Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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hier beiseite lassen die Fabeleien jener Schriften, die man die Apokryphen nennt deshalb, weil ihre unbekannte Herkunft den Vätern nicht klar geworden ist, von denen die bindende Kraft der wahren Schriften in völlig sicherer und allbekannter Abfolge auf uns gelangt ist. Dagegen den Apokryphen wohnt keine kanonische Geltung inne wegen des vielen Falschen, das sich in ihnen neben manchem Wahren findet. Daß indes jener Enoch aus der siebenten Geschlechtsfolge von Adam ab einiges im Geiste Gottes geschrieben hat, läßt sich nicht in Abrede stellen, da der Apostel Judas in einem kanonischen Brief davon spricht[291] . Aber mit gutem Grund sind seine Aufzeichnungen nicht in den Schriftkanon aufgenommen, der im Tempel des Judenvolkes von der hohenpriesterlichen Abfolge sorgsam aufbewahrt wurde; sie mochten wegen ihres Alters für nicht einwandfrei hinsichtlich der Glaubwürdigkeit erachtet worden sein, und man konnte wohl nicht feststellen, ob es sich wirklich um seine Aufzeichnungen handle, da hierfür nicht das Zeugnis von Leuten eintrat, von denen sich hätte nachweisen lassen, daß sie sie in ununterbrochener Abfolge vorschriftsmäßig aufbewahrt hätten. Daher gelten die unter seinem Namen gehenden Berichte, die jene Fabeln von den Riesen enthalten, wonach sie nicht Menschen zu Vätern gehabt hätten, den Verständigen mit Recht nicht als von Enoch herrührend, wie ja auch sonst vieles unter dem Namen anderer Propheten und neueres Schrifttum unter dem Namen von Aposteln eingeführt wird von Häretikern, was alles nach sorgfältiger Prüfung als apokryphes Schrifttum ausgeschieden worden ist von kanonischer Geltung. Es ist also kein Zweifel, daß es nach den kanonischen Schriften der Juden und Christen viele Riesen gab vor der Sündflut und daß sie Bürger der erdgeborenen Menschengenossenschaft waren, daß aber Gottessöhne, Sprößlinge des Sethstammes dem Fleische nach, sich zu dieser Genossenschaft unter Preisgabe der Gerechtigkeit hinwendeten. Und es ist nicht auffallend, daß auch von ihnen Riesen abstammen konnten. Denn wenn auch nicht alle Leute damals Riesen waren, so gab es ihrer doch viel mehr, als nach der Sündflut in den späteren Zeiten. Sie zu schaffen gefiel dem Schöpfer deshalb, weil auch darin ein Hinweis lag, daß so wenig wie die Schönheit auch die Größe und Kraft des Leibes hohe Werte darstellen sollen für den Weisen, der vielmehr seine Glückseligkeit findet in den geistigen und unvergänglichen Gütern, die weit besser und sicherer und den Guten allein eigen, nicht ihnen mit den Bösen gemeinsam sind. Das stellt ein anderer Prophet klar heraus mit den Worten[292] : „Dort gab es Riesen, jene berühmten, die am Uranfang lebten, hohen Wuchses, kundig des Krieges. Nicht sie erwählte der Herr, noch gab er ihnen den Weg des Wissens; vielmehr gingen sie zugrunde, weil sie die Weisheit nicht besaßen, sie gingen unter ob ihrer Unbedachtsamkeit“.

      

       24. Über den Sinn der Stelle, worin der Herr von denen, die durch die Sündflut zugrunde gehen sollten, sagt: Und ihre Tage sollen sein hundertundzwanzig Jahre.

      

      Wenn aber Gott sprach[293] : „Und ihre Tage sollen sein hundertundzwanzig Jahre“, so ist das nicht so aufzufassen, als ob damit vorherverkündet wäre, daß in der Folge das Menschenleben nicht mehr hundertundzwanzig Jahre überschreiten sollte, da wir ja nach der Sündflut auch noch Lebensdauern selbst von mehr als fünfhundert Jahren vorfinden; vielmehr ist die Sache so zu verstehen, daß Gott dies gesprochen hat, als Noe am Ende von fünfhundert Lebensjahren stand oder genauer 480 Jahre alt war, wofür die Schrift nach ihrem Sprachgebrauch auch die runde Summe von 500 Jahren angibt[294] , da sie ja häufig das Ganze für den größten Teil setzt; und im 600. Jahre Noes, im zweiten Monat, fand die Sündflut statt[295] . Also bezieht sich die Vorhersage von 120 Jahren auf die Lebensfrist der dem Untergang geweihten Menschen, nach deren Ablauf sie durch die Sündflut vernichtet werden sollten. Und mit gutem Grunde nimmt man an, die Sündflut sei deshalb so angesetzt worden, weil sich da niemand mehr auf Erden fand, der nicht einen solchen Tod, wie er nun einmal als Strafe für Gottlose bestimmt war, verdient hätte. Nicht als ob für die Guten, die ja auch einmal sterben müssen, eine solche Todesart etwas in sich schlösse, was ihnen nach dem Tode schaden könnte, aber es ist eben doch keiner von denen, die in der Heiligen Schrift als Abkömmlinge Seths namhaft gemacht werden, durch die Sündflut ums Leben gekommen. Die Ursache der Sündflut aber wird von Seiten Gottes also angegeben[296] : „Da Gott der Herr sah, daß sich die Bosheiten der Menschen auf Erden vermehrten und jeglicher in seinem Herzen eifrig auf Böses sann Tag für Tag, da bedachte Gott, daß er den Menschen auf Erden erschaffen habe, und bedachte es wieder, und es sprach Gott: Vernichten will ich den Menschen, den ich erschaffen, vom Angesicht der Erde, angefangen vom Menschen bis zum vierfüßigen Getier und vom kriechenden Gewürm bis zu den Vögeln des Himmels, weil ich erzürnt bin, daß ich sie geschaffen habe“.

