Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig

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Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig

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zu sein. Auf der Reise dahin forschte er jene Herren seines Gefolges, welche schon das erste Mal mit gewesen waren, genau über das Wenige aus, das sie wußten.

      Wieder erreichten sie jene traurige Oede und der Prinz, dem die Reise viel Beschwerde gemacht, brannte schon vor Begierde, die Höhle zu betreten, um nach rascher Erledigung seiner Geschäfte an die Heimkehr denken zu können. Er pochte an der Hütte des weisen Einsiedlers; dieser erschien sofort unter der Thüre und lud den Prinzen ein, Rast zu halten; der aber bedankte sich schön, sagte, er habe große Eile, und brachte sein Anliegen vor, nämlich, daß er in die bewußte Höhle eingelassen werden wolle.

      »Ohne alle Vorbereitung?« fragte der Einsiedler. »Soll ich dir nicht ein oder das andere Sprüchlein mit auf den Weg geben?«

      Auf diese Frage war der Prinz durch seine Begleiter schon vorbereitet; er wollte es sich mit dem, wie es schien, redseligen Alten nicht verderben und so antwortete er: »Das mag wohl nicht notwendig, aber vielleicht doch nützlich sein, sage mir ein solches Sprüchelchen.«

      Da wiegte der alte Einsiedler das Haupt und sagte: »Vor allem merke dir dies:

      Bleib dir getreu nur,

       Laß dich nicht irren.

       Was auch die Tiere

       Brüllen und girren!«

      »Das ist barer Unsinn,« dachte der Prinz bei sich. »Wie werde ich mir denselben merken?« Er hatte nämlich ein sehr schwaches Gedächtnis.

      »Das ist das erste,« sagte der Alte.

      »Sind ihrer denn mehrere?« fragte der Prinz.

      »Es sind mehrere,« sagte verdrießlich der Einsiedler.

      »Dann verzichte ich darauf,« sagte verbindlich der Prinz. »Du würdest mich aber sehr zu Dank verpflichten, wenn du mir sagen könntest, was meinem höchstseligen Herrn Bruder in der Höhle begegnet ist.«

      »Ich darf zu keinem über die Geheimnisse der Höhle sprechen, der sich nicht vorbereiten lassen will, und dazu ist nötig, daß er alle meine Sprüchlein erlernt.«

      »Das ginge mir ab,« sagte der Prinz stille für sich, und dann laut: »Vielleicht aber könnte ich doch erfahren, wie ich dem Geschicke entgehen kann, das ihn betroffen hat, denn daran liegt mir vor allem.«

      »Da brauchst du nur zur ersten Erscheinung, die dir entgegentritt, zu sagen:

      Haß ist stets ein traurig' Erbe,

       Oft der Sieg ein ungerechter,

       Krieg sei nimmer ein Gewerbe

       Und der Held, er sei kein Schlächter!«

      »Gerechter Himmel,« klagte der Prinz, »das klingt nicht viel klüger als das erste, wie werde ich das behalten können? Ich bitte, sage mir das noch einmal!«

      Und der geduldige Alte sagte den Spruch noch einmal, dann auf allerhöchstes Verlangen ein drittes Mal und nachdem er ihn so ein Dutzend Mal wiederholt hatte, gestand sich der Prinz, daß man mit ein wenig Mühe, die man anderen mache, sich derlei ganz gut merken könne.

      »Nun schließe mir nur auch rasch die Höhle auf,« sagte er, »damit ich den Spruch gleich vor der ersten Erscheinung hersagen kann, ich hoffe, sie wird doch so artig sein und sich blicken lassen, bevor ich ihn vergesse.«

      Der Einsiedler löste das Schloß an der eisernen Pforte, bedeutete dem Prinzen, wenn er die Höhle werde verlassen wollen, nur von innen zu pochen, und die verrosteten Angeln kreischten –

      »Halt einen Augenblick,« sagte der Prinz, ehe er in das Dunkel hineintrat. »Wie geht das Silben- und Reimgetrommel, das du mich gelehrt hast? Sieg ist stets ein traurig Erbe ...«

      »Haß, Haß,« verbesserte der Einsiedler.

