Der Tod der Schlangenfrau. Ulrike Bliefert

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Der Tod der Schlangenfrau - Ulrike Bliefert Auguste Fuchs

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Brändel grinste obszön und stieß Jakob plump-vertraulich seinen Ellenbogen in die Rippen. »Manche Weiber sind ja janz verrückt nach die Wilden, weil: Die Kerle soll’n da unten rum so einijes zu bieten haben. Aber kleene braune Kinder machen is nich. Wir schicken die janze Mannschaft einmal die Woche in ’n Puff, und fertig. So!« Er stieß das Gatter auf, das die Barackensiedlung umgab. »Anschließend nur kurz klingeln, denn lass ick Ihnen raus«, und damit drehte er sich um und stapfte auf ein schmuckes kleines Blockhaus zu, das ihm während der sechs Monate, die die Ausstellung laufen sollte, offenbar als Hausmeisterwohnung diente.

      Jakob näherte sich mit gemischten Gefühlen einer Gruppe von Afrikanern, die sich im Innenhof der Barackensiedlung um eine Feuerstelle scharten. Bis auf einen – offenbar der Älteste von ihnen – trugen alle europäische Kleidung. »Guten Abend!« Der doppelt geschlungene Wollschal wollte nicht so recht zu seinem Umhang aus bedrucktem Kattun passen. »Berlin ist kalt«, erklärte der Mann und deutete lächelnd auf seinen Hals. »Können wir irgendwas für Sie tun?«

      »’n Abend. Danke, ja. Mein Name ist Jakob Wilhelmi, Kriminalassistent.«

      »Angenehm. Natchaba, Koffi. Koffi ist der Vorname«, setzte der Schwarze lächelnd hinzu. »Wir gehören zur Togo-Truppe«, die anderen Männer nickten höflich, »morgens landestypisches Handwerk und nachmittags wilde Tänze und Kriegsspiele.«

      Wilhelmi schaute betreten zu Boden. Koffi Natchaba sprach so gut wie akzentfrei Deutsch und war eindeutig alles andere als der exotische Wilde, den ganz Berlin seit Anfang Mai mit einer Mischung aus Schauder und Faszination zu begaffen pflegte.

      »Verzeihen Sie die Störung, aber ich würde gerne drei …«, Wilhelmi suchte nach den richtigen Worten, »… drei … Kollegen von Ihnen sprechen. Zwei Mitglieder der ›Herero-und-Hottentotten-Karawane‹: Frans und Cornelius Morenga und einen Herrn, der offenbar nicht hier wohnt …« Wilhelmi las den ungewohnten Namen von seinem Büchlein ab: »… Aleeke Mambila.«

      »Stimmt. Mambila gehört nicht zu uns. Der ist beim Auswärtigen Amt angestellt. In der Kolonialabteilung. Sitzt drüben im Verwaltungsgebäude. Nur: Da dürften Sie um die Zeit niemanden mehr antreffen. Wie ich Mambila kenne, ist der in der Oper oder im Ballett oder sonst wo unterwegs. Aber die Morenga-Brüder finden Sie gleich ein Haus weiter. Die Herren sind übrigens Nama.«

      »Aha?« Jakob kratzte sich am Kinn, und auf Koffi Natchabas Gesicht breitete sich ein gutmütiges Grinsen aus. »Die Nama wegen ihrer Sprache Hottentotten zu nennen, ist etwa so höflich wie einen freundlichen Berliner Eingeborenen wie Sie wegen Ihres Riechorgans als Spitznase zu bezeichnen.«

      Unwillkürlich griff Jakob an seine Nase.

      Koffi lächelte immer noch. »Eindeutig … scharfkantiger als meine, was?«

      »Ähm. Ja.«

      »Aber Nase ist Nase, oder?«

      »’türlich. Klar.« Bevor seine Verwirrung überhandnehmen konnte, verabschiedete sich Jakob und ging auf die angegebene Baracke zu. Dass ein offensichtlich hochgebildeter Schwarzer als »Wilder« auftrat und den Berlinerinnen und Berlinern irgendwelche Stammesriten vorführte, von denen er zuvor womöglich noch nie etwas gehört hatte, war mehr als irritierend. Und die Sache mit der Nase, den Nama und den Hottentotten verstand Jakob erst recht nicht.

