Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig

Скачать книгу

alle Vorbereitung?« fragte der Einsiedler. »Soll ich dir nicht ein oder das andere Sprüchlein mit auf den Weg geben?«

      »Sind die notwendig?« fragte der Prinz.

      »Notwendig nicht, nützlich vielleicht,« sagte der Alte.

      »Dann danke ich,« meinte der Prinz, »und du würdest mich sehr verbinden, wenn du ohne weiteres mir mit meinem Gefolge die Höhle erschließen würdest.«

      »Dir wohl, Prinz,« sagte der Einsiedler, »aber deinem Gefolge mit nichten! Die Höhle darf nur einer allein betreten!«

      »Nun denn, ich bin bereit, schließe auf!«

      Da führte der Einsiedler den Prinzen nach einem hohen Felsen, an welchem sich eine eiserne Pforte befand, über dieser waren in Lettern aus gleichem Metall die Worte »Höhle der Phrasen« angebracht.

      Der Alte löste das Schloß, bedeutete dem Prinzen, wenn er die Höhle werde verlassen wollen, nur von innen zu pochen, die verrosteten Angeln kreischten und der Prinz trat hinein in das Dunkel, hinter ihm schloß der Einsiedler wieder sorgsam die Thüre und blieb lauschend an derselben stehen. Die Herren des prinzlichen Gefolges hätten für ihr Leben gerne mitgelauscht, aber es konnte leider niemand hinzutreten, entweder war die Pforte zu schmal, oder der würdige Einsiedler zu breit, oder wohl auch beides zugleich; so bildeten sie denn, die hohle Hand am Ohre, einen den lauschenden Weisen belauschenden Halbkreis.

      Es dauerte nicht lange, so sagte der greise Horcher an der Thüre: »Aha!«

      Die lauschenden Hofleute ringsum sagten mit großer Befriedigung auch: »Aha,« denn sie wähnten, jetzt würden sie eines jener prächtigen, beschreibenden Selbstgespräche zu hören bekommen, welche sich auf der Bühne so gut ausnehmen, und durch dasselbe über den Stand der inneren Angelegenheiten in der Höhle unterrichtet werden. Leider pochte es unmittelbar darauf von innen, der Einsiedler schloß auf und der Prinz trat heraus. Wohl sah man ihm an, daß ihm etwas Außergewöhnliches begegnet sei, aber er trug auch eine freudige Zuversicht zur Schau. Der alte Weise machte bei dieser Wahrnehmung gar ein ernstes Gesicht und verneigte sich stumm, als der Prinz auf das freundlichste von ihm Abschied nahm.

      Auf der Rückreise sagten die Herren des Gefolges unter sich noch oft mit bedeutsamen Mienen: »Aha,« um den Prinzen aufmerksam und glauben zu machen, daß sie schon um manches wüßten und nur darauf warteten, daß er sich über ohnehin schon Bekanntes etwas näher gegen sie ausließe; aber zu ihrem großen Verdrusse verlor er über den so hochinteressanten Gegenstand nicht ein einziges Wort. Also erreichten sie wieder die Residenz Monosogoporibius' I., und wie das auch anderen Leuten manchmal geschehen soll, kamen sie von der Reise nicht klüger zurück, als sie ausgezogen waren.

      Der königliche Oheim empfing sehr huldreich seinen Neffen, übertrug demselben unter großen Feierlichkeiten die Regierung und zog sich auf ein stilles entlegenes Jagdschloß zurück. Sohin führte der zweitältere Prinz probeweise das Regiment.

      Gleich in dem ersten Manifeste an seine probeweisen Völker frischte der neue Herrscher das Gedächtnis der grauen, heldenhaften Vorzeit auf, versprach diese Tage der Größe und Macht des Vaterlandes wieder aufleben zu machen und gab der Erwartung Ausdruck, daß jeder Patriot begeistert Folge leisten werde, wenn das Vaterland zu großen Thaten ruft.

      Und nun hatte das Volk oft und vielmals der Stimme des Vaterlandes Folge zu leisten, denn dieses ward nicht müde, zu den Waffen zu rufen; aber dieser Ruf des Vaterlandes war nicht der klagende Weckruf gegen fremde Unterdrücker, nicht der entrüstete Aufschrei über mutwillig zugefügte Schmach und Ungerechtigkeit, nicht das tiefernste Grollen des Beleidigten, es war der gellende Hetzruf des Beleidigers!