      »Ach ja, ich weiß es nun schon,

      Haß ist stets ein traurig' Erbe,

       Und der Sieg, er sei kein Schlächter!«

      »Du lieber Himmel,« sagte der Alte und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen.

      »Nun, nun,« meinte huldreich der Prinz, als gälte es, den Einsiedler über eine von dessen eigenen Angelegenheiten zu beruhigen. Dann ließ er sich das Sprüchlein noch einmal vorsagen und dann hatte er es weg und trat hinein in die Höhle.

      Hinter ihm schloß der Einsiedler wieder sorgsam die Thüre und blieb lauschend an derselben stehen. Die Herren des prinzlichen Gefolges hätten für ihr Leben gerne mitgelauscht, aber – doch das ist ja schon einmal erzählt worden und hat sich auch jetzt zum zweitenmal nicht anders zugetragen.

      Es dauerte wieder nicht lange, wenngleich ein wenig länger als das erste Mal, da pochte es von innen, der Einsiedler schloß auf und der Prinz trat heraus. Er hatte den Blick andächtig gen Himmel gerichtet, dann senkte er ihn demutsvoll zur Erde, faßte die Hand des Einsiedlers und drückte sie an die Lippen, aber der alte Weise machte wieder gar ein ernstes Gesicht und verneigte sich stumm, als der Prinz beim Abschiede bat, ihn in das Gebet mit einzuschließen. Die Rückreise ging genau so von statten wie das erste Mal und wenn die Herren vom Gefolge etwas mehr wußten als damals, so war dies gewiß nicht die Schuld des Prinzen.

      Der königliche Oheim empfing auch diesen seinen zweiten Neffen sehr huldreich und übertrug demselben unter großen Feierlichkeiten, aber mit ein wenig bangem Herzklopfen, die Regierung, worauf er sich wieder nach seinem stillen Jagdschlosse begab.

      Nun begann unter dem jüngsten Prinzen die zweite Regentschaft. Er ließ sich jedoch anders dazu an, wie sein höchstseliger Herr Bruder. In seinem ersten Manifeste lobpries er Gott und die friedsamen, guten, alten Zeiten und versprach, unter des ersteren mächtigem Beistande deren festen Glauben und ehrsame Zucht und Sitte im Reiche wieder herzustellen: alle Patrioten waren höflichst eingeladen mitzuthun!

      Der Hof des neuen Herrschers wimmelte bald von Leuten, welche alle versicherten, daß sie nur das Reich Gottes suchten, wobei sie freilich verschwiegen, daß sie auch auf eine Reichsverweserstelle in demselben rechneten, aber das war ja selbstverständlich, denn dem getreuen Knechte gebühret sein Lohn und daß ihnen derselbe, vermöge ihrer Verdienste, schon lange zugedacht war und nur die böse Welt sich weigerte, ihn herauszugeben, das fühlten sie gar wohl. Wollten sie also dazu gelangen, so durften sie keine Zeit verlieren und mit der argen Welt nicht spaßen.

      Da waren im Reiche böswillige Neuerer, die schrieben in ihren Büchern nicht wie die Rechtgläubigen »GOTT«, sondern ganz unehrfürchtig »Gott«; freilich brauchten sie Ausflüchte, meinten, die Buchstaben hätten nichts mit der Ehrfurcht zu schaffen und »Gott« geschrieben, hieße nicht »GOTT« gelästert: aber man weiß, was man von so spitzfindigen Vorwänden zu halten hat, daß sich immer bei Streiten über Rechtschreiberei viel Rechthaberei breit macht und daß sich hier der ungläubige Wolf in ein orthographisches Schaffell hüllte. Was sollte man mit solchen verrotteten Gemütern beginnen, denen Gott nur für ein gewöhnliches Hauptwort galt, und welche auch dem Teufel die gleiche Ehre erwiesen?!

      Um durch die Duldung dieses ketzerischen Gebarens die Rechtgläubigen nicht irre zu führen, sondern vielmehr zu überzeugen, daß sie mit ihren Anschauungen in der Mehrzahl und in der Macht, somit im Rechte seien, ließ der junge Herrscher ein Dekret ergehen, welches die »neuere Rechtschreibung in göttlichen Dingen« verdammte und den Anhängern derselben freistellte, binnen vierzehn Tagen das Reich zu

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