Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles

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Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles

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über die Begierden keineswegs immer etwas Rühmliches. Sind sie aber schwach, ohne von niedriger Art zu sein, so wäre daran nichts, was einem Respekt einzuflößen vermöchte. Und sind sie zwar von niedriger Art, aber zugleich schwach, so wäre wieder ihnen zu widerstehen nichts Besonderes.

      Aber weiter, wenn Festigkeit des Willens bewirkt, daß man jedesmal bei seiner Meinung beharrt, so ist sie in dem Falle bedenklich, wo einer auch auf einer falschen Meinung beharrt. Wenn aber Willensschwäche bewirkt, daß man von jeder Ansicht auch wieder abweicht, so wird es eine Willensschwäche geben, die zum Ruhme gereicht, wie es bei Neoptolemos in Sophokles' »Philoktet« der Fall ist. Denn daß er bei dem, wozu ihn Odysseus überredet hat nicht verharrt, weil es ihm leid wird, die Unwahrheit zu sagen, das verdient doch nur unseren Beifall.

      Eine weitere Schwierigkeit bietet ein Trugschluß, der uns bei den Sophisten begegnet. Diese nämlich gefallen sich darin, Schlüsse von einer solchen Art zu bilden, mit der sie die Menschen verblüffen, um sich, wenn sie ihr Ziel erreichen, als besonders gewandt zu erweisen; und so wird der Schluß wie sie ihn bilden zu einem Fangschluß. Denn der Verstand fühlt sich wie in Banden, wenn er einerseits bei dem Schlußsatz nicht stehen bleiben will, weil dieser ihn nicht befriedigt, aber auch nicht von ihm loszukommen imstande ist, weil er dem Beweisgang sich nicht zu entziehen vermag. Aus einem ihrer Beweisgänge also ergibt sich der Satz, daß Gedankenlosigkeit in Verbindung mit Willenlosigkeit eine Tugend ist. Es tut einer auf Grund seines Mangels an Selbstbeherrschung das Gegenteil von dem was er für recht hält; was er für recht hält aber ist dies, daß das Gute schlecht und zu unterlassen sei, und infolgedessen tut er nun das Gute und nicht das Böse.

      Ferner könnte man meinen, ein Mensch, der aus Überzeugung tut und anstrebt was Lust bereitet, und danach seine Vorsätze einrichtet, sei mehr wert als einer, der nicht auf Grund seiner Denkungsart, sondern seiner Genußsucht so verfährt; denn er ist einer Heilung eher zugänglich, weil es möglich bleibt, daß man ihm eine andere Überzeugung beibringe. Dagegen ist ein Mensch der bloß seinen Begierden nachlebt, ein Belag für das Sprichwort: Wenn das Wasser würgt, was soll man nachtrinken? Wäre er von der Richtigkeit seiner Handlungsweise überzeugt, so würde er sie, eines Besseren überzeugt, aufgeben: so aber bleibt sein Handeln, auch wenn man ihn überzeugt, deshalb nicht weniger im Widerspruch zu seiner Überzeugung.

      Außerdem: wenn Knechtschaft unter den Begierden und Herrschaft über die Begierden auf allen Gebieten vorkommt, wer ist der Knecht der Begierde schlechthin? Kommen doch bei keinem Menschen alle Arten von Ausschweifung zugleich vor, und dennoch nennen wir manche Leute ausschweifend ohne weiteres.

      Das etwa sind die Schwierigkeiten die sich ergeben. Da muß man das eine aus dem Wege räumen, das andere stehen lassen, denn die Schwierigkeit heben heißt das Positive finden.

      b) Die Art des Wissens

       Inhaltsverzeichnis

      Die erste Frage, die wir zu beantworten haben, ist die, ob es sich um ein wissentliches Tun handelt oder nicht, und was unter dem Wissen dabei zu verstehen ist. Zweitens ist die Frage, auf welchen Gebieten man den suchen soll, der seinen Begierden frönt und den der sie beherrscht; das heißt ob jede Lust und jede Unlust, oder nur gewisse genau bestimmte dabei in Betracht kommen, sowie was den Herrn über seine Begierden und den Willensstarken anbetrifft, ob beides dasselbe oder ob es verschiedenes bedeutet. Ebenso haben wir auch über die anderen Fragen zu handeln, die mit dieser Untersuchung in näherem Zusammenhange stehen.

      Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet die Frage, was den Unterschied zwischen dem Herrn seiner Begierde und dem Knecht derselben ausmacht, ob der Gegenstand oder die Art und Weise des Verhaltens zum Gegenstande; das will sagen: ob einer ein Knecht der Begierde dadurch ist, daß er dieses Bestimmte begehrt, oder ob er es nicht dadurch ist, sondern durch die Art und Weise seines Begehrens, oder vielleicht auch nicht allein dadurch, sondern aus beiden Gründen zusammen. Sodann, ob Knechtschaft unter der Begierde oder Herrschaft über sie sich auf alles erstreckt oder nicht. Wer unenthaltsam ist ohne weiteren Zusatz, der ist es nicht allen Genüssen gegenüber, sondern eben denen gegenüber, denen ein zügelloser Mensch ergeben ist, und er ist es nicht einfach deshalb, weil seine Begierde darauf gerichtet ist, denn dann würde sein Verhalten soviel bedeuten wie Zügellosigkeit, sondern deshalb weil er sich in bestimmter Weise darauf richtet. Jener, der Zügellose, wird durch einen ausdrücklichen Vorsatz getrieben, weil es seine Ansicht ist, daß man jedesmal dem augenblicklichen Genuß nachzutrachten hat; dieser hat solche Ansicht nicht und trachtet gleichwohl danach.

