Die zehnte Göttin des Gesangs. Carina Burman

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Die zehnte Göttin des Gesangs - Carina Burman

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Schreiben eingehändigt. Indem das Stipendium Stieglerianum einzig auf arme Studierende gerichtet ist, versagen mir Trauer im Herzen und Scham, so ganz und gar auszudrücken, wie sehr er zu dieser Klasse mit vollem Rechte zu zählen ist. So man schon zu Lebzeiten seines seligen Vaters nicht vermochte, ihn auf die Academie zu entsenden, obgleich er große Lust und Neigung zum Studieren verspüret, so ist es mir jetzo noch viel weniger möglich, welches ich mit gramvollem Herzen beklage. Daher überreiche ich Ihnen, edler und hochgelehrter Herr Prof., mein ergebenstes Gesuch, daß es Ihnen gefallen möge, mittels Ihrer hochgeschätzten Recommendation für meinen armen Sohn einzutreten, was diesen Jüngling gleich mir zu unaufhörlicher Dankbarkeit, Ehrerbietung und Dienstschuldigkeit auf ewig verpflichtet und ich mit aller Verehrung zeit meines Lebens verbleibe

      des edlen und hochgelehrten Herrn Professors

      und Bibliothecarius

      Gehorsamste Dienerin

      Sophia El. Brenner

      Stock: d. (3. Febr. 1717)

      Unser Bibliothekar brachte uns die letzten Bände. Sein Körper war zusammengefallen, und die Knie schienen auf dem Boden zu schleifen. Doch obgleich er klein und schwächlich war, trug er Berge von Handschriften, alle voluminös und gebunden. Seine Arme wirkten unnatürlich muskulös, verglichen mit dem Rest des Körpers. Wir kopierten, so rasch wir vermochten. Unsere Reflexionen hielten wir soweit wie möglich zurück, doch konnten wir unsere Sorge ob des einundzwanzigjährigen Carl Brenner nicht verschweigen, der wegen der Armut der Familie an Universitätsstudien gehindert war.

      Der Bibliothekar blieb uns im Nacken, die Hechte des Roxen spukten in seinem Kopf. Die gutentwickelten Arme wurden Fischflossen immer ähnlicher, und das graue Gesicht schrumpfte zum Fischkopf – doch nicht zu dem eines Hechts, sondern im Höchstfall dem eines Barsches.

      Der junge Carl Brenner wurde in mehreren Briefen erwähnt, und am 7. Mai desselben Jahres bat die Brenner »den mir wohlgesonnenen, hochzuverehrenden Hr. Prof., wenn ein Stipendium entweder des sel. Stieglers oder eines anderen für einen Studierenden unvergeben sei, der mit eigenen Mitteln nur wenig oder gar nichts vermag, um an der Academie sich aufhalten zu können, bitte ich ergebenst, mein Sohn Carl möge hierbei Berücksichtigung finden«. Las man dergleichen, war es schön, das Fazit in Händen zu halten. Wir wußten, daß Carl schon recht bald als Auskultant beim Höchsten Landesgericht von Svealand eintrat und sein Leben als Richter in Västmanland beschloß.

      Die Briefe reichten bis 1728, und meist bewegten sie sich in gleich niedriger, doch menschlicher Sphäre. Geldprobleme standen im Zentrum, und die Brenner tat ihr Möglichstes, um sich der Bibliothek des Gatten zu entäußern. Stets bat sie um Verzeihung, daß sie mit Lappalien behellige.

      Obgleich ich die Briefe in Ekesta erfreulicher fand, begriff ich den Wert der hier vorhandenen. Man erfuhr von literarischen Kontakten der Brenner, dem ganzen Netz hochgestellter Persönlichkeiten, die an ihrer Stellung im literarischen Leben jener Zeit Anteil hatten. Vielleicht sollte ich einen Miscellanceartikel über die Sache publizieren, ehe mir irgendein Professor zuvorkam.

      Der letzte Brief drückte Bedauern aus, da sie nicht daheim gewesen sei, als ihr Wohltäter einen Besuch abstatten wollte. Ich kopierte ihn, und kaum hatte ich den Stift niedergelegt, als der Bibliothekar den Band schon aufgenommen und zugeschlagen hatte.

