Planet der Saurier. Falk-Ingo Klee
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»Es geht nicht«, gestand er kleinlaut, »sie sind zu primitiv.«
Er gab sich einen Ruck und stand auf. »Ich verjage sie mit dem Strahler.«
Troopal Scotheer nahm seine Waffe auf und betätigte den Schleusenkontakt. Als sich das Außenschott öffnete, drangen die dumpfen Brülllaute der urweltlichen Tierriesen an sein Ohr. Er fasste den Strahler fester und trat vorsichtig an die äußere Schleusenkante.
Der Triceratops, der am nächsten stand, hob witternd den mächtigen Kopf. Als er den Proohler erspähte, trottete er näher und reckte drohend das gewaltige Gehörn empor. Sein knöcherner Nackenkamm reichte fast bis an die Einstiegsöffnung.
Schnell trat Scotheer einen Schritt zurück. Der Gigant war ihm nicht geheuer.
Aus der Sicherheit des Raumers heraus gab Troopal zwei, drei Schüsse ab. Vor den stampfenden Füßen des Sauriers fuhren die Energiebündel in den Boden und brachten ihn zum Kochen.
Aufbrüllend warf sich der Koloss herum und floh. Auch die beiden anderen Tiere ließen von dem Diskus ab und galoppierten davon.
Scotheer sah ihnen mit gemischten Gefühlen nach. In Zukunft musste man mit diesen wehrhaften Fleischbergen rechnen und leben. Zwar war auch er ein Riese von fast drei Metern, durchtrainiert und kräftig, aber gegen diese gewaltigen Saurier hatte er nichts zu bestellen. Allein der Schädel eines Triceratops maß zweieinhalb Meter, die Kopf-Rumpf-Länge mochte zehn Meter betragen; das Gewicht schätzte er auf etwa zehn Tonnen. Nein, diesen Giganten konnte man allenfalls mit dem Strahler beikommen.
Napeel trat neben ihn.
»Was stimmt dich so nachdenklich?«
»Die Größe und Kraft dieser Tiere.« Er schloss das Schott und führte seine Gefährtin in die Zentrale zurück. »Wir werden doch den Kleinstschweber benutzen. Jetzt, wo ich ein paar dieser Kolosse erlebt und aus nächster Nähe gesehen habe, halte ich es für zu riskant, ihnen zu Fuß zu begegnen. Wir müssen sie zunächst einmal eine Weile beobachten und ihr Verhalten studieren. Erst dann können wir es wagen, den Schweber im Hangar zu lassen.«
»Weißt du, ich war über deinen Entschluss, die Gegend zu Fuß zu erkunden, ohnehin nicht besonders glücklich«, gestand Tratheer. »Zwar haben wir die Informationen des Speichers, aber uns fehlt die Erfahrung im Umgang mit diesen Lebensformen.«
Troopal Scotheer strich seiner Gefährtin zärtlich über den Kopf. »Dann lass uns packen.«
Innerhalb kurzer Zeit hatten sie den Flugkörper beladen. Auf die Mitnahme eines Robots verzichteten sie, da die Kapazität des Schwebers zu gering war. Nach einem kurzen Imbiss brachen sie auf.
Die Proohler verzichteten darauf, ein Schirmfeld um das Schiff zu legen. Der Diskus war stabil genug, um mögliche Saurierattacken zu überstehen. Zudem mussten die Energiereserven des Raumers, gemessen an der proohlschen Lebenserwartung, noch rund vierhundert Jahre reichen.
Trotz seiner geringen Größe war auch der Schweber mit einer automatischen Steuerung ausgestattet. Scotheer programmierte einen Rundkurs mit einem Radius von einhundert Kilometern. Er wählte die niedrigste Geschwindigkeitsstufe und einen Bodenabstand von fünfzehn Metern.
Leise summend startete der Flugkörper. Als er die vorgegebene Höhe erreicht hatte, drehte er die Nase in südwestliche Richtung und steuerte auf den See zu. Die grüne Wand des Urwalds blieb linker Hand zurück.
