Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles

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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles

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Grund des Irrtums aufzuzeigen. Denn das trägt dazu bei, Überzeugung zu bewirken. Wenn es verständlich gemacht wird, auf welchem Wege das was nicht wahr ist den Schein der Wahrheit erlangt, so erreicht man dadurch eher die Überzeugung von der Wahrheit. Wir müssen deshalb die Gründe angeben, weswegen die sinnlichen Lustgefühle sich als die begehrenswerteren darstellen.

      Der erste Grund ist der, daß sie die Unlust austreiben. Wird man von Unlust im Übermaß heimgesucht, so sucht man Lustgefühle im Übermaß und sinnliche Lust überhaupt, weil man in ihr ein Heilmittel findet. Heilmittel nun müssen kräftig sein, und deshalb begehrt man sie, weil sie ihrem Gegenteil das Gleichgewicht zu halten scheinen. Dies sind die beiden Gründe, weshalb die Lust wie bemerkt als etwas nicht Edles erscheint, erstens weil manche Lustempfindungen Auswirkungen einer niedrig gearteten Natur sind, seien sie nun angeboren, wie bei den Tieren, oder angenommen, wie bei niedrig gesinnten Menschen; zweitens weil andere als Heilmittel dienen, also auf einen Mangel hindeuten, und weil in rechter Verfassung sich befinden besser ist als in die rechte Verfassung erst gelangen; ferner weil manche Lustempfindungen sich einstellen, indem wir zu einem befriedigenden Zustand zurückkehren, also wertvoll nur sind unter besonderen Umständen. Es sind ferner Menschen, die sich an anderen Arten der Lustempfindung nicht zu erfreuen vermögen, die ihnen nachjagen, weil sie besonders intensiv sind. So gibt es Menschen, die sich ausdrücklich ein Gefühl von Durst nach Genüssen zu verschaffen suchen. Ist solches Gefühl unschädlich, so ist dabei nichts Tadelnswertes; aber verwerflich ist es, wenn es schädlich wirkt. Solche Leute kennen nichts anderes, was ihnen Freude macht, und den meisten ist dem Gesetz der Natur gemäß ein solcher Zustand schmerzlich, wo sie weder Lust noch Unlust empfinden. Denn was lebt ist immer in Arbeit; behaupten doch die Biologen, daß schon das bloße Sehen und Hören Mühe bereitet, nur daß wir wie sie meinen daran gewöhnt sind. Ähnlich geht es in der Jugend zu, wo der Mensch infolge des Wachstums wie im Rausche sich befindet, und jung zu sein ist an sich schon eine Quelle der Freude. Dagegen bedürfen heftige Naturen beständig eines Heilmittels. Ihr Leib ist infolge ihres Temperaments unausgesetzt im Zustande der Reizung und beständig in übergroßer Erregung. Ein Lustgefühl nun verdrängt den Schmerz, ein dem Schmerz entgegengesetzes, aber auch jedes andere, wenn es nur stark genug ist; infolgedessen greifen die Menschen zu Ausschweifungen und nehmen ein niedriges Wesen an.

      Lustgefühle ohne vorangegangenen Schmerz lassen ein Übermaß nicht zu; sie gehören zu dem, was von Natur und nicht bloß unter besonderen Bedingungen Lust bereitet. Unter dem was nur unter besonderen Bedingungen Lust bereitet verstehe ich das was als Heilmittel gegen die Unlust dient. Dergleichen gilt als Quelle von Lust, weil dadurch unter Mitwirkung dessen was am Organismus gesund geblieben ist die Heilung eintritt. Von Natur eine Quelle der Lust ist dagegen, was eine Tätigkeit einer solchen gesunden Naturanlage hervorruft.

      Es ist aber nicht immer eins und dasselbe, was uns Freude bereitet; denn unsere Natur ist nicht einfach, und es ist noch ein zweites in uns vorhanden, was der Grund unserer Vergänglichkeit ist. Ist also das eine Element in uns tätig, so läuft es wider die Richtung des anderen Elements; sind sie aber beide im Gleichgewicht, so gewährt das Ergebnis weder Lust noch Unlust. Wäre dagegen die Natur eines Wesens einfach, so würde diesem eine und dieselbe Betätigung ewig die seligste sein. Darum besteht Gottes Seligkeit ewig in einer einzigen und einfachen Freude. Denn es gibt eine Betätigung nicht nur in der Bewegung, sondern auch in der Freiheit von Bewegung, und die Seligkeit liegt mehr in der Ruhe als in der Bewegung. Veränderung sagt der Dichter erfreut mehr als alles; das beruht auf einem Fehler in unserer Anlage. Wie ein schlechter Mensch die Veränderung liebt, so liebt sie auch die Naturanlage, die der Veränderung bedarf; denn sie ist nicht einfach und auch nicht, wie sie sein soll. / Wir schließen damit unsere Ausführungen über Selbstbeherrschung und Mangel derselben, über Lust und Unlust. Was jedes derselben ist, in welchem Sinne das eine darunter ein Gutes, das andere ein Schlechtes ist, haben wir dargelegt. Im folgenden bleibt uns noch über die Gemeinschaften der Menschen zu handeln.

