Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles

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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles

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die Selbstbeherrschung verlieren oder ihm nachtrachten wider das Gebot der Vernunft; er kann z.B. mehr als recht ist sich dem Streben nach Ruhm hingeben oder seine Kinder, seine Eltern im Übermaß lieben. Denn auch diese zählen zu den Gütern, und wer sich um sie angelegentlich bemüht, gewinnt sich Beifall, und dennoch gibt es ein Übermaß auch darin, wenn z. B, jemand wie Niobe sich mit den Göttern selbst in den Wettstreit einläßt, oder wenn er es macht wie Satyros, der von seiner Liebe zu seinem Vater seinen Beinamen erhielt, und die Liebe zum Vater übertreibt; denn Satyros ging doch, so meinte man, darin allzuweit bis zu wirklicher Torheit. In alledem nun kommt sicher niedrige Gesinnung nicht zur Erscheinung, und zwar aus dem angegebenen Grunde, weil jeder dieser Gegenstände an und für sich genommen und seiner Natur nach zu dem gehört was ein würdiges Ziel des Strebens bedeutet, und nur die Übertreibung als Verirrung verwerflich und zu meiden ist. Aus dem gleichen Grunde kann man hier also auch nicht von Mangel an Selbstbeherrschung sprechen. Denn solcher Mangel ist nicht nur etwas was man meiden soll: er ist geradezu verwerflich. Nur weil die Empfindungsweise eine gewisse Verwandtschaft zeigt, spricht man hier von Mangel an Selbstbeherrschung, aber mit einem Zusatz, der ausdrückt, daß es sich um ein bestimmtes einzelnes Gebiet des Verhaltens handelt. Es ist das gerade so wie man einen auch einen schlechten Arzt oder einen schlechten Schauspieler nennt, den man doch nicht ohne weiteres einen schlechten Menschen nennen würde. Wie wir nun hier den Ausdruck schlecht nicht im eigentlichen Sinne meinen, weil es sich nicht um eine schlechte Charaktereigenschaft, sondern nur um eine Ähnlichkeit des Verhältnisses handelt, so muß man offenbar auch dort annehmen, daß Mangel an Selbstbeherrschung und andererseits Willensfestigkeit in Wirklichkeit allein da zur Erscheinung kommt, wo es sich um dieselben Gegenstände handelt wie bei der Erhabenheit über die Lüste und bei der sinnlichen Zügellosigkeit, daß aber da, wo es sich bloß um eine lebhafte Aufwallung handelt, das Wort nur eine Ähnlichkeit des Verhältnisses bezeichnet. Und darum drückt man sich auch so aus, daß man hinzusetzt: Mangel an Selbstbeherrschung gegenüber der lebhaften Aufwallung wie der Ruhmsucht und Gewinnsucht.

      Es gibt also Lustempfindung, die in der Natur der empfindenden Wesen begründet ist, darunter teils solche die es schlechthin, teils solche die es nur für bestimmte Arten von Tieren und von Menschen ist. Es gibt aber auch solche, die nicht natürlich, sondern nur auf Grund von krankhafter Entartung oder von Angewöhnung oder schlimmer Naturanlage sich herausbildet. Auch in bezug auf jede dieser Erscheinungen kann man ein entsprechendes Verhalten beobachten. Ich denke dabei an solche nahezu bestialischen Neigungen, wie bei jener Megäre, die die Schwangeren aufgeschlitzt und die Kinder gefressen haben soll, oder wie bei manchen unter den verwilderten Völkerstämmen am Schwärzen Meere, die mit Vergnügen rohes Fleisch oder auch Menschenfleisch fressen, oder die sich gegenseitig die Kinder zum Schmause schenken, oder an das, was man sich von Phalaris erzählt. Dergleichen ist tierisch brutal; es kommt aber auch vor als Folgeerscheinung von Krankheiten, zuweilen auch von Wahnsinn, wie bei dem Menschen, der seine Mutter als Opfer schlachtete und aufaß, oder bei dem anderen, der die Leber seines Mitsklaven verschlang. Oder es sind krankhafte oder aus Angewöhnung stammende Ausartungen, wie wenn man sich die Haare ausrupft und an den Nägeln kaut oder Kohlen und Erde verschluckt, oder auch, wie der Geschlechtsverkehr zwischen Männern. Das sind solche Dinge, die teils aus Naturanlage, teils aus Angewöhnung abzuleiten sind, wie bei denen die schon in jungen Jahren geschlechtlich mißbraucht worden sind.

