Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig

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Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig

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Und nun fährt der wütige Kerl fort, mit der Hand in der Luft herumzufingern, schreit mit seinem Fluchmaul nach jedem Heiligen, der ihm beifallen will, und wirft sie einen nach dem andern dem ersten nach, dabei öffnet er vorsichtig nur ein klein wenig den Spalt, damit ihm keiner der früheren neben auswischen kann. Es vergehen keine fünf Minuten, so hat er den Hut voll der schönsten und größten Heiligen, die man im Kalender finden kann, denn billigerweise hält man es mit den Heiligen umgekehrt wie mit den Spitzbuben, wo man die kleinen fängt und die großen laufen läßt.

      Nun haben sie es! Da sind sie alle – Gott verzeih es, vielleicht sogar mit lebenden Wesen, die man nicht gerne nennt – in dem nicht zu reinlichen Filz zusammengepfercht. Unser Welscher stolziert eine Weile mit ihnen auf und ab, bis er sich ein wenig abgekühlt hat und wieder zu einiger Besonnenheit kommt. Bewiesen hat er es ihnen, daß er nicht mit sich spaßen lasse, aber es scheint ihm doch nicht geraten, es ganz mit ihnen zu verderben und so fängt er sie denn jetzt Stück für Stück, der Reihe nach, wie er sie hineingeflucht, heraus, denn Ordnung ist in allen Dingen löblich; er nennt sie einen um den andern beim Namen, langt sie mit der Rechten aus dem Hute und gibt sie los, indem er die Hand öffnet, etwa wie um einen gefangenen Vogel in Freiheit zu setzen. Es soll da jeder in dem Punkte ein gutes Gedächtnis besitzen und noch keiner einen Heiligen in Gedanken im Hute stecken lassen haben; möcht' aber doch vorsichtshalber raten, den Hut zum guten Schlusse sacht umzustürzen, damit ein allenfalls Vergessener herausfallen kann.

      Das ist toll genug und darüber kann man lachen, und ich hoff's, der Leser hat mir die Freude nicht verdorben und hat darüber gelacht. Trotz dieser unbilligen Behandlung hat man noch nicht gehört, daß die Heiligen einem ein himmlisches Donnerwetter über den Hals geschickt hätten, auch der Herrgott selber hat gleiche Nachsicht mit seinen Geschöpfen, die statt ihm zu dienen, es vielmehr darauf absehen, von ihm bedient zu werden, und es ist das ein Dienst, bei dem er weder auf Lohn noch auf gute Behandlung sehen dürfte; eine dahin einschlägige närrische Geschichte will ich eben erzählen, bemerk' nur vorher, daß aus all dem bisher Gesagten und noch zu Sagenden hervorgeht, was wohl schon manchem im Leben aufgefallen sein mag: daß Gott und alles Heilige, Hohe und Reine Spaß vertragen, die Menschen aber und alles Gemeine, Niedere und Unsaubere keinen! Woher kommt's wohl? Der menschliche Witz gleicht einem jener Spiegel, die man an manchen Orten zur Unterhaltung aufgestellt findet und die so geschliffen und postiert sind, daß sie alles verzerrt zeigen. Laß ein paar bildsaubere Leute Hand in Hand davor hintreten, im Bewußtsein ihrer Wohlgestalt haben sie leicht über das Zerrbild im Spiegel lachen; versuch es aber mit ein paar Häßlichen, die werden sich beleidigt abwenden, denn, ist auch die Verzerrung eine Lüge, die Häßlichkeit bleibt doch Wahrheit, mit der aber steht man in der Welt schon von altersher auf gespanntem Fuße und die Gattung der unangenehmen nennt man Grobheit, wovon wieder die »göttliche« die erschreckendste.

      Will nun die Geschichte erzählen, lebte der Mann noch, von dem sie handelt, würde ich es sein bleiben lassen; die Gerichte könnten seine Wunderlichkeit oder Narrheit strafwürdig finden und ich wollte ihn nicht denunziert haben; da er aber schon eine ganz geraume Zeit tot ist und sich allein mit Gott abzufinden hat, so kann ich's ohne Scheu Rede haben, wie er bei Lebzeiten mit demselben umgegangen.

      In einem Orte nahe bei Wien, der Hauptstadt Oesterreichs, hielt sich vor vielen Jahren eine Schauspielergesellschaft auf. Diese Leute spielten, so gut sie es eben vermochten, den Inwohnern Komödie vor, schlecht und recht, wie aber allzeit Undank der Welt Lohn ist, so meinten die Zuschauer, es wär' dabei wenig Rechtes, dagegen viel Schlechtes zu sehen gewesen. Es wurde in einer Scheune gespielt, das mag sich allerdings nicht sonderlich hübsch ausgenommen haben, die Rüstungen der biedern Ritter und die Gewandungen der Könige und anderer Großen des Reiches sahen vielleicht auch nicht zum besten aus, war wohl der Pappendeckel der ersteren abgerieben und der Samt der letzteren spiegelte, während der Flitter blind geworden, und es kann ja sein, – weil Kleider Leute machen, – daß die armen Komödianten nicht besser spielten als sie aussahen; aber die Zuseher hätten auch bedenken sollen, wie nieder das Eintrittsgeld war, und daß für wenig nicht viel geboten werden kann, das ist eine alte Wahrheit, seit Handel und Wandel auf der Welt besteht.