      Die Unterscheidung nun, daß es eine richtige Meinung und nicht begriffliche Erkenntnis sei, wogegen man im Dienste der Begierde verstößt, hat für unsere Untersuchung keinerlei Bedeutung. Kommt es doch vor, daß Leute in ihren Meinungen gar nicht schwanken, sondern sich fest einbilden, sie besäßen ein sicheres Wissen. Wenn also Leute mit bloßen Meinungen, weil ihr Glaube wenig befestigt ist, in höherem Grade als die Menschen mit begrifflicher Erkenntnis in ihrem Handeln wider die Ansicht verstoßen, die sie selber hegen, so wird sich zeigen, daß begriffliche Erkenntnis darin vor bloßer Meinung gar nichts voraus hat. Denn so mancher glaubt nicht weniger fest an das was seine Meinung ist, als andere an das was sie in begrifflicher Form wissen. Das zeigt schon Heraklit.

      Dagegen kommt mehreres andere wohl in Betracht. Wir sprechen erstens von begrifflichem Wissen in doppelter Weise. Man schreibt ebensowohl dem ein Wissen zu, der von dem Wissen das er hat doch keinen wirklichen Gebrauch macht, wie dem der es tätig anwendet. Es wird also einen Unterschied ausmachen, ob einer zwar ganz wohl weiß was wider die Pflicht ist, aber es sich nicht gegenwärtig hält, oder ob einer es weiß und es sich auch vergegenwärtigt. Denn das letztere erscheint in der Tat ungeheuerlich; aber nicht so, wenn er sein Wissen nicht ausdrücklich gegenwärtig hat.

      Es kommt zweitens hinzu, daß es zwei Arten von Vordersätzen gibt, Obersatz und Untersatz. So hindert denn nichts, daß einer der beide innehat gegen seine Erkenntnis handele, indem er wohl den allgemeinen, den Obersatz, anwendet, aber nicht den partikularen, den Untersatz. Denn Gegenstand des Handelns ist das Einzelne. Aber auch in dem allgemeinen Satz finden sich unterschiedene Bestimmungen enthalten. Dies Allgemeine betrifft teils die Person, teils die Sache; so z.B. der Satz, daß jedem Menschen das Trockene zuträglich ist, er selbst aber ein Mensch ist; und daß ein Ding dieser Art von trockener Beschaffenheit ist. Ob aber dieser bestimmte Gegenstand diese Beschaffenheit hat, davon hat man dadurch entweder noch keine Kenntnis, oder diese Kenntnis wird doch nicht wirksam. Es wird außerordentlich viel darauf ankommen, welche von diesen Arten des Wissens einer hat. So erscheint es keineswegs fremdartig, daß einer sich im Handeln wider sein eigenes besseres Wissen vergißt, wenn er ein Wissen in diesem Sinne hat; dagegen würde es höchst verwunderlich sein, wenn sein Wissen ein Wissen in der anderen Bedeutung wäre.

      Drittens aber nimmt das begriffliche Wissen bei den Menschen noch in anderer Weise verschiedene Gestalten an, als in der, wovon bisher die Rede war. Wir sehen nämlich in Fällen, wo jemand die Erkenntnis inne hat, sie aber nicht anwendet, daß der geistige Zustand des Innehabens hier eine ganz andere Bedeutung hat; es ist ein Haben, das im Grunde zugleich ein Nichthaben ist, wie bei einem der schläft oder der von Sinnen oder betrunken ist. Nun sind aber diejenigen die von heftigen Gefühlen aufgeregt sind in ganz ähnlicher Verfassung. Heftige Aufregung, geschlechtliche Begierde und manches Ähnliche zieht augenscheinlich auch den Leib in Mitleidenschaft; bei manchen bringt es geradezu Geistesstörung hervor. Offenbar also muß man sagen, daß es um diejenigen die ihrer Begierden nicht mächtig sind, ganz ähnlich steht wie um diese Leute. Daß sie die Sätze die sich aus ihrer Erkenntnis ergeben, im Munde führen, beweist gar nichts. Denn Leute in solcher Gefühlsaufregung wiederholen auch Beweisgänge und Aussprüche des Empedokles; sieht man doch auch diejenigen die etwas eben erst gelernt haben, wohl die Sätze hintereinander aufsagen, ohne daß sie doch schon ein wirkliches Wissen hätten. Denn wirkliches Wissen muß mit dem Menschen verwachsen sein; dazu aber bedarf es der Zeit. Man muß sich also vorstellen, die Reden von

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