Das Ende des Wachstums. Richard Heinberg

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Das Ende des Wachstums - Richard Heinberg

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sie haben inzwischen Pläne entwickelt, die sich als hilfreich bei der Anpassung der Gesellschaft erweisen könnten.

      Wir können die grundlegenden Faktoren, die bestimmen werden, was nach der Wachstumswirtschaft kommt, identifizieren. Damit Gesellschaften überleben und über lange Zeit gedeihen können, müssen sie mit dem vorhandenen Angebot des Planeten an nachhaltig nutzbaren Ressourcen auskommen. Das bedeutet, selbst wenn wir nicht im Detail wissen, wie eine wünschenswerte Wirtschaft und Lebensweise in der Nach-Wachstums-Ära aussehen werden, wissen wir genug, um ohne Verzug darauf hinarbeiten zu können.

      Wir müssen herausfinden, wie das Leben in einer nichtwachsenden Wirtschaft erfüllend, interessant und sicher sein kann. Das Fehlen von Wachstum bedeutet nicht automatisch, daß sich nichts mehr ändern oder verbessern läßt. In einer nichtwachsenden oder im Gleichgewicht befindlichen Wirtschaft kann es immer noch eine kontinuierliche Weiterentwicklung praktischer Fertigkeiten, des künstlerischen Ausdrucks und bestimmter Arten von Technologien geben. Tatsächlich sagen manche Historiker und Sozialwissenschaftler, das Leben in einer Gleichgewichtsökonomie könne besser sein als das Leben in einer rasch wachsenden Wirtschaft: Zwar schafft das Wachstum Chancen für einige Menschen, aber es verstärkt auch die Konkurrenz – es gibt große Gewinner und große Verlierer, und die Qualität der Beziehungen innerhalb einer Gemeinschaft kann dadurch leiden (wie in den meisten boomenden Städten). In einer nichtwachsenden Volkswirtschaft ist es möglich, die positiven Wirkungen zu maximieren und die negativen zu reduzieren, aber das verlangt, daß die richtigen Ziele verfolgt werden: Statt mehr zu wollen, müssen wir Besseres wollen; statt wirtschaftliche Betätigung um ihrer selbst willen zu propagieren, müssen wir die wirtschaftliche Betätigung fördern, die die Lebensqualität erhöht, ohne den Konsum anzuheizen. Ein Weg dahin ist, das Wachstum an sich neu zu erfinden und neu zu definieren.

      Der Übergang zu einer Wirtschaft ohne Wachstum (oder einer, in der Wachstum grundsätzlich anders definiert wird) ist unvermeidlich, aber er wird viel besser verlaufen, wenn wir ihn planen, statt daß wir nur mutlos zusehen, wie Institutionen versagen, auf die wir uns seit langem verlassen, und dann versuchen, ohne diese Institutionen eine Überlebensstrategie zu improvisieren.

      Wir müssen eine wünschenswerte »neue Normalität« schaffen, die den Einschränkungen Rechnung trägt, die uns die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen auferlegt. An der »alten Normalität« festzuhalten ist keine Alternative; wenn wir nicht neue Ziele finden und unseren Übergang von einer wachstumsbasierten Wirtschaft zu einer gesunden Gleichgewichtsökonomie planen, werden wir mit einer sehr viel weniger wünschenswerten »neuen Normalität« dastehen. Tatsächlich erkennen wir ihre Umrisse bereits in Form anhaltend hoher Arbeitslosigkeit, einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und immer häufigeren und schlimmeren Umweltkrisen – all das bringt viele Belastungen quer durch die Gesellschaft.

      Eine Anleitung für dieses Buch

      Am Anfang dieses Buches stand eine plötzliche Erkenntnis am Morgen des 16. September 2008 (dem Tag nach der Pleite von Lehman Brothers). Ich saß in einer Konferenz von rund 40 Leitern und Geldgebern von Nonprofit-Organisationen und hörte zu, wie ein ehemaliger Geschäftsführer von JP Morgan erklärte, was Derivate sind und warum die Finanzwelt sich gerade in diesem Augenblick aufzulösen schien. Einer der Geldgeber nahm einen Anruf auf seinem Handy entgegen, und danach flüsterte er: »Ich habe gerade 40 Millionen Dollar verloren.« Mir ging durch den Kopf: Wir erleben den Anfang vom Ende des Wirtschaftswachstums. Ich wußte, daß das Ende unvermeidlich war, aber nun wirkten Ereignisse in der Finanzwelt mit ökologischen Grenzen zusammen, und das beschleunigte und verstärkte die Entwicklung sehr viel mehr, als irgend jemand vorausgeahnt hätte.

