Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr. Anzengruber Ludwig

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Kalendergeschichten: Naturgeschichten & Sagen für das ganze Jahr - Anzengruber Ludwig

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oder fremden Thaten schmücken, ein Mensch muß den andern dahinreißen in das Ungemeine! Was ist das Gewaltigste, das du als Mensch vermagst? Ein Held zu sein! Furcht und Verehrung zu erwecken unter denen, die mit dir über die Erde wallen, und deinen Namen den künftigen Geschlechtern zu überliefern! Es ist der einzige Wurf, der im Gelingen wie im Fehlschlagen dir den gleichen Lorbeer bringt! Nicht nur im Siege bist du groß, auch im Untergange, wenn du im erhabenen, heroischen Wahnsinne Reich und Volk neben dich auf die Walstatt bettest! Millionen gewaltiger Geister danken dir für den hochgehenden Wellenschlag ihres Lebens, die dumpfe Menge betet dich an, weil du sie, ein Gott, der Armseligkeit ihres Daseins entrissen hast! Du lehrtest sie, das Leben für das Leben freudig einsetzen, du bietest ihnen, an deines Namens Hoheit geknüpft, ein unsterblich Sein in den Sängen der Dichter, in den Liedern des Volkes! Sie schulden dir die ganze Summe ihres Daseins, darum darfst du sie auch von ihnen fordern! Das ist der Helden heilig Vorrecht!«

      Da sprach der Prinz leise:

      »Bleib dir getreu nur,

       Laß dich nicht irren,

       Was auch die Tiere

       Brüllen und girren!«

      Da leuchtete ein fahler Schein auf, und dem Prinzen wurde die Gestalt sichtbar, welche obige Worte an ihn gerichtet hatte, es war ein Tiger.

      Da sprach der Prinz sofort:

      »Haß ist stets ein traurig' Erbe,

       Oft der Sieg ein ungerechter,

       Krieg sei nimmer ein Gewerbe,

       Und der Held, er sei kein Schlächter!«

      Da brüllte der Tiger auf und verschwand, und nachdem das Echo in der Höhle verhallt war, begannen wieder die Wasser eintönig von den Wänden zu tropfen.

      Nach einer Weile hörte sich der Prinz wieder, diesmal aber von einer sanften Stimme angesprochen:

      »Gott ist unser aller Vater! Auf Erden gibt es nur eine große einzige Gottesfamilie, selbst für die entarteten Söhne stehen die Wohnungen im Hause des Vaters bereit, aber – wehe – sie streifen lieber in der Irre umher und versuchen auch die anderen Gotteskinder irrezuführen. Sie suchen sie durch Hohn und Spott, durch List und Vergewaltigung abwendig zu machen von ihrem frommen Glauben, von ihrer einfältigen Sitte! Zeugt es nicht für die Wahrheit ihres Glaubens, ihrer Hoffnung, ihrer Liebe, daß die Millionen frommer Gemüter friedfertig dem Spotte von etlichen Tausenden Irregeleiteten standhalten? Gibt es etwas Erhabeneres für einen Gewaltigen, als die Schwachen zu schützen? O, werde ein Streiter für deren heilige Sache! Steht nicht geschrieben, denen, durch welche Aergernis kommt, wäre besser, mit einem Mühlsteine um den Hals zum Grunde des Meeres versenkt zu werden? Willst du Erbarmen kennen, wo das Erbarmen allein bei Gott steht? O, lasse nicht Millionen in ihrem heiligen Glauben irre, in ihrer beseligenden Hoffnung wankend machen, laß ihnen nicht ihren einzigen Trost in dieser Welt des Jammers und der Trübsal rauben, damit die Schwachen, in denen Gott mächtig ist, dir deinen Thron stützen, deinen Namen für alle Zeit lobpreisen und du selbst dereinst eingehest in Gottes Reich und Herrlichkeit! Amen!«

      Da sagte der Prinz wieder leise das erste Sprüchlein, und im fahl aufzuckenden Lichte stand ein Lamm an seiner Seite, und da sprach er:

      »Auch beim Spott der schärfsten Denker

       Halt sich echter Glaube rein,

       Und auf Erden kann der Henker

       Nimmer Gottes Anwalt sein!«

      Da blökte das Lamm gar kläglich und verschwand, und wieder ward es stille wie zuvor.