      III. Teil. Die menschlichen Gemeinschaften

       Inhaltsverzeichnis

      1. Die Bestimmung des Menschen zur Gemeinschaft

       Inhaltsverzeichnis

      An das bisher Ausgeführte wird sich passend die Betrachtung der menschlichen Gemeinschaften anschließen. Das Band, das die Menschen verbindet ist selber etwas Sittliches oder es erscheint doch im Gefolge der Sittlichkeit, und überdies gehört es zu den schlechthin unentbehrlichen Bedingungen des menschlichen Lebens. Niemand möchte sich, auch wenn er alle übrigen Güter sein nennte, zu leben wünschen ohne die liebevolle Teilnahme anderer. Ja, man darf sagen, daß gerade für diejenigen, die Reichtum, Herrschaft und Macht besitzen, das Bedürfnis solcher liebevollen Beziehungen zu anderen sich am dringlichsten erweist. Denn was hätten sie von ihrem ganzen Glückszustande, wenn sie nicht vermittels desselben die Möglichkeit hätten, anderen Freude zu bereiten? Dies aber ist solchen gegenüber, zu denen man in freundschaftlichen Beziehungen steht, am meisten am Platze und am verdienstlichsten. Oder wie ließe sich das Glück bewahren und aufrecht erhalten ohne die wohlwollende Gesinnung anderer? Ist es doch, je größer es ist, auch desto mehr gefährdet. In Armut und sonstigem Mißgeschick aber hält man sich an die Freunde als an die einzige Zuflucht. Jungen Leuten erwächst aus der Freundschaft Bewahrung vor Verfehlungen, älteren Leuten Hilfe und Pflege und Ersatz für das, was sie aus Mangel an Kräften selbst nicht mehr zu leisten vermögen, den auf des Lebens Höhe Stehenden Förderung bei jedem edlen Vornehmen. »Zwei auf dem Marsche vereint«, [heißt's bei Homer]; dadurch wird das Vermögen zu Rat und Tat gesteigert.

      Sympathische Zuneigung findet man als natürliche Empfindung bei dem Erzeuger dem Erzeugten, wie bei dem Erzeugten dem Erzeuger gegenüber, und das nicht bloß bei Menschen, sondern auch bei Tieren, wie bei den Vögeln und der Mehrzahl der Säugetiere; man begegnet ihr bei Wesen, die gleicher Abstammung sind, und so am meisten bei den Menschen. Darum gilt es als ein Lob, für die Menschen Sympathie zu hegen. Wo einer in der Fremde weilt, da kann man recht erkennen, wie jeder schon als Mensch dem Menschen nahe steht und ihm empfohlen ist. Das Band welches die Sympathie stiftet, hält augenscheinlich auch die staatliche Gemeinschaft im Gange, und die Gesetzgeber legen auf dasselbe größeren Wert als selbst auf die Gerechtigkeit. Denn die Eintracht, die zu erhalten ihr dringendstes Anliegen ist, steht zu den Gefühlen der Sympathie in enger Verwandtschaft, und die Zwietracht, die auf Gefühlen der Abneigung beruht, suchen sie so weit wie möglich fern zu halten. Wo das Gefühl des Wohlwollens herrscht, da braucht man nicht die Gerechtigkeit anzurufen; dagegen wo der Sinn für das Recht vorhanden ist, da bedarf es immer noch der wohlwollenden Gesinnung, und die Gerechtigkeit im höchsten Sinne erscheint geradezu als Frucht wohlwollender Triebe. Aber nicht bloß als unentbehrliche Bedingung hat solches Wohlwollen seine Bedeutung; es ist auch sittlich wertvoll. Wir schätzen diejenigen hoch, die Liebe mit Liebe erwidern, und vielen wohlwollend gesinnt zu sein, gilt als eine der edlen Eigenschaften des Menschen. Überdies herrscht die Überzeugung, daß eben dieselben, die sonst brave Männer sind, auch einander befreundet sind.

      Es ist nun die Zahl von Fragen nicht gering, die den hier berührten Gegenstand betreffen und zu einer Verschiedenheit der Ansichten Anlaß geben. Die einen führen das Gefühl der Zuneigung auf Gleichheit des Wesens zurück und meinen, Freunde seien solche, die einander von Wesen gleichen; daher das Wort: »Gleich zu gleich«, oder »Eine Krähe zur anderen Krähe«, und was dergleichen mehr ist. Andere sagen im Gegenteil, die Menschen verhielten sich sämtlich so zueinander, wie ein Kunstgewerbler zum andern, und suchen die Erklärung dafür in allgemeineren Beziehungen, auch in Erscheinungen der äußeren Natur. So sagt Euripides: »Es liebt das Land den Regen«, das ausgedörrte nämlich, und »Es liebt der hehre Himmel, wenn er regenschwer, zur Erde sich zu senken« und Heraklit spricht vom »Widerstrebenden, das zusammenhält«; er meint, aus der Verschiedenheit ergebe sich die schönste Harmonie, und alles erzeuge sich auf

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