      Kurz die reicheren Leute im Orte fuhren nach der nahen Hauptstadt, wenn sie eine Komödie sehen wollten, und schickten höchstens ihre Kinder oder Dienstboten noch obendrein auf die billigsten Plätze des Dorftheaters. Schlimm für die armen Teufel von Komödianten, denn einen fixen Gehalt hatten sie nicht, sie teilten unter sich, was eine Vorstellung einbrachte und lebten davon ein paar Tage bis zur nächsten. Das hört sich eben besser an, als es sich in Wirklichkeit macht, denn manchen Abend verschlangen die Kosten den Ertrag und dann war nichts zu teilen.

      Das gab viel Sorge und am meisten litt darunter der Direktor der Truppe; er hatte allerdings seinen Leuten keine festen Bezüge auszuzahlen, aber wenn Vorstellung auf Vorstellung entweder nur ein paar Groschen auf einen kamen oder wohl gar nichts, das war zum Durchgehen, nicht für den alten Mann, der nicht gewußt hätte wohin, aber für die Mitglieder der Truppe, welche es wo anders kaum schlechter treffen konnten und von denen daher auch manche durchgingen; daß so ein Mensch in der Verzweiflung vergißt, die Schulden, die er im Orte gemacht, zu bezahlen, das ist erklärlich, ebenso erklärlich ist es aber, daß das sehr unangenehm für den Direktor und die Truppe war, welche im Orte verblieben und – wie die Welt denn ungerecht ist, – von der übeln Nachrede über den ausgerissenen Kameraden ein gut Teil zu Gehör geredet bekamen. Ließen sich die Dörfler bedauernd vernehmen, »daß nur einer durchgebrannt, die mehreren aber geblieben seien«, sprachen sie die Vermutung aus, »daß ein Lump wie der andere wäre« und was derlei Schmeicheleien mehr sind, so kann man sich wohl denken, daß bei solchen Anlässen der Direktor, wenn man ihn als den »Obersten der Komödianten« bezeichnete, die Verleihung dieses Titels gerne bescheiden abgelehnt hätte.

      Feron nannte sich der Mann. Den Tag vor jeder Vorstellung lief er alle Häuser und Hütten des Ortes ab, klagte über die arge Gegenwart, in der aller Kunstsinn in einem verehrlichen Publikum erstorben schien, lobte in einem Atem die alten Zeiten und die alten Stücke, besonders dasjenige, dessen Titel und Personenverzeichnis in sauberer Handschrift er jedem in die Hand drückte, denn er war sein eigener Zettelausträger, wohl nicht aus Leidenschaft, sondern weil er es billiger hatte, wenn er selber ging.

      Er versicherte jedem, der ihm in den Wurf kam, – war's auch ein Pferdeknecht, oder eine Kuhmagd, – daß er ihn als einen hochverehrten Gönner betrachte und dabei blieb er, wenn sich der Betreffende auch noch so sehr ereiferte, ihn von der Irrigkeit einer solchen Anschauung zu überzeugen. Lästermäuler behaupten, sie hätten den Herrn Direktor manches Haus in so schwunghafter Eilfertigkeit verlassen sehen, wie dies ohne die Mitwirkung des hochverehrten Gönners ganz undenkbar wäre.

      Direktor Feron pflegte seine unterthänigsten Aufwartungen sehr regelmäßig zu wiederholen, aber er selber war für Besuche desto unzugänglicher; nicht daß es ihm an geselligen Talenten gefehlt hätte, doch hatte seine Wohnung etwas Unnahbares; selbe befand sich in dem Einkehrwirtshause, in dessen großem Hofraum auch die bewußte Scheune stand, in welcher Komödie gespielt wurde. Durch die breite Einfahrt des Hauses gelangte man in den Hof; ohne sonderliche Beschwer, wenn man auf herumliegende Fässer und herumstehende Futterbarren acht hatte, konnte man sich auch bis zur Scheune zurechtfinden; hinter dieser aber war es nicht geheuer, da war der Boden in trockener Zeit zäher Lehm oder bei Regenwetter ein Kotmeer und da mußte man darüber weg oder mitten durch bis ans andere Ende, wo einige Wirtschaftsbauten standen, darunter eine Tenne, in deren Dachraum ein Futterboden und ein kleines Kämmerchen angebracht war, in letzterem hatte wohl vorzeit ein Knecht oder eine Magd geschlafen, aber jetzt bewohnte es der »Oberste der Komödianten«.

      Ein Mittelding zwischen Leiter und Stiege führte hinan, eine Leiter war's nicht, denn neben befand sich ein Geländer, aber eine Stiege war's wieder nicht, dazu waren die hölzernen Trittbrettchen zu schmal, das ganze Ding stand zu aufrecht und um hinaufzugelangen, mußte man denn auch einen Mittelweg zwischen Steigen und Klettern einschlagen, was nicht sehr bequem war, aber sich dafür recht hübsch ausnahm.

      War man aber einmal oben angelangt, so muß, um der

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