      Dieser Gedanke wäre mir nicht gekommen, wenn ich nicht darauf vorbereitet gewesen wäre – weil ich vor Jahrzehnten Die Grenzen des Wachstums gelesen hatte, aber vorbereitet auch durch die allmähliche Erschöpfung der Ressourcen in den Jahren danach. Der Gedanke setzte sich fest, und in den folgenden Monaten drehte und wendete ich ihn und prüfte, ob er vernünftig, verfrüht oder schlichtweg falsch war.

      Ich diskutierte darüber mit Ökonomen, Unternehmensberatern, Energieexperten und auf Ressourcen spezialisierten Analysten. Ich las viele Stunden über Wirtschaftsgeschichte und die Ursachen der sich entfaltenden Finanzkatastrophe. Ich sprach mit meinen Kollegen beim Post Carbon Institute und fragte sie: Selbst wenn es stimmt – daß die Welt aus der Möglichkeit weiteren Wachstums »herausgewachsen« ist –, sollte man diese Botschaft dann der Welt verkünden, oder sollte ich lieber weiter über Energie- und Ressourcenthemen schreiben? Mitte 2010 wurde schließlich klar (aus Gründen, auf die ich in Kapitel 7 näher eingehen werde), daß die Geschichte vom Ende des Wachstums erzählt werden mußte.

      Die Erkenntnis, daß das Wachstum sein Ende erreicht haben dürfte, wirft viele Fragen auf. Werden die finanziellen Auswirkungen inflationär oder deflationär sein? Werden manche Länder besser damit zurechtkommen als andere, was zu protektionistischen Handelskriegen führen könnte? Wird die »Verschlankung« der Wirtschaft auch zu einer »Verschlankung« der menschlichen Spezies führen? Wie schnell wird das gehen? Wie können wir uns schützen und anpassen?

      Das sind nur einige der Themen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden.

      Kapitel 1 ist eine kurze Geschichte der Volkswirtschaften und der Wirtschaftswissenschaften. Lesern, die sich in diesen Themen auskennen, mag das sehr verkürzend erscheinen. Das liegt nicht daran, daß mir die Ausbildung als Wirtschaftswissenschaftler oder Historiker fehlt (obwohl das tatsächlich der Fall ist), sondern daß ich hier nur den Kontext skizzieren will. Die weiteren Kapitel setzen ein Grundverständnis voraus, wie und warum Volkswirtschaften auf Wachstum bauen und warum die meisten Theorien des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams ökologische Grenzen ausblenden.

      In Kapitel 2 sehen wir, warum Wirtschaftswachstum aus Gründen, die in den Währungs- und Finanzsystemen der Welt verankert sind, ins Straucheln geraten ist. Vor allem werden wir untersuchen, ob es praktische Grenzen der Verschuldung gibt und ob wir sie womöglich erreicht haben. Dieses Kapitel enthält auch eine kurze Geschichte der gegenwärtigen weltweiten Wirtschaftskrise und der Bemühungen von Regierungen und Zentralbanken, das Chaos in den Griff zu bekommen.

      In Kapitel 3 untersuchen wir, welche externen Faktoren verhindern, daß die Wirtschaft sich erholen und wieder wachsen kann – dazu zählen unter anderem die Erschöpfung der fossilen Brennstoffe, der Minerale und anderer natürlicher Ressourcen sowie immer schlimmere Naturkatastrophen und industrielle Zusammenbrüche.

      Viele Leser werden einwenden, Grenzen bei Energieressourcen und Mineralen könnten durch Effizienz und Substitution überwunden werden, so daß künftiges Wirtschaftswachstum möglich sei. In Kapitel 4 gehen wir auf diese Argumente ein und zeigen, warum die wirtschaftlichen Strategien, mit denen wir im 20. Jahrhundert auf Expansionskurs bleiben konnten, ihre Wirksamkeit verlieren.

      Kapitel 5 erforscht, wie sich der Rückgang des weltweiten Wirtschaftswachstums mutmaßlich in der Demographie, bei der internationalen Entwicklung, in Währungskriegen und geopolitischen Rivalitäten manifestieren wird. In diesem Kapitel behandeln wir auch Chinas anhaltend hohe Wachstumsraten und untersuchen ausführlich die Frage: Kann das langfristig so bleiben?

      In Kapitel 6

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