Der Tod der Schlangenfrau. Ulrike Bliefert

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Der Tod der Schlangenfrau - Ulrike Bliefert Auguste Fuchs

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Kröschke rannte ins Nebenzimmer. Als sie mit einem Glas Wasser zurückkam, versuchte Ndeschio Temba, Charlotte ein paar Tropfen einzuflößen, doch sie stieß seine Hand beiseite und griff mit hektischen Bewegungen ins Leere. »Sie sind gekommen, mich zu holen«, brachte sie schließlich mühsam hervor. »Roho ya giza ya kifo! Yeye anakuja na ananichukua! Nenda mbali! Ich will nicht sterben!«

      Temba stieß einen unterdrückten Klagelaut aus. » Hapana, hakuna roho mbaya! Na vizuka haziwezi kukuumiza! Nipo nawe! Je! Unasikia? Lazima upumue! Tafadhali kaa nami!«

      Doch die schöne Schlangenfrau war bereits in einer anderen Welt; einer Welt, in der offenbar Entsetzliches vor sich ging. Sie stieß erstickte Schreie aus und schlug wild um sich, während Ndeschio Temba vergeblich versuchte, sie zu beruhigen.

      Schließlich gab sie den Widerstand gegen ihre unsichtbaren Angreifer auf, und Temba wiegte sie in seinen Armen wie ein kleines Kind.

      Nebenan warf Henrietta den Hörer auf die Gabel und stürmte zurück ins Atelier. »Doktor Goldstein ist unterwegs!«

      »Du Dreckskerl!«, fauchte Lina Kröschke und zerrte Charlotte mithilfe eines der beiden Bühnenarbeiter aus Ndeschio Tembas Armen. »Lass gefälligst deine Pfoten von der Frau!«

      Die ältere der beiden Runtschen-Schwestern faltete die Hände und wisperte ein Vaterunser.

      Noch bevor der Arzt eintraf, war Charlotte Paulus tot.

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      KAPITEL 3

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      Die Sanitäter hatten die Leiche auf eine fahrbare Trage gelegt. Statt der roten Samtportiere hüllte jetzt ein weißes Leintuch Charlotte Paulus’ nackten Körper ein. Während der Arzt seine Instrumente zusammenpackte, murmelte er: »Mein herzliches Beileid«, unschlüssig, wen unter den Anwesenden er ansprechen sollte.

      Lina Kröschke und ihr Kollege hatten Weinfurths Darstellerinnen und Darsteller inzwischen abgeschminkt und umgezogen. Einer nach dem anderen kam hinter dem Paravent oder aus dem Nebenraum zurück ins Atelier, doch keiner wagte es zu gehen, solange die Tote noch im Raum war. Ndeschio Temba kauerte, das Gesicht hinter den gekreuzten Armen verborgen, reglos am Boden, während die beiden Runtschen-Schwestern sich in den hintersten Winkel des Ateliers zurückgezogen hatten und mit vor Angst weit aufgerissenen Augen die Suche der Bühnenarbeiter nach der verschwundenen Schlange verfolgten. »Ich hab sie erwischt!«, verkündete einer von ihnen wenig später. Das Tier hing mit zerschmettertem Schädel schlaff über dem Feuerhaken in seiner Hand. Angewidert schleuderte er es Weinfurth vor die Füße. Der nahm den Verlust seiner Schlange ohne erkennbare Gemütsregung hin. »Selbst wenn sie zugebissen hätte«, murmelte er, »selbst wenn …«

      Nachdem Auguste und Henrietta alle Anwesenden mit heißem Tee und einem kräftigen Schluck Weinbrand versorgt hatten, wurde es still im Atelier. Nur der übliche, gedämpft von der Friedrichstraße hinaufdringende Lärm war zu hören.

      Schließlich räusperte sich der ältere der beiden Sanitäter vernehmlich und brach damit das Schweigen. »Na, denn … Adjee, die Herrschaften.« Er machte einen Diener, setzte seine Mütze wieder auf und wies seinen Kollegen an, die Bahre mit ihm zusammen zum Aufzug zu fahren.

