Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles страница 52
2. Arten der Verbindung zwischen den Menschen
b) Unterschiede in den Befreundungsverhältnissen
a) Gründe der Befreundung
Die Frage kann leicht zum Austrag gebracht werden, wenn man sich nur erst über das klar geworden ist, was für Menschen Gegenstand der Liebe zu werden vermag. Man darf doch wohl sagen, daß nicht jegliches sich Liebe gewinnt, sondern nur das, was dazu geeignet ist, und dazu wird erfordert, daß es gut, angenehm oder nützlich sei. Nun kann man nützlich nennen, woraus uns ein Gutes oder eine angenehme Empfindung zufließt; demnach wäre in letzter Instanz Gegenstand der Zuneigung das Gute und das Angenehme.
Gilt nun die Liebe der Menschen dem was gut ist, oder gilt sie dem, was für sie gut ist? Dies beides fällt doch bisweilen auseinander. Und ebenso steht es mit dem Angenehmen. Es scheint doch, daß jeder liebt, was ihm gut ist, und danach wäre Gegenstand der Liebe schlechthin das Gute, für den einzelnen aber das, was für ihn gut ist. Nun liebt aber der einzelne nicht, was für ihn gut ist, sondern was ihm das für ihn Gute zu sein scheint. Indessen, darauf kommt es hier nicht an; es bestimmt sich nur danach der Gegenstand der Liebe als das was gut zu sein scheint. Während nun die drei Gründe der Zuneigung auch leblosen Dingen gegenüber gelten, so gebraucht man den Ausdruck Liebe doch nicht von der Neigung zu diesen. Denn hier gibt es keine Erwiderung der Neigung; hier hat auch der Wille, dem Gegenstande Gutes zu erweisen, keinen Platz. Es wäre doch eine lächerliche Vorstellung, dem Weine etwas Gutes antun zu wollen; höchstens will man ihn doch nur aufbewahren, um ihn zur Verfügung zu haben. Dagegen heißt es, daß man dem, dem man freundlich gesinnt ist, alles Gute wünschen muß um seiner selbst willen. Diejenigen, die in dieser Weise anderen Gutes wünschen, nennt man wohlwollend, wenn ihnen von jenen nicht das gleiche zuteil wird; denn ist das Wohlwollen gegenseitig, so nimmt es den Namen der Freundschaft an. Oder muß man noch das weitere hinzufügen, daß die Gesinnung des anderen auch den beiden nicht unbekannt bleiben darf? Denn es kommt vor, daß man Wohlwollen für solche hegt, die man nie gesehen hat, die man aber für ehrenhafte oder für wertvolle Persönlichkeiten hält, und es kann auch das vorkommen, daß einer von diesen ganz dieselbe Gesinnung jenem gegenüber hegt, so daß augenscheinlich zwischen ihnen gegenseitiges Wohlwollen herrscht. Gleichwohl dürfte man diejenigen als befreundet bezeichnen, die von diesem ihrem gegenseitigen Verhältnis doch nichts wissen? Wenn es also doch erforderlich ist, daß sie einander aus einem der oben angegebenen Gründe wohlgesinnt seien und sich alles Gute wünschen, so gehört dazu auch dies, daß ihnen diese gegenseitige Gesinnung nicht verborgen bleibe.