      Aber dieses immerwährende Schlagen und Kriegen war von ebenso andauerndem Glücke begünstigt, so daß der junge Regent bald seinen Namen gefürchtet, die Grenzen seines Reiches erweitert und seinen Staat alle anderen an Macht und Grüße überragen sah. Mit Stolz fragte er sich, wer nunmehr den wahnwitzigen Gedanken auch nur denken könnte, dem Gründer all dieser Herrlichkeit den Thron streitig machen zu wollen! Mit Grausamkeit beugte er in widerrechtlichen Kriegen besiegte Stämme unter sein Joch und mit noch größerer Härte verfolgte er die seiner Herrschaft Angestammten, welche etwa schüchtern die Stimme für den Frieden zu erheben wagten.

      Indessen saß der gute Monosogoporibius auf seinem stillen Jagdschlosse. Tags über durchpirschte er den Forst, das heißt, er durchstreifte denselben mit seinem Gefolge, denn er selbst hatte nie eine Armbrust gehandhabt; dabei geschah es immer, gewiß nicht aus Neid über die Geschicklichkeit anderer, sondern lediglich aus Mitleid mit dem armen Getier, daß der beste Schütze wenigstens für den laufenden Tag in Ungnade fiel. Abends – das war er so gewohnt – mußte ihm sein alter Hofsekretär sauber geschriebene Schriftstücke zur Unterfertigung vorlegen, da waren Belobungen und Belohnungen an die Dienerschaft, ein Dekret, das den armen Vögelchen über die harte Winterszeit genügendes Futter bewilligte, welches immer »an im betreffenden Paragraphen genau ersichtlich gemachter Stelle« hinterlegt werden würde; ein anderes, das die Herstellung von »mit genügsamem Heu versehenen Remisen« zur Aesung des Wildes im Walde anordnete; nur eines, welches auch den Raupen und Engerlingen einige Freiplätze im kleinen Schloßgarten anweisen wollte, wurde über energische Einsprache des alten Gärtners fallen gelassen. Von Zeit zu Zeit ward auch einem alten Jagdhunde, für dessen während der Dienstzeit bewiesene Pflichttreue andere einstehen konnten, allerhuldreichst ein Gnadenbrot zugewiesen, wobei der alte König sich nie enthalten mochte, zu bemerken, daß er das Institut der Jagdhunde nicht billige, sondern nur als eine Notwendigkeit beklage, übrigens aber, wie unter alle Schriftstücke, seinen reinlichen, leserlichen Namenszug darunter setzte, denn es war doch eines mehr.

      Aber nun wurde ihm schon längere Zeit sein stilles Jagdschloß verleidet, die Witwen und Waisen der zahllosen Krieger, die in den Feldzügen des Regenten gefallen waren, kamen in Scharen jammernd herbeigezogen und baten ihn um Erbarmen für das Land.

      Was aber wollte der gute, alte König machen? Darauf durfte er ja nichts geben, das waren ja nicht die Großen des Reiches, das waren ja nur die Kleinsten und Aermsten, die ihn zurückverlangten. Da ward er, vielleicht zum erstenmal in seinem Leben, sehr zornig, verwünschte seinen Neffen, und um von dem ganzen Jammer nichts sehen und hören zu müssen, gebot er, die Fensterläden zu schließen und stopfte sich Baumwolle in die Ohren.

      Mittlerweile aber kamen noch härtere Tage über das Land, die Grausamkeit des Regenten und seine nie rastende Kriegssucht zwangen endlich alle benachbarten Staaten in. ein großes Bündnis wider ihn, der Ueberzahl mußte er erliegen, er suchte und fand in offener Feldschlacht den Tod, und nun sah das arme Reich die ganze Zeche sich aufgekreidet, so daß es fast an seinem Bestände verzweifeln mußte.

      In dieser Bedrängnis eilten denn auch die Großen des Reiches nach dem stillen Jagdschlosse, um die Krone an Monosogoporibius I. zurückzustellen. Der alte König war vor Freude außer sich, als er sie kommen sah, nicht darüber, daß er nun wieder regieren sollte, sondern weil er nun dem Jammer, soviel in seinen Kräften lag, abhelfen konnte.

      Er vergaß ganz auf die Baumwollpfropfen in den Ohren, und der Sprecher der Deputation der Großen des Reiches mußte seine ganze Rede noch einmal hersagen, nachdem der König die Watte entfernt hatte.

      Sofort eilte Monosogoporibius I. nach der Hauptstadt, mit seinem Erscheinen kehrte Mut in die Herzen seiner Unterthanen zurück, und da die siegreichen feindlichen Fürsten es nicht auf einen Verzweiflungskampf ankommen lassen wollten und überdem mit dem alten König persönlich befreundet waren, so gelang es ihm, einen leidlichen Frieden zu schließen, der das Reich in jenen Grenzen beließ, wie er es seinem zweitältesten Neffen übergeben hatte; leider waren damit im Innern die Spuren von dessen Regentschaft nicht ausgetilgt. Der jüngste Prinz hatte unterdem gerade jenes Alter erreicht, in welchem sein verstorbener

Скачать книгу