      »Langsam, langsam, meine Herren!« Dr. Goldstein hielt die beiden zurück. »Die Tote kommt bitte in die Hannoversche 6.«

      Die Sanitäter warfen sich einen verunsicherten Blick zu. »In ’t Leichenkommissariat? Wieso ’n det?«

      »Ich bin ja man nur ’n einfacher Medikaster«, Dr. Goldstein hob mit einem selbstironischen kleinen Lächeln die Hände, »und ’n Schlangenbiss kann’s ja wohl nicht gewesen sein, Herr …?«

      »Weinfurth, Josef. Schausteller und Impresario«, antwortete Weinfurth mechanisch. Von seiner wichtigtuerischen Attitüde war so gut wie nichts mehr übrig geblieben. »Nee, wie jesagt, Herr Doktor: Selbst wenn se zujebissen hätte: Tut zwar weh, aber sonst wär’ da nichts passiert. Pythons sind keine Giftschlangen. Deshalb nimmt man se ja für Vorführungen und so weiter. Und außerdem würd isch doch niemals meine eijene Zugnummer …«

      »Danke«, unterbrach ihn Goldstein. »Wenn es also kein Schlangenbiss war, was war es dann? Eine junge, offenbar gesunde Frau und ein tödlicher Herzanfall? Schwerlich vorstellbar. Außerdem: Bei einem Herzanfall gibt es meines Wissens keine Halluzinationen. Und die junge Frau hatte doch …«, angesichts der ratlosen Gesichter ringsumher stöhnte er leise auf und korrigierte sich hastig, »Sie hat doch irgendwas oder -wen gesehen, oder? Und wie die Fräuleins Runtschen mir erzählt haben, hatte sie offenbar Angst vor jemandem oder etwas. Obwohl da nichts war.« Dr. Goldsteins forschender Blick wanderte von einem zum anderen. Auguste und Henrietta nickten stumm, während die beiden Bühnenarbeiter mit den Achseln zuckten. »Kann sein.« – »Wat weeß denn unsereiner?«

      Hanna Runtschen hatte den Arm beschützend um die Schultern ihrer kleinen Schwester gelegt. »Also, dass Charlotte irgendwie nich ganz da war …«, sie wischte demonstrativ mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, »… das war eindeutig. Als hätt’ se ’n Gespenst gesehen oder so was. Hat sogar mit dem gesprochen.«

      »Halluzinationen.« Goldstein nickte. »Vermute ich zumindest. Und das könnte auf ’ne Vergiftung hindeuten. Und wenn’s die Schlange nicht war …«, er ließ den Rest des Satzes bewusst in der Luft hängen und musterte erneut jeden einzelnen der Anwesenden. »Hat die junge Frau hier irgendetwas zu sich genommen, womit man ihr eine tödliche Substanz verabreicht haben könnte?«

      »Um Himmels willen, nein!« Auguste schnappte empört nach Luft: Das Szenario, das der Arzt da heraufbeschwor, war einfach ungeheuerlich! »Frau Preissing hat das Essen und sämtliche Getränke unten in der Pensionsküche von Dorchen – ich meine: von ihrer Kaltmamsell – zubereiten lassen und gleich anschließend im Fahrstuhl hier nach oben gebracht!« Luis nickte bestätigend. »Und wir haben alle zusammen das Gleiche gegessen und getrunken. Außerdem: Wer von uns hier sollte denn etwas gegen Fräulein Paulus …«

      »Na, die hat auf alle Fälle Angst gehabt! Und sie hat was in Negersprache gesagt!« Lina Kröschke deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Ndeschio Temba. »Zu dem da!«

      Der junge Afrikaner kauerte immer noch bewegungslos am Boden und verbarg sein Gesicht in den Händen.

      »Interessant …« Dr. Goldsteins musterte Lina Kröschke mit hochgezogenen Augenbrauen. »Und woher wollen Sie das wissen?«

      »Was? Wieso? Hab’s doch selber gesehen und gehört!«

      »Ich meine das mit der Negersprache.«

      »Na jaaa«, Lina Kröschke schien unter Dr. Goldsteins forschendem Blick regelrecht zu schrumpfen. »Ich mein’ ja nur: Hörte sich irgendwie … komisch an. Jedenfalls hat der da …«, sie deutete erneut auf Ndeschio Temba, »… in genauso ’nem Kauderwelsch auf sie eingeredet.«

      Temba reagierte nicht, so als habe er Lina Kröschkes Worte nicht gehört.

      »Sehen Sie, ich kann mir auf das Ganze genauso wenig wie Sie irgendeinen Reim machen«, erklärte Dr. Goldstein, »und deshalb soll sich der Kollege Straßmann die Tote mal genauer ansehen.«

      »Also dann: Hannoversche 6«, murmelte der ältere

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