Der gestohlene Mord. Arno Alexander
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„Selbstverständlich“, sagte der Alte, „werde ich dabei das Geheimnis des Täters wahren. Mich interessiert nicht einmal, zu erfahren, wer es ist. Kannst du das machen?“
Der Druck der Bremsen hob sie ganz sanft in den Polstern an. Der Wagen hielt.
„Sind fünfzigtausend nicht etwas zu wenig bei diesem Auftrag?“ fragte Eric unverschämt. Wieder diese Aufwallung, der Griff zum Herzen.
„Also das Doppelte“, sagte Philippe wie unter Schmerzen.
„Und ich ...“
„Genug! Sag nichts mehr. Sag um Gottes willen kein Wort mehr!“
Philippe nahm seine Tasche und kletterte ins Freie, ohne seinen Sohn noch einmal anzusehen.
„Fahren Sie ihn zurück“, sagte er zum Fahrer. „Holen Sie mich in zwei Stunden.“
2. Kapitel
21 Uhr. Eric nahm aus der Tasche ein kleines Lederetui. Neun vielstrahlige winzige Goldsterne waren mit heißem Eisen dem grünen Saffian aufgepreßt. Es enthielt einen kleinen Schlüssel. Eric öffnete die Tür zur Wohnung von Bless Dorlon.
Sie liebte solche kultivierten Spielereien. Es lebte noch etwas vom Geschmack eleganter Damen aus Königszeiten in dieser Art, dem Liebhaber den Schlüssel zur eigenen Wohnung in einem solchen kunstvollen Futteral zur Verfügung zu stellen. Bless war nur ein paar hundert Jahre zu spät geboren. Sie wäre die Frau gewesen, mit Intelligenz, Gift und Liebe einen Thron ins Wanken zu bringen.
Sie begrüßte ihn nur mit einem flüchtigen Lächeln, beugte sich über eine kleine Bar und mischte vorsichtig einen eisgekühlten süßen Mokka mit reinem Weingeist zu einem Likör, den sie liebte, weil er ermunternd und betäubend zugleich wirkte.
Bless trug einen langen Rock aus weinrotem Samt, eine durchscheinende Bluse mit Pluderärmeln und viel Stickerei. In dieser Wohnung hätte man glauben können, die letzten zwei Jahrhunderte hätten nicht stattgefunden. Geschwungene zierliche Möbel mit blankem Lack und funkelnden Messingbeschlägen, das Kuriosum eines achteckigen Kristallspiegels, der ihr Bild verdoppelte. Fürstliche Embleme auf dem alten Teppich, der die Schritte verschluckte — wer weiß, welcher Marquis ihn in Lyon hatte weben lassen —, und aus dem Fenster der Blick über die alten Platanen des Jardin du Luxembourg auf die strenge Architektur des Palais’ gleichen Namens. Und dazu diese Frau mit dem roten Samtrock und dem Profil, das sie einer hellenischen Skulptur gestohlen hatte.
Sie legte ohne Kommentar einen Umschlag vor Eric auf den Tisch und ging zu ihrer Bar zurück.
„Ein Liebesbrief?“
„Sourettes letzte Grüße.“
„Fabelhaft!“ Er blätterte in dem Inhalt des Umschlags. Er enthielt nach oberflächlicher Schätzung eine halbe Million Francs. „Sourettes Nachlaß ist eine Wohltat.“
„Er wird sich schnell in einen Alptraum verwandeln. Die Sûreté weiß bereits, daß auf seinen Konten zwölf Millionen fehlen.“
„Formidable! So schnell arbeiten Polizisten?“
„Nein. Ich habe es ihnen gesagt.“
„Warum? War das nötig?“
„Ja.“
Sie brachte zwei Gläser mit reichem, feinem Schliff. Auch diese Gläser gehörten, wie alles hier, nicht Bless, sondern dem Inhaber der Wohnung. Diese Wohnung war mit all ihren geschmackvollen Kostbarkeiten nichts anderes als ein vermietbares Appartement in einer „Maison meublée“. Das war Paris. Paris war bereit, jedermann den kompletten Luxus der Pompadour, Voltaires oder Chateaubriands zur Verfügung zu stellen, stilrein bis zum Eierbecher — wenn dieser Jedermann nur bereit war, zu bezahlen. Bless bezahlte für diese drei Zimmer am Jardin du Luxembourg etwas mehr, als ihr Gehalt bei Sourette ausmachte.
