Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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Der Name Kain aber bedeutet soviel wie Besitz[246] ; weshalb auch bei seiner Geburt sein Vater oder seine Mutter sagte[247] : „Ich habe einen Menschen gewonnen durch Gott“. Und der Name Enoch bedeutet Einweihung; denn der Weltstaat wird geweiht mit seiner Gründung selbst, da er hienieden das von ihm ins Auge gefaßte und angestrebte Ziel hat. Seth dagegen heißt .Auferstehung, und Enos, sein Sohn, heißt soviel wie Mensch; aber anders als Adam. Denn auch der Name Adam wird mit Mensch übersetzt; jedoch in einem Sinne, der nach dem hebräischen Sprachgebrauch, wie sich zeigt, Mann und Weib zugleich umfaßt. Denn es heißt von diesem Namen[248] : „Mann und Weib schuf er sie, und segnete sie und nannte ihren Namen Adam“. Kein Zweifel daher, daß Adam, was Mensch heißt, der gemeinsame Name beider war, wenn schon Eva einen eigenen Namen erhielt. Enos dagegen heißt Mensch in einem Sinne, der die Einbeziehung des Weibes nach der Versicherung der Kenner der hebräischen Sprache ausschließt, und er heißt so als Sohn der Auferstehung, in der „man weder heiraten noch Weiber nehmen wird“[249] . Denn dort gibt es keine Geburt, da vielmehr die Wiedergeburt dorthin führt. Nicht gegenstandslos erscheint es mir daher, anzumerken, daß bei den Zeugungsreihen, die auf den Stammvater mit dem Namen Seth zurückgehen, keine der gezeugten Frauen mit Namen genannt wird, obwohl es ausdrücklich heißt, daß Söhne und Töchter gezeugt wurden; dagegen bei den Zeugungsreihen, die auf Kain zurückgehen, wird ganz am Schluß, soweit sie überhaupt reichen, als letzte Zeugung die eines Weibes aufgeführt. Es heißt nämlich[250] : „Mathusael zeugte den Lamech; und Lamech nahm sich zwei Frauen, die eine hieß Ada, die andere Sella, und Ada gebar den Jobel; der war der Vater der Zeltbewohner und Herdenbesitzer. Und der Name seines Bruders war Jobal; der war es, der das Harfen- und Zitherspiel lehrte. Sella aber ihrerseits gebar den Thobel; und er war Erzhämmerer, hämmerte Erz und Eisen. Die Schwester Thobels aber war Noemma“. Soweit sind die Zeugungsreihen aus Kain geführt; es sind ihrer insgesamt von Adam an, diesen mitgezählt, acht, sieben bis auf Lamech, der zweier Frauen Gatte war, und die achte Zeugungsreihe bilden Lamechs Kinder, darunter auch ein Weib genannt wird. Fein ist damit angedeutet, daß der Weltstaat bis an sein Ende fleischliche Geschlechtsfolgen haben wird, die hervorgehen aus der Vereinigung zwischen Mann und Weib. Darum werden auch von dem Manne, der hier zuletzt als Vater erscheint[251] , die beiden Frauen mit ihren Namen aufgeführt, was sonst vor der Sündflut nirgends außer bei Eva der Fall ist. Wie aber Kain, dessen Name Besitz bedeutet, der Gründer des Weltstaates, und der, auf dessen Namen er gegründet ward, Enoch, Kains Sohn, dessen Name Einweihung bedeutet, darauf hinweisen, daß der Weltstaat auf der Erde seinen Ursprung und sein Ziel habe und daß man in ihm nichts erhoffe über das hinaus, was man in dieser Welt schauen kann, so ist nun auch bei Seth, dessen Name Auferstehung bedeutet, darauf zu achten — denn er ist der Stammvater gesondert erwähnter Geschlechtsfolgen —, was diese heilige Geschichte von seinem Sohne berichtet.

      

       18. Die vorbildlichen Beziehungen, die von Abel, Seth und Enos auf Christus und seinen Leib, die Kirche, hindeuten.

      