      Wo nun der Grund in der Naturanlage liegt, da wird niemand von mangelnder Selbstbeherrschung sprechen, so wenig wie man es den Weibern vorwirft, daß sie sich im geschlechtlichen Verkehr nicht aktiv sondern passiv verhalten. Es ist nicht anders zu urteilen, wo die krankhafte Haltung durch Angewöhnung entstanden ist. Daß einer solche einzelnen Züge an sich hat, liegt außerhalb des Gebietes, wo von Unsittlichkeit gesprochen wird, und ebenso auch die tierische Entartung, und wenn einer sie an sich hat, so ist seine Beherrschung derselben oder seine Unterwürfigkeit unter dieselbe nicht eine Sache bloßer Willenskraft, sondern bildet zu dieser nur eine verwandte Erscheinung, gerade so wie jemand, der lebhaften Aufwallungen gegenüber eine solche Heftigkeit der Erregung zeigt, Mangel an Selbstbeherrschung wohl in dieser Beziehung zugeschrieben werden kann, aber nicht Mangel an Selbstbeherrschung schlechthin. Denn jedes Übermaß von Gedankenlosigkeit, Feigheit, zügelloser Sinnlichkeit, verdrießlichem Wesen beruht das eine Mal auf Roheit, das andere Mal auf Krankhaftigkeit. Wer von Natur so geartet ist, daß er sich vor allem fürchtet, auch vor dem Rascheln einer Maus, dessen Feigheit ist tierischer Art, bei einem anderen der sich vor einer Katze fürchtete, war es krankhaft. Unter den Geistesschwachen sind die von Natur schwach Begabten und bloß in sinnlichen Empfindungen Lebenden tierähnlich, wie manche Stämme von Barbaren in fernen Ländern; andere sind es infolge von Krankheiten. So sind krankhaft die infolge von Epilepsie oder von Wahnsinn geistesschwach Gewordenen. Es kommt auch vor, daß einer nur zeitweise daran leidet, ohne davon ganz beherrscht zu werden; ich denke dabei z.B. an Phalaris, wenn er die Begierde ein Kind zu fressen oder wenn er widernatürlichen Geschlechtstrieb bemeisterte. Es kommt aber auch vor, daß einer völlig davon beherrscht wird, nicht bloß dergleichen an sich hat. Wie man nun diejenige Schlechtigkeit, die noch menschliche Art an sich trägt, einfach als Schlechtigkeit, die andere mit einer näheren Bestimmung als tierische oder krankhafte, nicht als Schlechtigkeit schlechthin bezeichnet, so gibt es offenbar in demselben Sinne auch einen Mangel an Selbstbeherrschung, der tierisch, und einen der krankhaft ist; ein solcher Mangel schlechthin ist aber allein derjenige, der der zügellosen Sinnlichkeit wie sie bei Menschen vorkommt entspricht.

      Es wird dadurch so viel klar geworden sein, daß Selbstbeherrschung und das Fehlen derselben nur da vorkommt, wo es sich um eben den Inhalt handelt, auf den sich die Erhabenheit über die Begierden und die zügellose Genußsucht bezieht, und daß das Fehlen der Selbstbeherrschung da wo es sich um anderes handelt, eine ganz andere Art bildet, so daß dann das Wort nur in übertragenem Sinne und nicht eigentlich gebraucht wird.

      b) Leidenschaft und Lust

       Inhaltsverzeichnis

      Daß ferner der Mangel an Selbstbeherrschung da weniger verwerflich ist, wo es sich um leidenschaftliche Aufwallung, als wo es sich um sinnliche Lüste handelt, das wollen wir jetzt zeigen. Man darf sagen: leidenschaftliche Aufwallung vernimmt wohl die Stimme der Vernunft, vernimmt sie aber nicht recht, gleichwie ein voreiliger Diener, der, bevor er noch den Auftrag recht vernommen hat, forteilt und dann den Auftrag falsch ausführt, oder gleichwie ein Hund, der anschlägt, sobald er ein Geräusch hört, bevor er noch zusieht, ob es auch nicht ein Freund ist. So stürmt die leidenschaftliche Aufwallung, von natürlicher Hitze und Raschheit getrieben, zur Vergeltung, nachdem sie zwar gehört hat, aber nicht das Befohlene gehört hat. Verstand oder subjektiver Eindruck hat einem kundgetan, daß ihm eine Verletzung oder Beleidigung widerfahren ist; er aber zieht nun gleichsam den Schluß, daß man dergleichen entgegentreten muß, und sogleich schreitet er zur Abwehr. Das Gelüsten andererseits stürmt fort zum Genuß, sobald nur Überlegung oder Empfindung lehrt, daß der Gegenstand Lust verheißt. Leidenschaftliche Aufwallung also folgt irgendwie der Überlegung, das Gelüsten nicht: darum ist dieses verwerflicher. Wer den Zorn nicht bemeistern kann, wird irgendwie von Überlegung beherrscht, der andere von seinem Begehren und nicht von seiner Überlegung.

      Zweitens ist es eher verzeihlich, wenn einer den natürlichen Regungen nachgibt, oder auch wenn einer von solchen Begierden getrieben wird, die allen Menschen gemeinsam und sofern sie gemeinsam sind. Nun liegt Heftigkeit und Unwille mehr in der menschlichen Natur als die Lüste, die sich auf ein Übermaß und auf das richten was nicht zur Notdurft gehört. So sagte jener Mensch, um sich zu entschuldigen, daß er seinen Vater schlage: Er hat seinen Vater auch geschlagen und dieser den seinigen; und auf seinen kleinen Sohn weisend: Dieser wird wieder mich schlagen, wenn er ein Mann geworden ist; das ist einmal so in unserem Hause. Ein anderer mahnte seinen Sohn, als dieser ihn fortschleifte, er solle ihn nicht weiter als bis zur Tür schleifen; denn er selber habe seinen Vater auch nur so weit geschleift.

      Drittens wächst die Größe des Unrechts mit dem Grade der Hinterhältigkeit. Wen nun leidenschaftliche Aufwallung treibt, der verfährt nicht hinterhältig,

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