Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig

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Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig

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härteste bestraft werden würde; gegen solche Rückfällige wurden auch unter einem alle ehrliebenden Patrioten zu Anzeigen, wenn auch ohne Unterschrift, höflichst eingeladen.

      Zwei Dritteile der orthographischen Ketzer, welche eine flinke Hand schrieben und fürchteten, es möchte ihnen das bewußte Wort oftmal unversehens in der verpönten Schreibeweise aus der Feder fließen, zogen es vor, auszuwandern; die andern, welche bedachtsamer ihre Buchstaben malten, dachten, sie würden sich schon an die vier großen Schriftzeichen in einem Worte gewöhnen können. Aber die Gewohnheit spielte doch manchem arge Streiche und das Gericht, das der Fürst für solche Falle eingesetzt hatte, ließ nicht mit sich spaßen.

      Es dauerte auch nicht lange, so wimmelte es von Anzeigen ohne Unterschriften. Scherz wurde mit gutem Vorbedacht als Ernst genommen, Mutwille als Frevel; ja, persönliche Feindschaft scheute sogar nicht davor zurück, die Schreibhefte eines verhaßten Gegners zu fälschen und das Gericht kannte nur eine Strafe, den Tod durch Feuer.

      Nicht lange hatte der gute Monosogoporibius I. auf seinem stillen Jagdschlosse gehaust, so wurde sein Friede wieder gar arg getrübt; so oft er auszog, begegneten ihm Scharen von Auswanderern, Männer, Weiber und Kinder, welche der Schrecken aus dem Lande scheuchte, wehmütig grüßten sie stets ihren alten, guten König, und Tag für Tag und immer zahlreicher strebten die Züge der Grenze zu; als aber eines Tages verzweifelnde Hinterbliebene von sogenannten Ketzern vor dem Schlosse Asche und verbrannte menschliche Gebeine auf den tiefgrünen Rasen streuten, da schluchzte der alte Mann laut auf, man sieht, er war kindisch geworden, wer wird denn weinen?

      Als er aber seine Thränen getrocknet hatte, da sammelte er seine wenigen Diener, bestieg ein Pferd, aber da er gar schwach war, mußten ihn zwei Leute rechts und links stützen, und so zog er der Hauptstadt zu; auf dem Wege kehrte jede Auswandererschar um und schloß sich ihm an, in Dörfern und Städten, wo er vorüberkam, ließen sie die Arbeit liegen und stehen und ein unermeßliches Menschengewoge wälzte sich brausend gegen die Residenz heran.

      Ja, man wußte dort gar nicht zu deuten, was das war, als aber Monosogoporibius nach der Stadt hineinschickte und sagen ließ, er fordere seine Krone zurück, da rannte alt und jung vor das Thor hinaus zu ihm, und die Großen des Reiches, welche doch nicht ganz allein darinnen verbleiben wollten, entschlossen sich rasch mitzurennen, und da es ihnen sehr schicklich schien, die Krone zur Hand zu haben und wie aus eigenem Antriebe gleich anzubieten, so riß der letzte, der in der Eile aus dem Königssaale entlief, dieselbe etwas unsanft dem jungen Fürsten vom Haupte.

      Dieser ärgerte sich nicht wenig und fand es nicht in der Ordnung, daß er mitten in seiner segensreichen Regierung also unterbrochen wurde, denn er hoffte an dem Feuer, an dem er die eine Hälfte seiner Unterthanen briet, würde auch die andere Hälfte für seine Herrschaft gar werden; da ihm nun diese Aussicht benommen war, ging er in ein Kloster.

      Draußen vor der Stadt trafen die Großen des Reiches auf unabsehbare Menschenmassen, die einen hinfälligen Greis umjubelten, der mühselig, von anderen unterstützt, zu Pferde saß und auf alle Zurufe kindlich froh lächelte; aber wehe dem, der über ihn gelacht hätte! Dieser Greis, das wußten alle, trug zur gegenwärtigen Stunde in seiner Brust das Herz des Landes und für sein Fühlen und Empfinden standen Millionen Arme und Fäuste ein.

      Die Großen des Reiches gaben die Krone wieder in seine Hand zurück und ihr Sprecher hielt dabei eine minder schöne Ansprache, wie das erste Mal, wo er Zeit hatte, sich gehörig darauf vorzubereiten. Dem alten König war recht bange wegen seines dritten Neffen, selbst die Prinzenmutter, seine erlauchte Schwägerin, warf sich ihm zu Füßen und bat, ihrem ältesten Sohne die Probe zu erlassen, und sollte er damit auch alle Ansprüche auf den Thron verwirken. War es gekränkte Mutterliebe, die es nicht mit ansehen wollte, daß gerade das am wenigsten geliebte Kind etwa erreichen könnte, was den beiden anderen Heißgeliebten versagt war? Oder war es wirklich besorgte Mutterliebe, die den letzten der Söhne nicht auf ein so gefährliches Spiel setzen wollte? Wer weiß es zu sagen? Vielleicht war es beides zugleich.