Zum Bedauern der beiden Proohler besaß der Kleinstgleiter keine Aufzeichnungsgeräte. Immerhin bestand die obere Kuppel aus transparentem Material, sodass man einen direkten Ausblick hatte. Bewusst verzichteten sie darauf, den Monitor einzuschalten. Sie wollten den Planeten Chrootheer erleben, wie er war ‒ ohne das korrigierende Auge einer Optik.
Plötzlich schrie Tratheer auf. Aus den Fluten des Sees, den sie gerade überflogen, reckte sich ein schlangengleiches Wesen, das nicht aufhören wollte, zu wachsen. Alarmiert blickte Scotheer nach unten.
Was da sechs Meter aus dem Wasser ragte, war der dunkle Kopf-Halsteil eines Plesiosauriers, der genüsslich einen Fisch verspeiste. Den Gleiter musste er für harmlos halten, denn er äugte nur kurz nach oben und fraß ruhig weiter.
»Hat dich das Tier so erschreckt?«
»Ja. Was ist das für eine Art?«
»Ein Plesiosaurier, genauer gesagt ein Muraenosaurus. Er ist ein Fischfresser, der uns nicht gefährlich werden kann.«
»Chrootheer ist eine schreckliche Welt«, klagte Napeel. »Ich glaube, hier werde ich mich nie wohlfühlen.«
»Wir werden uns schon eingewöhnen«, tröstete Scotheer. »Immerhin gibt es ja auch kleine Saurier, die absolut harmlos sind.«
»Vor denen fürchte ich mich auch nicht.«
»Sieh doch!«
Unweit des Sees weidete eine kleine Herde von Iguanodons die Blätter eines Araukarienwäldchens ab. Es war erstaunlich, wie geschickt die pferdeköpfigen Riesen ihre Vorderbeine als Arme einsetzten und nach den Zweigen griffen. Sogar Nadelgrün in fünf Metern Höhe erreichten sie und bissen es mit den schnabelartigen Kiefern ab.
Ein urweltliches Gebrüll ertönte. Sofort stellten die Tiere die Nahrungsaufnahme ein und wandten sich zur Flucht. Aus der Deckung einer Baumgruppe raste ein Allosaurus heran.
Der lederhäutige Dinosaurier bot einen erschreckenden Anblick. Der massige, nach vorn gestreckte Leib wurde von zwei mächtigen Laufbeinen getragen, der lange schwere Schwanz balancierte pendelnd das Gleichgewicht aus. Der kurze Hals trug einen riesigen Schädel, der nur aus messerscharfen Zähnen zu bestehen schien.
Die Pflanzenfresser, immerhin selbst fünf Meter hoch und neun Meter lang, versuchten dem nur wenig größeren Räuber in Richtung auf den See zu entkommen. Auch sie liefen nur auf den Hinterbeinen, erreichten aber nicht annähernd die Geschwindigkeit ihres Verfolgers. Besonders ein Iguanodon fiel zurück.
Das Raubreptil neigte den Körper noch ein wenig nach vorn. Schon holten seine Vordergliedmaßen, die wie Arme mit drei langen Krallenfingern aussahen, zur Umklammerung der Beute aus.
Mitten im Lauf bohrten sich die grässlichen Krallen in den Leib des Verfolgten und hielten ihn fest. Das Tier versuchte noch, die zu steilen Stacheln umgebildeten Daumen seiner ›Hände‹ abwehrend nach hinten zu richten, doch da schlug der Räuber schon sein schreckliches Gebiss in den Hals. Blutend und mit zerbissener Kehle brach der Iguanodon zusammen.
Während der Allosaurus sein Opfer zerfleischte, verschwanden die Artgenossen des Getöteten platschend im Wasser. Sie waren ausgezeichnete Schwimmer, die mit kräftigen Schwanzschlägen der Mitte des Gewässers zustrebten.
Der Gleiter hatte sich mittlerweile so weit entfernt, dass die beiden Proohler die Szene nicht mehr genau verfolgen konnten. Troopal und Napeel konzentrierten sich wieder auf das vor ihnen liegende Gelände.
Die grasbewachsene Ebene wurde aufgelockert durch kleine Wäldchen und lichte Haine. Sie bestanden vornehmlich aus Araukarien, Zypressen und Bennettitales, palmfarnartigen Nadelbäumen. Zwischen ihnen wuchsen vereinzelt riesige Farne und Mammutbäume.