b) Unterschiede in den Befreundungsverhältnissen
Wie nun die Gründe der Zuneigung der Art nach verschieden sind, so sind es infolgedessen die Zuneigung und die Freundschaft selbst. Es gibt demnach drei Arten der Befreundung, ebenso viele wie Arten ihrer Gründe. Für jede dieser Arten gilt es, daß eine Erwiderung stattfindet, die nicht verborgen bleibt, und daß diejenigen, die einander befreundet sind, einander alles Gute wünschen, und zwar Gutes in dem Sinne der Gründe, die die Befreundung bewirken. Diejenigen, bei denen die freundschaftliche Verbindung durch den Vorteil gestiftet ist, hegen solche freundliche Gesinnung nicht um der Persönlichkeit willen, sondern um des Guten willen, das ihnen wechselseitig vom anderen zufließt. Das gleiche gilt von denen, deren Zuneigung in dem Streben nach Annehmlichkeit wurzelt. So liebt man die guten Gesellschafter nicht um ihrer Persönlichkeit willen, sondern wegen des Vergnügens, das sie bereiten. Diejenigen, deren Zuneigung ihren Grund im Vorteil findet, lieben den anderen um des eigenen Vorteils willen, und diejenigen, bei denen sie auf der Aussicht auf Annehmlichkeit beruht, lieben ihn um ihres Vergnügens willen, also nicht weil der, dem sie ihre Neigung zuwenden, diese Person ist, sondern sofern er Vorteil oder Vergnügen gewährt. Solche Zuneigung also gründet sich auf Nebenrücksichten. Nicht deswegen, weil er ist der er ist, wird derjenige dem man seine Neigung zuwendet zum Gegenstande der Neigung, sondern weil er in einem Falle Vorteil, im anderen Falle Vergnügen bereitet.
Solche Verhältnisse sind denn auch leicht lösbar, wenn die Menschen nicht die gleichen bleiben. Bereiten sie kein Vergnügen oder keinen Vorteil mehr, so erlischt die Zuneigung zu ihnen. Vorteil aber erhält sich nicht dauernd, sondern ist zu verschiedenen Zeiten verschieden. Schwindet nun der Grund, aus dem man befreundet war, so schwindet auch die freundschaftliche Gesinnung, weil sie durch jenen bedingt war. Solche Freundschaftsverhältnisse kommen am meisten bei Leuten im höheren Lebensalter vor, / denn diese sind nicht auf das Vergnügen, sondern auf den Vorteil gerichtet, / unter den Leuten in den besten Jahren aber und unter den Jünglingen findet man sie, wo die Rücksicht auf das Nützliche vorwaltet. In solchen Verhältnissen pflegen denn auch die Leute keine Lebensgemeinschaft miteinander; in vielen Fällen ist ihnen der Umgang nicht einmal angenehm; sie empfinden also auch kein Bedürfnis nach solchem Umgang, außer sofern jene sich hilfreich erweisen. Denn nur soweit sind sie willkommen, als sie die Aussicht auf einen Vorteil gewähren. Auf gleiche Linie stellt man dann auch das gastfreundliche Verhältnis zu Auswärtigen.
Dagegen beruht bei jungen Leuten die Zuneigung auf dem Triebe zu dem was ihnen Vergnügen bereitet. Denn die Jugend lebt ihren Gefühlen nach und hat am meisten im Auge was vergnüglich ist und was der Augenblick bietet. Nimmt die Zahl der Jahre zu, so andern sich auch die Dinge, an denen man Vergnügen findet. Deshalb wird in der Jugend Freundschaft schnell geschlossen und auch schnell wieder gelöst; denn die Freundschaft schwindet wie die Freude, und die Veränderung in dem was Freude macht geht schnell vonstatten. Junge Leute sind ferner zu sinnlicher Liebe geneigt; sinnliche Liebe aber ist meistenteils leidenschaftlicher Art, und ihr Streben geht auf Lust. So verliebt man sich denn schnell und hört auch schnell wieder auf, zuweilen so, daß man noch an demselben Tage in seiner Liebe wechselt. Verliebte aber möchten mit dem Gegenstand ihrer Neigung am liebsten den ganzen Tag zusammen sein und gemeinsam leben; denn das ist der besondere Charakter, den bei ihnen das Verhältnis der Zuneigung annimmt.
Die vollkommenste Zuneigung aber ist die, die Menschen von edler Art und gleicher sittlicher Gesinnung verbindet. Diese wünschen einander als Menschen von edler Gesinnung gleichmäßig alles Gute, und von edler Gesinnung zu sein macht ihr Wesen aus. Das aber bezeichnet die innigste Freundschaft, den Freunden alles Gute zu wünschen rein um ihrer selbst willen; denn da gilt die Zuneigung der Persönlichkeit selbst abgesehen von Nebenrücksichten. Zwischen ihnen bleibt darum die Freundschaft