      Immerhin: Die beiden Morenga-Brüder zu finden war nicht schwer. Sie erkannten den jungen Kriminalassistenten sofort wieder und gaben mithilfe eines Dolmetschers bereitwillig Auskunft: Sie kannten Ndeschio Temba, den Hotel-Pagen, vom Sehen, denn schließlich mussten sie auf dem Weg zu den abendlichen Varietévorstellungen am Eingang des Central-Hotels vorbei. Aber darüber, wo er sich zurzeit aufhielt, konnten sie beim besten Willen keine Auskunft geben. Nach dem Darsteller, der für den verstorbenen Kollegen eingesprungen war, gefragt, zuckte der Dolmetscher mit den Achseln. »Jeder kennt hier Aleeke Mambila. Der teilt die Leute ein und setzt die Auftrittszeiten an und so weiter. Aber der wohnt natürlich nicht hier bei uns.«

      Wieso das »natürlich« war, erschloss sich Jakob nicht so recht, aber offenbar bekleidete Mambila eine Stellung, die mit Privilegien verbunden war. Dass er – genauso wie die beiden Morenga-Brüder – die Kolonialausstellung als Adresse angegeben hatte, war allerdings insofern logisch, als er davon ausgehen konnte, dass Polizeibesuche nur während der normalen Arbeitszeiten zu erwarten waren.

      Sigismund Brändel öffnete die Tür zu seinem Blockhaus nur einen Spalt breit, als Jakob klingelte. »Wo der Mambila wohnt, kann ich nich sagen«, brummte er. Und ansonsten solle der Herr Unterkommissar gefälligst morgen wiederkommen, weil er, Sigismund Brändel, jetzt Feierabend habe.

      Mit dem mageren Ergebnis seiner Nachforschungen alles andere als zufrieden, kehrte Jakob Wilhelmi zum Alexanderplatz zurück. Für heute war auch für ihn Feierabend, und morgen würde man dann eben weitersehen.

      Professor Straßmanns Obduktionsbericht war scheinbar kurz vor Dienstschluss noch auf von Barnstedts Schreibtisch gelandet. Daraus ging zweifelsfrei hervor, dass es sich beim Tod von Charlotte Paulus um einen Mordanschlag gehandelt hatte.

      Jakob konnte sich angesichts der Momentaufnahme, die ihm die resolute Fotografin überlassen hatte, keinen Reim darauf machen, dass Ndeschio Temba erwiesenermaßen nicht mehr in sein Zimmer im Central-Hotel zurückgekehrt war. Auf dem bewussten Foto kniete er vor Charlotte Paulus auf dem Boden und hatte den Deckel des Schlangenkorbs in den Händen. Das hieß, er war ganz offensichtlich nicht der Täter. Doch sein Verschwinden war merkwürdig und machte ihn natürlich verdächtig.

      »Strophanthin?« Max von Jadow runzelte kopfschüttelnd die Stirn. »Wieso sollte jemand einem Tingeltangel-Mädchen einen solchen Tort antun?«

      Von Barnstedt zuckte mit den Schultern und winkte dem Kellner, um eine Flasche Roederer Carte Blanche zu ordern. Ein Souper im »Hiller« war das Mindeste, was er seinem alten Internatsfreund zur Begrüßung bieten musste: Schließlich war Max von Jadow erst vor ein paar Monaten aus Ost-Afrika zurückgekehrt, und es lag ganz in Kommissar von Barnstedts Interesse, dass er sich möglichst schnell wieder heimisch fühlte: Beziehungen konnte man nie genug haben, und dass sein alter Kumpel als Baron in der Adelshierarchie erheblich höher angesiedelt war als er selbst, war sicher nicht von Nachteil.

      »Wir werden sehen.« Nachdem er auf von Jadows Wohl getrunken hatte, beschloss der Kommissar, ein wenig mit dem Fall, den er seit heute auf dem Schreibtisch hatte, anzugeben. »Stell dir vor: Das Mädel war schwanger! Wer weiß, vielleicht sogar von diesem Neger, der sich im Handumdreh’n verdünnisiert hat! Die beiden müssen sich gekannt haben, sonst hätten die sich nicht in dieser Negersprache miteinander unterhalten können.«

      »Verstehe …« Von Jadow sah, ganz offensichtlich interessiert, von seinem Croquembouche, einer köstlichen Windbeutelpyramide, auf. »Und weiß man denn, um welche Negersprache es sich handelt? Davon gibt’s schließlich Hunderte. Wenn nicht sogar noch mehr.«

      »Na, hierzulande kann dieses Kauderwelsch doch sowieso keiner unterscheiden. Und ist ja schließlich auch egal.« Von Barnstedt war nicht mehr zu bremsen. »Es ist mir einfach schleierhaft, wieso der Leichenfledderer nicht aufgeschrieben hat, ob das arme Wurm im Bauch von unserer Toten denn nun weiß war oder braun.«

      »Den Schleier kann ich dir aus eigener Erfahrung lüften.« Von Jadow grinste überlegen. »Ob so ein Bankert schwarz, weiß oder braun sein wird, kann man mitunter nicht mal kurz nach der Geburt feststellen.«

      »Was? Max, komm, verkohl mich nicht! Das ist jetzt nicht dein Ernst!«

      »Mein voller Ernst. Weil sich die Haut manchmal erst später dunkel

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