Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain. Alex Lépic

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Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain - Alex Lépic Red Eye

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      Der Wettbewerb um das beste Baguette der Stadt fiel Lacroix erst in dieser Sekunde wieder ein. Doch als er den Toten da liegen sah, dachte Lacroix einmal mehr, dass nichts so alt war wie die Zeitung vom Vortag.

      »Ich darf nichts mehr über bekannte Persönlichkeiten unserer Stadt lesen. Fünf Minuten später ruft immer ihr an, weil die Person abscheulich um die Ecke gebracht wurde. Ich hoffe, Le Parisien schreibt nie über mich.« Obert lachte laut auf.

      »Ein schneller Blick«, bemerkte Lacroix trocken.

      »Ich bitte Sie, Commissaire, wir sind doch keine Anfänger, wir beiden. Den besten Bäcker der Stadt erkenne ich natürlich sofort, und auch von hinten. Und um zu rekonstruieren, was passiert ist, braucht es in diesem Fall auch nicht viel. Aber wo ich schon mal hier bin, schaue ich ihn mir natürlich an.«

      Der Gerichtsmediziner holte Plastikhandschuhe aus seiner Manteltasche, zog sie an und bückte sich über die Leiche.

      »Ei, ei, ei, ein ziemlich heftiger Schlag war das. Und ja: einer. Nicht zwei oder drei. Würde ich jetzt zumindest sagen.«

      Er griff nach dem Holzschieber, mit dem die Brote aus dem Ofen geholt wurden, die hellen pain de mie oder die dunklen krossen Landbrote.

      »Sieht ganz danach aus, als hätten wir hier auch gleich die Tatwaffe, aber ich muss mir das natürlich im Institut alles noch mal genauer anschauen.«

      »Können Sie mir sagen, wie lange er schon tot ist?«

      »Mal sehen … Kann ich ihn umdrehen? Wurden schon Fotos gemacht?«

      Rio nickte.

      Der Leiter des Institut médico-légal legte den Toten vorsichtig auf den Rücken. Mochte er auch noch so viel scherzen, mit seinen Klienten ging er stets sorgsam um.

      Lacroix hatte schon viel über den Bäcker gelesen, ihn manches Mal in der Backstube gesehen. Doch nun, als er hier vor ihm lag, ging es ihm wie stets, wenn er einen Toten sah. Er war erschrocken, wie leer so ein Gesicht wirkte, wenn das Leben aus einem Menschen verschwunden war, auch wenn Maurice Lefèvres Züge sanft und gleichmütig waren. Lacroix konnte sich nicht erinnern, einmal mit dem boulanger gesprochen zu haben, was er nun bedauerte. Lefèvres Augen standen offen. Docteur Obert wartete nicht erneut auf den Fotografen, sondern schloss sie mit zwei Fingern.

      »Ich kann den Todeszeitpunkt nicht genau bestimmen. Aber es sind wohl eher sechs Stunden vergangen als zwei. Ich sehe auf den ersten Blick keine weiteren Verletzungen, aber wie gesagt: Ich melde mich.« Mit diesen Worten erhob er sich. »Ihnen allen«, er nickte in die Runde, »einen guten Tag. Meine Leute kommen in 20 Minuten, um ihn abzuholen. Es ist derzeit recht ruhig im Institut, Commissaire. Kommen Sie doch morgen vorbei, dann sollte ich mehr wissen.«

      Er verabschiedete sich formvollendet, dann schlenderte Docteur Obert so lässig hinaus, wie er fünf Minuten vorher hereingekommen war.

      Lacroix sah sich in der Backstube um, betrachtete die sauberen Arbeitsflächen, die Rühr- und Knetmaschine. Alles hier sah nach echter Handarbeit aus. Dann stutzte er.

      »Habe ich auch schon gesehen«, sagte Rio, die seinem Blick gefolgt war. »Vielleicht war der Gasmann doch nicht der Grund, warum er trotz Ruhetag hier war.«

      »Oder nicht ausschließlich«, sagte Lacroix und näherte sich der kleinen Ecke hinter den Arbeitsflächen, in der ein breiter Ohrensessel stand, daneben ein winziges Tischchen, auf dem ein alter Wälzer lag. Gedichte von Rimbaud, Gesamtausgabe. Daneben stand eine offene Cognacflasche, in einem Glas nur noch eine wässrige Lache.