      Nach einer Weile begannen zwei Stimmen neben ihm zu sprechen, eine scharfe, schneidige führte das Wort und die andere zischte manchmal eine Bemerkung dazwischen.

      »Klug gehandelt!« sagte die erste Stimme. »Es ist viel ehrender, dem eigenen Kopfe alles zu verdanken, als fremden Fäusten! Fehlten diese, was würde wohl aus manchen Größen? Ich frage!« –

      »Staub sollten sie fressen und doch nicht klug werden bei dieser Kost,« zischte lachend die andere Stimme.

      »Genug Bausteine für unvergängliche Größe,« fuhr die erste Stimme fort, »findet der kluge Kopf an den schwachen Köpfen seiner Mitlebenden. Reizt dich ein Besitz, locke oder schrecke den Eigner heraus. Steht dir jemand im Wege, lehre ihn selber die Schlinge drehen, in der er sich fangen muß. Wer dir droht, den schmeichle ins Verderben. Wer dir schmeichelt, dem mißtraue. Krumme Wege, aber sicher.«

      »Krumme Wege, kluge Wege,« zischte die andere Stimme.

      »So wird dein Besitz sich mehren, deine Feinde sich mindern, dein Wort mehr als ein Schwertstreich wiegen, du wirst gefürchtet und bewundert sein. Allüberall in der Natur erweiset sich das Klügere dem Stärkeren überlegen und mit urew'gem Rechte gebrauchest du des Geistes Uebermacht! Von dir abhängig fühlen sich die Beschränkten und als dem Klügeren handlangern die Klugen dir, denn ohne dich steht doch nichts zu erreichen, und du wirst aller Zweck und Mittel, indem du als aller Mittel Zweck dich selber setzest!«

      Da sprach der Prinz leise den ersten Spruch und sah im Aufleuchten des fahlen Scheines Fuchs und Schlange neben sich. Er sprach sofort:

      »Wohl hat List auf krummen Wegen

       Manchen nach dem Ziel gewiesen.

       Aber seines Namens Segen

       Wird von Sklaven nur gepriesen!«

      Da verschwanden auch Fuchs und Schlange und kurz darauf, als hätte sie es nicht abwarten können, daß sie zu Worte komme, begann eine geschraubte, näselnde Stimme:

      »Eh, langweiliges Volk da, miteinander! Was? He? – Floskeln, Phrasen, Worte, Flausen – weiter nichts! Was? He? – Bin froh, nur einmal einzig vernünftiges Wort aussprechen zu können, heißt: Genuß! Genuß, was? He? Nicht? – Wozu sonst auf der Welt, als wegen Genießen? Was sonst Zweck und Verstand im ganzen Universum, als Genießen? Was sonst göttliches, natürliches, politisches, eh, soziales Recht, als Genießen?! Alles andere Unsinn! Was? He? Leben sonst gar nicht der Mühe wert. Staat schafft Industrie, Natur schafft Kunst, beide: Komfort! Wozu sonst feuriger Wein gewachsen, wenn nicht sollte getrunken werden? Wozu sonst hübsche Frauen und Mädchen ...«

      Lachend unterbrach der Prinz den Redner mit dem ersten Sprüchlein, und neben ihm stand ein Affe.

      Der Prinz griff in die Tasche und gab ihm einen Apfel. »Da genieße!«

      Der Affe dankte sehr artig und verschwand.

      Wieder ward es stille, aber ganz stille, selbst das Geriesel der Tropfen hatte aufgehört, da schritt es durch das Dunkel auf den Prinzen zu, er fühlte seine Rechte von einer warmen Menschenhand ergriffen und er vernahm folgende Worte:

      »An allem erfreu

       Die offenen Sinnen,

       Und bleib dir getreu

       Bei jedem Beginnen!«

      Der Prinz hielt die Hand des Sprechers, die sich sanft aus der seinen lösen wollte, fest, denn die Stimme klang ihm gar bekannt, und er wollte eben eine Frage stellen, als sich von der eisernen Pforte her ein ungeheurer Lärm erhob und dieselbe, von wuchtigen Axtschlägen zertrümmert, einbrach, durch die entstandene Lücke drangen gleich hinter dem zuströmenden Tageslichte die Herren vom

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