vom Kopf, beugte sich hinüber und legte den königlichen Schmuck mit einer wildverachtungsvollen Gebärde, ganz außer sich vor Groll und Gram, Hephästion um die Stirn, als wolle er sagen: wenn du mich verraten willst, dann will ich nicht mehr Herr sein, dann sei du es.

      Feierliche Ruhe breitete sich aus. Die Speiseträger blieben stehen, die Musiker unterbrachen ihr Spiel, die Witzlinge stockten in ihren Zoten, die Knaben hörten auf, ihre von Wohlgerüchen dampfenden Schalen zu schwingen, den Tänzerinnen entsanken die Schleier, den Trinkenden die Pokale. Hephästion drückte die Hand auf die Brust, als schmerze es ihn im Innern. Er war wie eine Bildsäule anzusehen, doch schaute er mit einem aufmerksamen und fragenden Blick zu Alexander empor.

      Durch die Eingänge und oberen Lichtöffnungen des Zeltbaues strömte die Glut des Sonnenunterganges. Sie färbte die Gesichter von Männern und Frauen dunkelrot, überzog die ölglänzenden Leiber der Weinmischer, durchleuchtete die Alabasterkannen, daß sie wie mit Flammen gefüllt aussahen, spielte im Geschmeide und im Gold der Gewänder, umlohte die hohen Säulen und verbreitete, als die Sonne in der Falte zwischen Himmel und Ebene versunken war, eine rosige, bewegliche, schwere Dämmerung. Vor dem Hauptausgang entstand eine stauende Bewegung unter den Menschenmassen, ein heftiges Drängen nach einem Punkt. Ein Ruf drang von draußen herein, oft wiederholt und sich steigernd im Ausdruck: »Der Inder! der Inder!« Die blinde und treibende Menge riß einen der mächtigen Wandteppiche des Zeltes ab und wälzte sich gegen die Tische. Die Gäste erhoben sich. Viele, durch die Sonnenröte geblendet, hielten die Hand vor die Augen. Der Himmel erschien jetzt wie geöffnet, er war so mit Purpur übergossen, daß der herabflutende Glanz die Bäume, die Wasser, die Gräser und die Steine färbte; um die Tiefe des Horizonts aber lief ein gläserner, smaragdgrüner Saum, auf den sich die ganze Himmelswölbung wie eine von Blut rauchende Glocke stützte.

      Hephästion blickte hinaus. Dann griff er langsam nach dem Diadem und gab es Alexander lächelnd zurück. Es war ein herrliches Lächeln voll Bittersüße und vermochte mehr als alle Worte der Welt, mehr als Beteuerungen und Beweise, denn es enthielt mehr, es enthielt die Zusage des Vergessens dieser Stunde. Alexander schämte sich, er errötete und schämte sich.

      Die meisten begriffen nicht, was vorgegangen war. Sie hatten gehofft, nun sei es vorbei mit Hephästion; die unerwartete Wendung erweckte Erstaunen und Unwillen. Doch ihre Aufmerksamkeit wurde durch den Tumult abgelenkt, der draußen entstanden war.

      Eine Anzahl Soldaten, Makedonier, Kreter und Epiroten hatte ein Gerüst erbaut und es als eine Art riesigen Wagens von sechzehn Pferden durch das Lager ziehen lassen, während sie oben ruhten, vom grünen Gezweig überschattet, ununterbrochen schmausten und aus zusammengebundenen Schläuchen tranken. Ihre nackten Weiber saßen dabei, jubelten zum Saitenspiel und tanzten um einen gewaltig großen Phallos. Da war ihnen ein langer Zug von Kindern entgegengekommen, an der Spitze der Inder Kondanyo. Er hatte sich der verwahrlosten, hungernden, obdachlosen Geschöpfe angenommen, deren Eltern bei dem Wüstenzug das Leben verloren hatten, und wollte sie zu Alexander führen, damit er sich ihrer erinnere in der Stunde des Glücks. Aber der Wagen der Söldner versperrte den Weg zum großen Zelt; auf der einen Seite war der Fluß, auf der andern lagen in hölzerner Umzäunung die Opfertiere. Die Soldaten schleuderten Verwünschungen und Flüche herab, die wilden Pferde vor dem Schaugerüst drohten die Kinder niederzustoßen, da trat Kondanyo vor den Wagen. Er trug ein härenes Gewand, war bloßfüßig und sein weißes Haar hing unbedeckt bis auf die Schulter. Die Söldner fingen an zu spotten. Aber das Gesicht des Alten zeigte einen so befremdlichen Ausdruck von Güte, eine solche todesüberlegene Kraft, daß ihre Witze zu Boden fielen wie vom Blitz versengte Vögel.

      Alexander wandte sich dem Ausgang des Zeltes zu. Hephästion trat an seine Seite. Jetzt beschloß er zu reden, und er hoffte von der günstigen Stimmung, daß Alexander das Geschehene leicht nehmen würde, denn er schien ganz von Tat entlastet, vom treibenden Feuer des Willens gelöst, schien im tiefsten Genuß seiner selbst völlig dem Augenblick ergeben. Bezaubernd war die Milde seiner Miene und das feuchtaufblickende, schmachtende Auge. Hephästion begann also seine Erzählung, aber er kam nicht bis zum dritten Wort. Alexander nahm den Ring vom Finger und drückte das Siegel zum Gebot des Schweigens auf Hephästions Mund, und beide empfanden es, wie sich am Mißverständnis das Leben entzündet.

      Indessen waren sie hinausgetreten. Die Menge machte Platz. Kondanyo gewahrte Alexander und löste sich aus der Schar der ihn ängstlich umdrängenden Kinder. »Verkünde mir Gutes, du Seher!« rief ihm Alexander lebhaft entgegen.

      Kondanyo neigte sich und erwiderte sanft. »Selig sind, die nicht hassen, Alexander. Selig sind die Armen, süß ist die Einsamkeit. Besseres kann ich nicht verkünden.«

      Alexander blickte sinnend in die halbverglommenen Abendgluten. Er suchte nach einer Antwort für den Inder, aber es zeigte sich, daß alles, was er hätte sagen können, leer und haltlos war. Er hatte die eigentümliche Empfindung, als ob ein gewaltiges Wesen vor ihn hinträte, um ihn nach dem Ziel seiner Handlungen zu fragen, jedoch in einer Sprache, die er nicht verstand.

      Die

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