„Ja, es war nötig. Als wissende Sekretärin hatte ich bei dem Kriminalkommissar sofort einen Stein im Brett. Ein reizender Mann übrigens. Breitschultrig, wortarm, raucht Pfeife.“
Eric war weder breitschultrig noch wortarm, und er verabscheute Pfeifenrauch. Bless hatte eine scheußliche Art, jemand zu verletzen; man wußte nie, ob sie es tückisch oder vielleicht nur ganz harmlos meinte.
„Ich habe ihm gesagt: wenn Sourette nicht ausgerechnet einen eingeschlagenen Hinterkopf hätte, würde ich an einen Selbstmord glauben. Wegen der zwölf Millionen nämlich, die sich in seinen Fingern in Rauch aufgelöst hatten.“
Sie goß das schwarzbraune, dickflüssige Getränk in die Gläser.
Eric kicherte.
„Wohl mehr in deinen und meinen Fingern, scheint mir.“ Sie überging das, wie man ein Wort eines ungezogenen Kindes überhört.
„Ich mußte dem Kommissar überhaupt eine Lektion über Verbandswirtschaft erteilen. Er fragte, wie es denn komme, daß Sourette die Gelder seiner Klienten verwaltete und sogar das Zeichnungsrecht hatte.“
„Offen gestanden, ich weiß es auch nicht.“
„Was weißt du denn schon überhaupt, mon Petit?“
„Ich weiß, daß du sehr feurig werden kannst, wenn erst einmal das Licht aus ist.“
„Die Wirtschaftsverbände pflegen sich für Kampfzeiten eine stille Reserve zu schaffen, von denen ihre eigenen Aufsichtsräte nichts wissen. Dieses Geld legt man dem Syndikus auf ein verschwiegenes Konto —“
„Wahnsinnig interessant“, sagte er und tat, als ob er gähnen müsse.
„Trink, Kleiner! Vielleicht regt das deinen Verstand an. Du wirst ihn brauchen.“
„Ich brauche ihn schon, um herauszubekommen, wo an deiner raffinierten Bluse die Knöpfe versteckt sind.“
„Versteckspielen nützt nichts, Eric. Die guten Zeiten sind vorbei.“
„Ja, ja, vorbei!“ Er trank und nickte trübselig. Maitre Sourette war tot. Sie hatten auf seine Kosten in der letzten Zeit nicht schlecht gelebt. Eric ging dieser Tatbestand bis jetzt nicht sehr nahe. Bless war eine ungemein kluge Frau. Er zweifelte nicht, daß sie einen neuen Weg finden würde, um zu Geld zu kommen. Darin hatte er recht. Er sah nur noch nicht, worin dieser Weg bestand, sonst hätte er die Sache etwas anders betrachtet.
„Bitte unterschreib die Quittung“, sagte sie sachlich.
„Du mit deinen komischen Quittungen!“ Er zog eine Grimasse, suchte in seiner Jacke einen Kugelschreiber und in dem Umschlag mit dem Geld eine Quittung, die er dann unterschrieb, mit Vor- und Nachnamen. Er hatte in den letzten Monaten eine beträchtliche Menge Geld von Bless bekommen; er hatte es nicht zusammengezählt und gab sich über die Summe keine Rechenschaft. Aber sie hatte ihn jedesmal eine Quittung unterschreiben lassen. Jedesmal maulte er von neuem, wenn er diese Quittung sah. Aber Bless war in diesem Punkt wie ein Stück Granit. Ohne Quittung kein Geld. Und er brauchte das Geld. Er hielt es für eine Marotte, daß sie sich Quittungen geben ließ. Er hatte nie darüber nachgedacht, was sie damit