      »Bei Anbruch der Nacht beißen sie gut«, sagte ich, und er starrte mich wütend an. Die Zähne im Unterkiefer ragten immer weiter hervor. Ich begriff, daß wir hier nicht den gleichen Erfolg erzielt hatten wie in Ekesta, und versuchte die Sache zu bemänteln, indem ich für die Hilfe dankte, die man uns trotz der Störung mitten in den Sommerferien gewährt hatte. Der Bibliothekar starrte mich an, und ich starrte zurück. In der Luft zwischen uns war kein Funke, nirgendwo ein Punkt, an dem wir uns begegneten. Vielleicht hatte er überhaupt aufgehört, Luft zu verbrauchen. Thea und Choice verstauten die Papiere im Arsenal. Ich unternahm einen letzten Versuch: »Eine wunderbare Landesbibliothek haben Sie hier in der Schule. Was für Sammlungen, was für Donationen!«

      »Schon möglich«, brummte der Bibliothekar. Er war offenbar am Roxen hängengeblieben. Griesgram, dachte ich.

      »Dann sind wir fertig. Vielen Dank für die Hilfe«, sagte Thea; wir gaben dem Bibliothekar die Hand und betraten die dunklen Flure des Gymnasiums. Ich fand vor allem, es rieche dort nach Mann, eine Art muffiger Jünglingsgeruch.

      »Ich will einen Schnaps«, stöhnte ich. »Ich will zum Freimaurerhotel, möchte ein ordentliches Büfett mit Schnaps und dann ein großes unweibliches Beefsteak mit Zwiebeln!«

      Das Männergeschlecht widerte mich an. Der Bibliothekar hatte sich als Vertreter einer Gattung erwiesen, die ich nicht begriff, und obendrein war er nicht gewillt, mit mir zu reden, obgleich wir scheinbar eine Sprache sprachen. Dabei hatte ich noch am selben Morgen an Kandidat Månsons Jackett gelehnt ...

      »Ich habe doch gesagt, Männer sind widerwärtig«, meinte auch Choice.

      »Du hast ja deine Gründe, das anzunehmen«, erwiderte Thea.

      Ich aber mochte Baron Fabian trotzdem gern, auch Schlippenbach und meine Mitdozenten, ja sogar die meisten meiner Studenten. Wie die Brenner habe ich einen Vater, der mich stets ermuntert und unterstützt.

      »Männer sind eine andere Gattung«, erklärte Choice.

      Mich ekeln doch wohl auch keine Pferde, nicht einmal Hechte an, obgleich sie völlig anders sind als ich. Ich habe nichts gegen Finnen und Russen. Warum läßt mich ein einziger Griesgram von Bibliothekar beim Gedanken an das Männergeschlecht Ekel empfinden?

      Wir gingen zu den Freimaurern und aßen ein ordentliches Mahl. Linköpinger mit glänzenden Wangen schielten zu uns herüber und murmelten etwas von Blaustrümpfen. Zum ersten Mal auf unserer Reise holte Choice ihren Notizblock heraus und bereitete einen Artikel vor:

      Müssen frauen hungern?

      Das schlanke, bleiche Frauenideal hält Schweden schon seit langem in seinen Fängen. Dieser Tage sah man drei Damen, keine von ihnen aufgedunsen oder fett, beim Diner im größten Hotel einer unserer Bischofsstädte. Gleich den meisten Umsitzenden leiteten sie ihre Mahlzeit mit Büfett und kleinem Schnaps ein, worauf zwei der Damen Beefsteak mit gedünsteten Zwiebeln verspeisten, und die dritte – eine Bekennerin des ganz und gar gesunden Vegetarismus – aß Spargel mit italienischem Käse. Im Unterschied zu den Umsitzenden waren jedoch diese drei Damen, o wie entsetzlich!, ohne männliche Eskorte! Den Abend lang wurden sie schmähenden Zurufen ausgesetzt, von denen »Blaustrumpf« noch der am wenigsten diffamierende war. Die jüngste von ihnen wurde obendrein mit einem höchst schamlosen Antrag bedacht, unterbreitet von einer Herrengesellschaft jenes Ordens, der als Eigentümer des Hotels fungiert. Rechnet man in der Provinz nur Männer zu Menschen? Erwartet man, daß Frauen sich zu Tode hungern?

      Choice

      In Linköping war der Flieder verblüht, und an den Büschen hingen nur noch verdorrte Rispen. Wir richteten unsere Schritte nach Süden, doch das ist eine andere Geschichte.

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