Der gestohlene Mord. Arno Alexander
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Arno Alexander
Der gestohlene Mord
Kriminalroman
Saga
Der gestohlene Mord
© 1957 Arno Alexander
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711626078
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
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1. Kapitel
Der Parkplatzwächter rechts neben der Madeleine sah auf seine Uhr und wußte, daß er in genau fünf Minuten seine erste Morgenzigarette rauchen würde. Er spähte den Boulevard des Capucines hinunter, über die vielfarbigen Dächer der Wagen hinweg, die in ununterbrochener Schlange auf ihn zu und an ihm vorbeiglitten.
Er sah seine Morgenzigarette schon vom weitem — in Gestalt eines hellblauen Wagens mit geöffnetem Sonnendach. Der Wagen kurvte leise aus der Schlange in die Einfahrt des Parkplatzes. Der Wächter winkte aufgeregt auf den Platz, den er freigehalten hatte.
Schon die Pünktlichkeit dieser Frau war erstaunlich. Sieben Minuten vor neun, an jedem Wochentag, schloß sie das Schiebedach ihres Wagens, stieg aus, nickte dem Wächter wortlos und ohne Lächeln zu, gab ihm fünfzig Francs und ging um die Madeleine herum und in den Boulevard Malesherbes davon.
Sie trug ein Jackenkleid aus Rohseide. Es saß, als habe ihr Schneider es ihr in liebevollster Arbeit auf die bloße Haut genäht. Sie hatte ganz helles braunes Haar, aber fast schwarze Augenbrauen, gestreckte flache Bogen, die strichfein auf die Schläfen zuliefen.
Ihre merkwürdigen hellen, ockerfarbenen Augen hielten jeden auf Distanz. Der lange Hals ließ ihre Kopfhaltung fast hochmütig erscheinen.
Sie nickte wie immer. Der Wächter verbeugte sich zweimal, aber sie schien das nicht zu bemerken. Er sah ihr bewundernd nach.
Sie mochte sehr reich sein. Vielleicht die Frau eines großen Geschäftsmannes. So etwas wie eine Fürstin ...
Den Fünfzigfrancschein steckte der Wächter nicht erst in die Tasche. Er lief ein paar Schritte in die Rue Tronchet, um sich wie jeden Tag im Tabac-Bureau seine schwarzen Gauloises dafür abzuholen.
*
Sie war nicht reich und erst recht keine Fürstin. Sie war Sekretärin.
Es amüsierte sie, ihren Wagen hier stehen zu lassen, um dann mit einem Umweg in die Rue de Rome zu Fuß zu gehen. Ihr Chef brauchte nicht zu wissen, daß sie einen eigenen Wagen fuhr.
An der Ecke zur Rue de Madrid drückte sie die Tür eines jener großbürgerlichen Pariser Häuser auf, in deren breiten Treppenhäusern es auch im Sommer kalt und auch in den Geschäftsstunden still bleibt.
Bless Dorlon verschmähte es, den Fahrstuhl erst herunterzurufen. Sie suchte den Schlüssel aus ihrer Handtasche, während sie in den ersten Stock hinauflief.
„Maitre Sourette“, mehr stand nicht auf dem großen Messingschild des Büros.
Wer Sourette besuchte, der wußte auch, wer er war.
Das erste, worauf ihr Blick fiel, als sie die Tür öffnete, war ein Mantel in der Garderobe. Sourettes grauer Gabardine-Mantel, darüber sein breitkrempiger schwarzer Hut.
Das war fatal. Bless hatte nicht damit rechnen können, daß Sourette heute schon zurückkam. Sie verhielt eine Sekunde, dann glitt sie ganz in das Entrée und schloß die Tür leise hinter sich.
Der geizige Sourette hatte die Lampe in der Garderobe wieder gelöscht, aber ein Lichtstreif, der sich kegelförmig verbreiterte, fiel auf dem braunen Teppich in den Raum. Er kam aus dem Vorzimmer, dessen Tür halb offen stand. Bless konnte auf ihren Arbeitstisch sehen. An diesem Tisch stand Sourette. Er zeigte ihr den Rücken, gekrümmt, er sah aus wie verwachsen. Der gedrungene Mann stützte sich mit geballten Fäusten auf die Tischplatte. Vor ihm lagen Papiere, auf die er herunterstarrte.
Bless schob sich etwas zur Seite. Zwischen dem Körper und dem leicht gewinkelten Arm Sourettes hindurch konnte sie auf das Blatt sehen. Kein Zweifel, er hatte ihre Notizen gefunden. Sie erkannte deutlich am rechten Rand des Blattes die roten Ziffern.
Bless Dorlon hatte mit peinlicher Genauigkeit Buch geführt über die Summen, die sie seit zwei Jahren aus Sourettes verschiedenen Geschäftskonten hatte verschwinden lassen. Sie brauchte diese Buchführung, um ihr scharf kalkuliertes Spiel weiterspielen zu können.
Maitre Sourette war der Jurist verschiedener Verbände und Organisationen. Er verwaltete auch Gelder für sie, die sie aufgespeichert hatten, wie eine Armee Granaten für den Kriegsfall aufspeichert. Es war für Bless nicht schwer gewesen, mit Intelligenz und Wachsamkeit das Geld immer dort angehäuft zur Verfügung zu halten, wo es demnächst gebraucht wurde. Sie erhielt alle Informationen dazu und beherrschte das geschäftspolitische Spiel der Verbände wie ein Jongleur seine fliegenden Untertassen. Es mußte schon so etwas wie ein Generalstreik passieren, um die von Maitre Sourette betreuten Verbände alle gleichzeitig nach ihren Kampfreserven greifen zu lassen — und das Spiel der Sekretärin zu zerstören.
Oder — Maitre Sourette mußte eines Montags überraschend in sein Büro kommen und die Notizen seiner Sekretärin finden. Er brauchte die roten Summen nicht einmal zusammenzuzählen. Sie hatte am Sonnabend gewissenhaft Bilanz gemacht. Es waren etwas über zehn Millionen Francs.
Sie hörte, wie der Mann schnaufte. Sein Atem ging schnell. Lautlos trat sie zurück und sah um sich. Auf einem brusthohen schwarzen Fuß, der aussah wie eine eingeschrumpfte Säule aus Griechenland, stand eine kleine Sandsteintänzerin. Der Staub, der jeden Abend von den Schultern des Steinmädchens gewischt wurde, hatte im Laufe der Jahre einen grauen Schleier über ihre verspielten Glieder gelegt, als ob eine so unverhüllte Lebensfreude hier nicht herpaßte.
Bless Dorlon sank in die Hocke und legte ihre Handtasche auf den Teppich. Die dünnen Handschuhe behielt sie an den Händen. Dann hob sie die Tänzerin von ihrem Sockel, drehte sie herum und faßte sie mit beiden Händen um Hals und Brust.
Maitre Sourette bewegte sich. Er raschelte mit den Blättern und murmelte vor sich hin.
Bless trat rasch in die Tür hinter seinen Rücken. Sie hob die kleine Tänzerin hoch in die Luft.
Sie hielt den Atem an und schlug mit aller Kraft zu.
*
Es war nicht leicht, das Schlüsselbund aus der Tasche des Toten zu ziehen, denn er lag auf der rechten Seite. Das glatte Gesicht der Sekretärin zeigte keine Veränderung, es war jetzt auch wie aus poliertem Sandstein. Sie mußte achtgeben, daß sie sich nicht beschmutzte.
Ruhig, aber