Der gestohlene Mord. Arno Alexander
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Gehorsam löschte er sie. Es brannte nur noch eine entfernte Wandleuchte. Das lackierte Holz der Möbel wurde zu ungewissen Formen, in deren Glätte hier und da ein Lichtblitz sich spiegelte, und die Messingbeschläge blitzten in der Dunkelheit auf. Er setzte sich neben sie.
3. Kapitel
Dr. Maurice Ponti setzte zum vierten Male mit aller Kraft an, um den Halsknopf seines schneeweißen Sporthemdes zu schließen. Die Folge davon war, das er das Knöpfchen in der Hand hielt. Er präsentierte es auf flachem Handteller seiner Frau Mireille, die im gelbgesternten blauen Morgenrock am Frühstückstisch saß.
„Da! Zum Nachtisch.“
„Du Barbar!“
„Barbaren sind es, die Oberhemden so stärken, daß sie steif wie Sperrholz sind.“
Mireille lachte. Sie hatte eine ganz hohe, helle Stimme. Sie lief nach Nadel und Faden.
„Dafür nähe ich dir Hemd und Knopf am Hals fest.“ Sie war Südfranzösin, einen Kopf kleiner als ihr Mann, ihr schwarzes Haar flog im Gehen. Sie war rundlich, graziös und temperamentvoll, und alle Welt bestaunte das Paar, wo es gemeinsam auftrat: die zärtliche, charmante kleine Frau und den großen Mann mit den langen Schritten. Er war kaum vierzig und trotzdem weißhaarig, dazu stets kupferbraun gebrannt.
Mireille stellte sich auf die Zehenspitzen und nähte eifrig. Er versuchte, über ihren dunklen Kopf hinweg ein Stück Brot in den Mund zu bekommen.
„Daß du dich zum Frühstück niemals hinsetzen kannst!“
„Es kommt darauf an, fünf Minuten vor den Assistenten im Labor zu sein.“
„Man könnte etwas früher aufstehen.“
„Es kommt aber auch darauf an, morgens so lange wie möglich seine Frau in den Armen festzuhalten. Jedenfalls behauptet das eine Dame namens Mireille.“
„Beim nächsten Male heirate ich keinen Mann mit einem Beruf. Könntest du dich nicht pensionieren lassen?“
„Wenn du Lust hast, ab morgen von Gartengras zu leben, ginge das natürlich.“
Sie zog sich an ihn heran, als wolle sie ihn küssen, aber es war nur, um den Faden abzubeißen.
„Mußt du dazu aber solche Schlachten ausfechten wie gestern?“ fragte sie und legte den Kopf schief.
Er holte seine Krawatte und drehte ihr vor dem Spiegel den Rücken zu. Er war nach stürmischer Sitzung des Konzernvorstandes erst spät und erschöpft nach Hause gekommen.
„Man ist als Mann nicht dazu da, um im Garten Tomaten zu begießen. Wir haben eine Konjunktur, und ich möchte nicht erst etwas davon haben, wenn mir schon die letzten Zähne ausgefallen sind.“
„Ich weiß. Herr Doktor Ponti muß immer und überall der erste sein.“
„Zum Beispiel mußte er mit Gewalt die schönste Frau Frankreichs zur Frau haben.“
„Lügner“, sagte sie geschmeichelt.
„Und nun, da er sie hat, muß er auch etwas darstellen, um ihrer würdig zu sein.“
Er steckte noch ein Stück Brot in den Mund, nahm im Stehen einen Schluck Kaffee und zog die Jacke über.
„Ich denke nur manchmal, daß du dir gerade einen Mann wie Lavigne zum Feinde machen mußt —“
„Ich an deiner Stelle würde darüber nachdenken, ob Perlen oder Korallen besser zu deinen Ohren passen.“
„Maurice, diese Dinge fressen dich auf. Nicht dein Beruf als Chemiker, sondern diese Wirtschaftsprobleme, diese Verbandsintrigen, diese ganzen widerlichen Anfeindungen, diese — diese — ach, ich weiß nicht!“
„So ernst, Mireille?“
„Ja, so ernst.“
Er nahm sie bei den Schultern.
„Du täuschst dich, Mireille. Genauso wie viele andere Frauen. Sie denken, sie hätten mehr von ihrem Mann, wenn er öfter bei ihnen in der Küche säße. Das ist ein schwerer Irrtum. Ein Mann, der keine Feinde hat, ist auch in der Liebe nur ein Waschlappen.“
„Das sagst du.“
„Das weiß ich. Ein Boot muß aufs Wasser, sonst geht es entzwei. Und ein Mann muß sich streiten.“
„Du bist verrückt.“
„Es gibt nichts Unsympathischeres als einen Mann, der in jeder Hinsicht absolut normal ist. Du jedenfalls würdest ihn unausstehlich finden.“
„Dich finde ich auch unausstehlich.“
Sie bekräftigte diese Äußerung durch einen minutenlangen Kuß. —
Ponti fuhr seinen Wagen selbst schnell und sicher aus der Gegend des Arc, wo er wohnte, nach Courbevoie hinaus, wo das Werk der chemischen Fabrik Broussard und sein Versuchslabor lagen. Er zog den blütenweißen Kittel an und ging langsam, die Hände in den Taschen, zwischen den langen Tischen im Versuchssaal dahin, von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, wo zwei Dutzend Chemiker in Hunderten von Versuchen das gleiche Experiment mit einer winzigen Abweichung wiederholten — die Kärrner moderner Erfindungen. Pontis Gesicht war konzentriert, aufmerksam. Er sprach kaum, wenn die Chemiker über ihre Ergebnisse berichteten, aber er dankte jedem mit einem Wort.
Er stand noch zwischen den langen Reihen sich unendlich wiederholender Retorten und Schlangenkühler, als seine Sekretärin eine Dame im grauen Kostüm in den Saal führte. Die Sekretärin machte ein verwirrtes Gesicht, sie war verlegen. Es war ihr nicht gelungen, diese Besucherin zum Warten im Büro zu bewegen. Bless Dorlon hatte behauptet, eine gute Bekannte Dr. Pontis zu sein.
Ponti sah ihr entgegen, und seine Miene verfinsterte sich für einen Augenblick. Aber dann lächelte er und ging rasch auf sie zu.
„Eine Überraschung, Madame!“
„Ich bin nicht Madame, Monsieur Ponti.“
Er verzog den ohnehin etwas schiefen Mund. „Das wußte ich.“
„Dann ist es nicht gerade ein Kompliment, mich so zu nennen.“
„Im Gegenteil. Darf ich Sie auch weiter so nennen?“
„Warum?“
„Ihre Haltung ist die einer klugen, erfahrenen Frau, die — sagen wir — auch die Männer sehr gut kennt.“
„Wer sagt Ihnen, daß ich sie nicht auch als Mademoiselle kenne?“
Sie lachten, und er verließ den Saal und führte sie in sein Zimmer. Sie kannten sich, weil Ponti ein häufiger Besucher und Klient von Maitre Sourette gewesen war. Keiner seiner Besuche war ohne ein kleines Wortgefecht mit der Sekretärin abgelaufen. Sie hatten beide Freude daran.
„Ich hörte, daß Ihr Chef gestorben ist.“ Er deutete auf einen Sessel.