      

       25. Gottes Zorn bedeutet nicht ein Aufflammen, das seine unwandelbare Ruhe störte.

      

      Gottes Zorn ist nicht eine Erregung seines Gemütes, sondern das Gericht, durch das über die Sünde Strafe verhängt wird. Und wenn er etwas bedenkt und wieder bedenkt, so ist das die unwandelbare Vernunft in ihrem Verhältnis zu Dingen, die gewandelt werden sollen. Denn nicht wie der Mensch empfindet Gott Reue über irgendeine seiner Taten[297] ; vielmehr steht ihm das Urteil über alle und jegliche Dinge ebenso unwandelbar fest, wie sein Vorherwissen untrüglich ist. Würde jedoch die Schrift auf solche Ausdrucksweise verzichten, so könnte sie sich nicht so traulich einführen bei den Menschen aller Art, denen sie geholfen wissen will. So aber schreckt sie die Hochmütigen, spornt die Gleichgültigen, gibt den Suchenden Anregung, den in ihren Geist Eindringenden Nahrung. Das bringt sie nur zuwege, indem sie sich zunächst herabneigt und sozusagen heruntersteigt zu den Darniederliegenden. Wenn sie aber auch für alle Tiere auf Erden und in der Luft den Untergang ankündigt, so geschieht dies, um die Größe des bevorstehenden Unheils auszudrücken, nicht um den vernunftlosen Lebewesen mit Vernichtung zu drohen, als hätten auch sie gesündigt.

      

       26. Die Arche, die Noe zu machen befohlen ward, weist in jeder Hinsicht auf Christus und die Kirche hin.

      

      Wenn nunmehr aber dem Noe, einem gerechten und nach dem Ausspruch der stets wahren Schrift in seinem Geschlechte vollkommenen Menschen [vollkommen natürlich nicht in dem Sinne, wie es den Bürgern des Gottesstaates in der jenseitigen Unvergänglichkeit bestimmt ist, durch die sie den Engeln gleichkommen werden, sondern eben so, wie sie es während der irdischen Pilgerschaft sein können] von Gott aufgetragen ward, eine Arche zu machen, worin er mit den Seinigen, nämlich mit Gemahlin, Söhnen und Schwiegertöchtern, und mit den Tieren, die auf Gottes Befehl zu ihm in die Arche eingingen, gerettet werden sollte aus der alles verheerenden Sündflut, so ist diese Arche ohne Zweifel ein Vorbild für den hienieden in der Fremde pilgernden Gottesstaat, d. i. für die Kirche, die gerettet wird durch das Holz, an dem der Mittler zwischen Gott und den Menschen hing, der Mensch Christus Jesus[298] . Selbst die Maße der Länge, Höhe und Breite weisen auf den menschlichen Leib hin, wie denn der Mittler gemäß der Verheißung in einem wahren Leibe zu den Menschen kommen sollte und auch wirklich kam. Die Länge des menschlichen Leibes vom Scheitel bis zur Sohle beträgt nämlich das sechsfache der Breite von der einen Seite zur andern, und das zehnfache der Höhe, diese gemessen an der Seite vom Rücken zum Bauch. Man muß sich bei dieser Messung den Menschen am Boden liegend vorstellen, mit dem Gesicht oder mit dem Rücken nach oben gekehrt, so ist er vom Haupt bis zu den Füßen sechsmal so lang als eine Seite von rechts nach links oder von links nach rechts gemessen, und zehnmal so lang als vom Erdboden aus gerechnet hoch. Nach diesem Maß ward die Arche gemacht, und sie maß in der Länge 300 Ellen, in der Breite 50 und in der Höhe 30. Und der Eingang, den sie an der Seite erhielt, weist vollends hin auf die Wunde, da die Seite des Gekreuzigten mit einer Lanze durchbohrt ward; denn durch diesen Eingang gehen die, die zu ihm gelangen, sofern daraus die Sakramente entquollen sind, durch die die Gläubigen eingeführt werden. Und die viereckigen Hölzer, aus denen sie gefertigt

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