      „Auch dem Seth“, heißt es[252] , „ward ein Sohn geboren, und er nannte seinen Namen Enos; dieser hoffte anzurufen den Namen Gottes des Herrn.“ Fürwahr, laut genug ertönt die Bezeugung der Wahrheit. In Hoffnung also lebt der Mensch[253] , Sohn der Auferstehung; in Hoffnung lebt während seiner irdischen Pilgerschaft der Gottesstaat, der gezeugt wird aus dem Glauben an die Auferstehung Christi. Denn durch diese beiden Menschen: Abel, dessen Name Trauer bedeutet, und seinen Bruder Seth, dessen Name Auferstehung bedeutet, wird vorgebildet der Tod Christi und sein Aufleben von den Toten. Und aus dem Glauben daran entsteht hienieden der Gottesstaat, d. i. der Mensch, der da hoffte anzurufen den Namen Gottes des Herrn. „Denn der Hoffnung nach sind wir erlöst worden“, sagt der Apostel[254] . „Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung. Denn was jemand sieht, wie hofft der noch darauf? Wenn wir aber hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es in Geduld.“ Wer greift da nicht mit Händen sozusagen, daß ein tiefes Geheimnis vorliegt? Hat Abel etwa nicht gehofft, den Namen Gottes des Herrn anzurufen, er, dessen Opfer nach dem Berichte der Schrift Gott so angenehm war? Hat nicht auch Seth gehofft, den Namen Gottes des Herrn anzurufen, da es doch über ihn heißt[255] : „Gott hat mir einen andern Samen erweckt an Stelle Abels“? Wenn also dem Enos das im besonderen zugeschrieben wird, was allen Frommen offenkundig gemeinsam ist, so geschieht dies wohl nur deshalb, weil in ihm, dem ersterwähnten Abkömmling des Stammvaters jener Zeugungsreihen, die in ihrer Sonderung den besseren Teil, den himmlischen Staat, darstellen, der Mensch, d. h. die Genossenschaft von Menschen, vorgebildet werden sollte, die nicht nach dem Menschen lebt im Taumel des greifbaren irdischen Glückes, sondern nach Gott in der Hoffnung auf ewiges Glück. Und es heißt nicht: „Dieser hoffte auf Gott den Herrn“, und auch nicht: „Dieser rief an den Namen Gottes des Herrn“, sondern: „«Dieser» hoffte anzurufen den Namen Gottes des Herrn“. Was will das sagen: „Er hoffte anzurufen“? Das klingt wie eine Weissagung, daß ein Volk erstehen werde, welches dank einer Gnadenwahl den Namen Gottes des Herrn anrufen würde. Es ist dasselbe, was der Apostel als Ausspruch eines andern Propheten über dieses Volk der göttlichen Gnade erkennt[256] : „Und es wird kommen: jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden“. Gerade indem es heißt: „Und er nannte seinen Namen Enos, was Mensch bedeutet“ und gleich darauf folgt: „Dieser hoffte anzurufen den Namen Gottes des Herrn“, ist deutlich gesagt, daß der Mensch nicht auf sich selbst seine Hoffnung setzen soll; denn „verflucht ist jeder [wie es an anderer Stelle heißt[257] ], der seine Hoffnung setzt auf den Menschen“, und also darf er sie auch nicht auf sich selbst setzen, will er Bürger sein in jenem andern Staate, der nicht nach dem Sohne Kains geweiht wird in dieser Zeit, d. i. in dem dahineilenden Verlauf dieser vergänglichen Welt, sondern in der jenseitigen Unsterblichkeit einer ewigen Glückseligkeit.

      

       19. Die Bedeutung der Hinwegnahme Enochs.

      

      Der von Seth als seinem Stammvater ausgehende Zweig hat nämlich ebenfalls einen Weihenamen, und zwar in der siebenten Geschlechtsfolge von Adam ab, diesen mitgezählt. Der siebente von Adam her ist Enoch, was Einweihung bedeutet. Aber gerade er ist jener Hinweggenommene, den Gott hinwegnahm, weil er ihm gefiel, und er steht in der Folge der Geschlechtsreihen an bedeutsamer Zählstelle, an der siebenten von Adam ab, eine Zahl, durch die der Sabbat seine Weihe erhielt. Dagegen von dem Stammvater aus gerechnet, der am Anfang dieser von der Nachkommenschaft Kains gesonderten Geschlechtsreihen steht, d. i. von Seth aus, ist Enoch der sechste; am sechsten Tag aber ward der Mensch erschaffen und vollendete Gott alle seine Werke. Durch die Hinwegnahme dieses Enoch nun ist vorgebildet der Aufschub unserer Einweihung. Sie ist zwar bereits eingetreten bei Christus unserm Haupte, der so auferstanden ist, daß er fürder nicht mehr stirbt; aber auch er ward hin weggenommen; dagegen steht noch erst bevor eine andere Weihe des gesamten Hauses, dessen Grundstein wiederum Christus ist, und sie wird verschoben auf das Ende, wann die Auferstehung aller jener stattfinden wird, die ferner nicht mehr sterben sollen. Ob man nun dabei von einem Hause Gottes oder einem Tempel Gottes oder einem Staate Gottes sprechen will, es ist immer dasselbe, und der lateinische Sprachgebrauch gestattet das eine wie das andere. Nennt doch Vergil[258] einen sehr weithin gebietenden Staat das Haus des Assaracus, womit er die Römer meint, die ihren Ursprung ableiten von Assaracus über die Trojaner her; und ebenso nennt er sie das Haus des Äneas, weil unter seiner Führung die Trojaner nach Italien kamen, wo sie Rom gründeten. Der Ausdrucksweise der heiligen Schriften schloß sich hierin jener Dichter an; dort wird das schon mächtig herangewachsene Volk der Juden das Haus Jakobs genannt.

      

       20. Der Unterschied in der Zahl der Geschlechtsfolgen, wonach Kains Nachkommenschaft in acht Zeugungsreihen von Adam ab ihr Ende erreicht, während Noe bei dem andern Zweig von demselben Stammvater Adam ab der zehnten Zeugungsreihe angehört.

      

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