      Aber Monosogoporibius I. sagte sich, daß nach seinem Ableben doch dieser dritte Neffe sein nächster Erbe sein würde und eben darum sollte auch er seine Probe ablegen, entweder er beruhigte ihn dadurch über die Zukunft seiner ohnehin schwer geprüften Unterthanen oder er verfehlte gleichfalls seine erhabene Aufgabe, dann sollte es die letzte Sorge des greisen Königs sein, einen würdigen Herrscher für das Reich aufzufinden.

      Und so sah denn das Land mit banger Erwartung und mit wenig Hoffnung den letzten Prinzen aus seinem Fürstenhause den gleichen Weg dahinziehen, den vor ihm seine Brüder zurückgelegt hatten.

      Als nun die traurige Oede wieder erreicht war und der Prinz der Hütte des weisen Einsiedlers ansichtig wurde, da erfüllte Wehmut sein Herz, denn er gedachte seiner Brüder, und ganz leise pochte er an.

      Der Einsiedler erschien wie jedesmal allsogleich unter der Thüre und lud den Prinzen ein, Rast zu halten.

      Dieser folgte der Einladung, ließ für sein Gefolge Zelte aufschlagen und befahl demselben, sich unterdes zu lagern.

      Als nun der Prinz mit dem Einsiedler in dessen Hütte allein war, sagte er demselben, daß auch er gekommen wäre, die bewußte Höhle zu betreten, und als der Alte darauf, wie gewöhnlich, fragte: »Ohne alle Vorbereitung? Soll ich dir nicht ein oder das andere Sprüchlein mit auf den Weg geben?« Da sagte der Prinz: »Sei Gott vor, daß ich deine hilfreiche Hand von mir weise! Ich weiß nicht, worin es meine Brüder verfehlt haben, aber ich bin es dem Lande schuldig, das durch sie so schwer gelitten hat, nichts zu verabsäumen, was mich etwa in den Stand setzen könnte, demselben zu nützen.«

      Darauf meinte der Einsiedler: »Ich weiß dir aber nicht zu sagen, wie lange Zeit du damit wirst verbringen müssen, um dann ohne Fahrnis die Höhle betreten zu können.«

      »Weiser Vater,« entgegnete der Prinz, »wie kann mich das abschrecken, da ich doch bereit bin, die eine Hälfte der Tage, die ich noch zu leben habe, dahinzugehen, wüßte ich dafür die andere Zeit über mein Volk glücklich und zufrieden zu machen!«

      Da lächelte der Einsiedler gutmütig: »Mein Sohn, ich sehe, es ist schon an der Zeit, dich in die ›Höhle der Phrasen‹ einzulassen!« Dann aber begann er ernstlich sich mit ihm zu besprechen und ihn in allem, was erforderlich war, zu unterweisen.

      Zum nicht geringen Verdrusse der Herren des Gefolges, welche in dieser Wildnis alle gewohnten Annehmlichkeiten entbehren mußten, verbrachte der Prinz drei lange Tage mit seinem Lehrmeister; am Morgen des vierten Tages öffnete ihm dieser die eiserne Pforte und der Prinz trat in die Höhle.

      Hinter sich hörte er wieder sorgsam schließen.

      Es ist ein alter Erfahrungssatz, von dessen Richtigkeit nunmehr auch der Prinz Gelegenheit hatte, sich zu überzeugen, – daß man im Dunkeln nichts sieht.

      Da stand er nun.

      Muß das Auge wegen Mangel an Licht feiern, dann eilen alle anderen Sinne dem geängstigten Körper zu Hilfe und schärfen sich zu dessen Dienst, besonders Gehör und Gefühl. Der Prinz vernahm deutlich, wie rings von den Wänden der Höhle mit gleichmäßigem Geräusche schwere Tropfen niederschlugen, das war so eintönig und wirkte so verstimmend, daß er mit Ungeduld die weitere Entwicklung seines Abenteuers herbeisehnte.

      Jetzt fühlte er an einer leisen Luftwelle, daß es rings in der Höhle sich zu regen und zu bewegen begann, wie ein Geflüster wehte es durch den Raum; aber wieder wurde es ganz stille und war nichts zu hören als die fallenden Tropfen.

      Sein Auge, nun an die Dunkelheit gewöhnt, versuchte ganz umsonst, auch nur von den nächstliegenden Gegenständen einen ungefähren Umriß zu erraten. Er erschrak fast, als eine volltönende Stimme unmittelbar an seiner Seite

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