Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
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Da aber der Untersatz im Schlusse eine Meinung über einen Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung bedeutet und diese das Handeln bestimmt, so hat ihn wer in der Gefühlserregung befangen ist entweder gar nicht, oder er hat ihn in der Weise, daß solches Haben wie wir oben sagten nicht ein Wissen bedeutet, sondern ein bloßes Reden gleich dem eines Trunkenen, der Aussprüche von Empedokles hersagt. Und da der Untersatz nicht allgemein ist, noch wie das Allgemeine den Charakter begrifflicher Erkenntnis an sich trägt, so macht es den Eindruck, als ob die Frage die Sokrates aufwarf, wirklich darin ihren guten Grund habe. Denn die Gefühlserregung erwacht nicht, solange dasjenige was im eigentlichen Sinne als Erkenntnis gilt in der Innerlichkeit gegenwärtig ist, und also ist es auch nicht diese Erkenntnis, die durch die Gefühlserregung mit fortgerissen wird; sondern die Erregung entsteht, wenn die Erkenntnis eine nur sinnliche ist.
Das Ausgeführte mag genügen, um die Frage zu entscheiden, ob das Handeln dessen der seiner Begierde unterliegt, möglicherweise ein wissentliches sein kann oder nicht, und wenn ja, in welchem Sinne es das sein kann.
3. Der Wille im Verhältnis zu Affekten und Begierden
d) Böser Wille und schwacher Wille
e) Wahre und falsche Willensstärke
a) Arten von Lust und Unlust
Damit hängt die Frage zusammen, ob es einen schlechthin seines Willens nicht mächtigen Menschen gibt, oder ob alle es nur in besonderer Beziehung sind, und wenn letzteres, in welcher Beziehung sie es sind.
Ausgemacht ist, daß es die Lust und die Unlust ist, der gegenüber man sich enthaltsam oder willensstark und andererseits unenthaltsam und willensschwach zeigt. Von dem nun was Lust bereitet ist das eine notwendig, das andere an und für sich begehrenswert, aber so daß es ein Übermaß zuläßt. Notwendig ist was der Leib fordert; dahin gehört derartiges, wie das was die Ernährung und den geschlechtlichen Trieb angeht, und ferner solche leiblichen Genüsse, in bezug auf welche wir von Zügellosigkeit und von Erhabensein über dieselben gesprochen haben. Unter dem was nicht notwendig, aber doch an und für sich begehrenswert ist, verstehe ich solches wie Sieg, Ruhm, Reichtum und anderes Ähnliche, was wertvoll ist und Freude macht. Von denen nun, die sich auf dergleichen wider die rechte Vernunft, die ihnen doch innewohnt, im Obermaß richten, sagen wir nicht schlechthin, daß sie ihrer Begierden nicht mächtig seien, sondern mit dem Zusatz: sie seien ihrer Geld-, Gewinn-, Ruhmsucht oder ihrer Aufwallung nicht mächtig. Wir gebrauchen die Bezeichnung also nicht schlechthin, weil wir meinen, sie seien doch eigentlich anders geartet und würden nur nach Analogie so benannt, etwa so, wie man einen Mann namens »Mensch« näher als »den Mensch der in Olympia gesiegt hat« bezeichnet. Hier war der Unterschied zwischen der allgemeinen Bezeichnung »Mensch« und dem Namen für das Individuum gering, und gleichwohl war er vorhanden. So ersieht man dort den Unterschied daraus: die Genußsucht unterliegt dem Tadel nicht bloß als eine Verirrung, sondern geradezu als ein unsittliches Verhalten, entweder schlechthin oder in besonderer Beziehung; das aber gilt von keiner der oben bezeichneten Eigenschaften.
Was das Verhältnis zu den leiblichen Genüssen anbetrifft, auf Grund dessen wir von einem darüber Erhaben- und einem ihnen zügellos Ergebensein sprechen, so heißt der, der nicht mit ausdrücklichem Vorsatz, vielmehr seinem Vorsatz und seiner Denkweise zuwider, dem Genuß im Übermaß nachjagt und der Unlust im Übermaß widerstrebt, etwa bei Hunger, Durst, Hitze, Frost und allen Affektionen des Tastsinns und des Geschmackssinnes: ein solcher also heißt willensschwach, und heißt so nicht mit einem besonderen Zusatz, in bestimmter Beziehung, wie in Beziehung etwa auf den Zorn, sondern ohne weiteres. Ein Zeichen, daß es sich dabei um eine bloße Analogie handelt, ist dies: auf Grund dieses letzteren Verhaltens wird einer willensschwach genannt, aber nicht mit Bezug auf irgendeine von den oben genannten Verhaltungsweisen. Das ist denn auch der Grund, weshalb man den Genußsüchtigen mit dem zügellos Ausschweifenden unter den gleichen Gesichtspunkt stellt und ebenso andererseits den der seiner mächtig ist und den der über die Begierden erhaben ist, aber keinen von denen, deren Begehren auf die vorher bezeichneten Dinge gerichtet ist, weil es sich bei den vorher genannten Klassen von Menschen im Grunde um dieselben Arten der Lust und Unlust handelt, nur daß, wenn auch die Gegenstände dieselben sind, doch die Art und Weise ihres Verhaltens zu den Gegenständen nicht dieselbe ist. Bei den einen ist das Verhalten ein grundsätzlich gewelltes, bei den andern nicht. Man wird also demjenigen einen höheren Grad zügelloser Gesinnung zuschreiben dürfen, der ohne von Begierden oder doch ohne von heftigen Begierden dazu getrieben zu werden, den Lüsten im Übermaß nachtrachtet und Unlust, auch mäßige, meidet, als denjenigen der es auf Grund allzu heftiger Triebe tut. Denn wie würde jener sich erst benehmen, wenn ihn jugendliche Leidenschaft ergriffe oder heftiger Schmerz über die Entbehrung des Unentbehrlichen ihn fortrisse!
Nach unserer obigen Einteilung gibt es nun auch solche Begierden und solche Genüsse, die unter der Gattung des Edlen und Wertvollen einzureihen sind. Denn das was Lust bereitet ist zum Teil auf Grund der menschlichen Natur Gegenstand des Begehrens, während anderes dazu im Gegensatz steht, wieder anderes, wie Geld, Gewinn, Sieg und Ruhm, eine mittlere Stelle einnimmt. Wo es sich um die erstgenannte und um die dritte, die mittlere Klasse handelt, da erfährt man keine Mißbilligung bloß aus dem Grunde, weil man von dergleichen affiziert wird, es begehrt und liebt, sondern nur wegen der Art und Weise wie