      Der Commissaire besah sich die Flasche und pfiff leise durch die Zähne. Er kannte sich nicht sonderlich gut aus, aber dass sich der Bäckermeister zur Lektüre eine Flasche Hennessy No. 1 schmecken ließ, war nun doch außergewöhnlich. Wenn überhaupt, war dieser Cognac nur für echte Glücksritter zu bekommen, so selten gab es ihn zu erwerben, und dazu kostete eine Flasche in etwa so viel wie ein mittelalter Gebrauchtwagen.

      Lacroix beugte sich herab und roch am Glas. Cognac, ganz sicher.

      »Ich möchte …«, begann er, doch als er sich zu ihr umdrehte, sah er, dass Rio bereits angefangen hatte, die Ecke aus allen Perspektiven zu fotografieren. »Gut, Sie wissen Bescheid. Wann kommt Madame Lefèvre?«

      »Sie müsste jeden Moment hier sein«, sagte Paganelli, der von Rio ins Bild gesetzt worden war.

      Am Ende der Backstube war eine Tür, in die ein vergittertes Fenster eingelassen war. Lacroix öffnete sie und trat in den kleinen Hinterhof. Nach oben waren es vier Etagen, der Geruch von Hefe lag schwer in der kalten Luft. So ordentlich und geschrubbt die Backstube und der Verkaufsraum waren, so heruntergekommen war der Hof. Zwischen unzähligen Zigarettenkippen erkannte der Commissaire Rattenkot.

      Der Mann von Gaz de France, ein kleiner dicker Mittfünfziger in einem blauen Overall, saß auf einer niedrigen Mauer und zündete sich eine Zigarette an. Er blickte auf und sah den Commissaire aus blutunterlaufenen Augen an.

      »So was wünscht sich keiner, das sag ich Ihnen aber«, sagte er und klang, als sei er es gewesen, der dem Cognac zugesprochen hatte. »Ich habe schon einiges gesehen«, fuhr der Mann fort. »Einmal habe ich eine alte Frau gefunden, die schon ein paar Wochen hinter ihrer Tür gelegen hatte. Der Hausmeister hatte mir den Schlüssel gegeben. Aber das hier …«, er stockte, »das hat mich echt umgehauen. Wie der da lag … Mir war gleich klar, dass der nicht mehr ist.«

      »Wann waren Sie hier?«

      »Um Punkt acht. Ich halte meine Termine ein.«

      »Vorn war abgeschlossen?«

      Der Mann nickte. »Ja, ich bin mit dem Türcode rein. Ich hatte ja Termine in allen Wohnungen, wollte aber zuerst zu Monsieur Lefèvre. Ich habe erst an der Hintertür geklopft, dann habe ich durch das Fenster gesehen und dachte, mich trifft der Schlag. Das war …«

      »Kannten Sie Monsieur Lefèvre?«

      Wieder nickte der Gasmann. »Ein ganz feiner Kerl. Ein echter Handwerker. Gibt’s ja beinahe nicht mehr, heute, wo die Algerier denken, sie könnten französisches Brot backen. Können Sie vergessen, den Mist. Die Kruste der Baguettes vom alten Lefèvre, die war einmalig. Nein, der war ein Mann von echtem Schrot und Korn. Mir hat er immer ein tradi geschenkt. Der wusste, wer ein echter Kollege war. Wir Handwerker halten zusammen.« Er hielt einen Moment inne. »Ist wirklich schade um ihn, so ein feiner Mann.«

      »Haben Sie jemanden gesehen? Im Laden oder im Hof?«

      »Niemanden«, sagte der Gasmann kopfschüttelnd.

      »Gut«, sagte Lacroix und hob den Kopf, um die Etagen zu taxieren. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann melden Sie sich bitte im Kommissariat im Fünften. Einen guten Tag.«

      Er wollte zurück in die Backstube gehen, doch etwas hielt ihn auf. Er drehte sich noch mal um.

      »Wie lange kennen Sie Monsieur Lefèvre schon?«

      Der Mann richtete sich auf. »Ich betreue diesen Bezirk seit 25 Jahren. So lange kenne ich auch Monsieur Lefèvre. Es war die Zeit, als er den Laden von seinem Vater übernommen hat.«

      »Wissen Sie, ob er Probleme hatte? Feinde?«

      »Commissaire, ich bin zweimal im Jahr für eine halbe Stunde

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