Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain. Alex Lépic

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Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain - Alex Lépic Red Eye

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wäre sehr freundlich. Hören Sie, Madame Lefèvre, wir haben Ihren Mann eindeutig identifiziert, deshalb ist es nicht nötig, dass Sie das tun. Aber wenn Sie ihn noch mal sehen und sich verabschieden möchten, ist das natürlich möglich. Wir haben ihn ins Institut der Gerichtsmedizin am Quai de la Rapée gebracht. Er ist … nun ja, man hat ihn mit großer Wucht erschlagen, und das führt mich zu der Annahme, dass es einen Streit gegeben hat. Der Täter muss sehr wütend gewesen sein. Oft ist es im ersten Schock schwierig, aber wenn Ihnen noch jemand einfällt, an den Sie jetzt noch nicht gedacht haben, bitte ich Sie, mich sofort anzurufen.«

      »Natürlich, Commissaire.«

      »Werden Sie den Laden nun erst mal schließen?«

      Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn Sie mit Ihrer Arbeit fertig sind, öffnen wir wieder. Die Pariser sollen ihr bestes Baguette bekommen, Maurice hätte es nicht anders gewollt.«

      4

      Die Pfeife glühte den ganzen Weg über hellrot. Lacroix hatte einen Umweg genommen, um Zeit zu schinden. Er war noch einmal auf den Boulevard gegangen, hatte sich nach links gewandt, war in die große Kirche Saint-Germain-des-Prés gegangen und hatte sich auf einen der wackligen Holzstühle gesetzt. Die Abtei war düster und ruhig gewesen, nur erhellt vom flackernden Licht der Kerzen. Ein majestätisches Schiff, in dem er sich beschützt fühlte. Nach einer Weile war er wieder hinausgegangen, zurück in die schmalen Gassen.

      Saint-Germain war eines der bekanntesten Quartiere von Paris. Heimat der Dichter und Denker. Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir hatten im Café de Flore und im Deux-Magots geschrieben, hier war das Institut de France mit all den Akademien der Kunst und Wissenschaft. Wohnungen in den feinen Stadthäusern waren unerschwinglich geworden, tagtäglich schoben sich Tausende Touristen durch die Straßen. Doch Saint-Germain war eben auch nur eines der vielen Dörfer, aus denen Paris bestand. Ein Quartier inmitten dieser riesigen Stadt, in dem immer noch alte Pariser wohnten, die seit Generationen Wohnungen mit Bestandsschutz hatten. Die seit Jahrzehnten zu demselben Bäcker gingen, zu demselben Fleischer, zu demselben Kiosk auf dem Boulevard. Ein Ort zum Leben. Und nun war einer aus ihrer Mitte tot.

      Die Place de Furstenberg, der hübsche kleine Platz mit den Trompetenbäumen und der alten Laterne in der Mitte, lag still da. An Orten wie diesen fühlte sich Lacroix wie in einem Dorf. Der Boulevard war ganz nah, und dennoch war hier nichts vom Verkehr, von dem Hupen und Brummen der Busse zu hören. Ein magischer Platz. Vor dem Schaufenster eines teuren Einrichtungsladens blieb er stehen. Dominique wünschte sich seit Langem neue Vorhänge für die Fenster zur Rue Cler.

      Die letzten Meter bis zum Chai schlich er beinahe, weil er noch nicht fertig war, sich all die Bilder einzuprägen. Doch dann siegten die Kälte und der Hunger, und er beschleunigte seine Schritte, öffnete die Tür und ließ seinen Blick durch das volle Bistro schweifen, nahm nur vage die eng nebeneinanderstehenden Holztische und die rotbespannten Lederbänke wahr, die goldenen Verzierungen und Handläufe, die Fenster hinaus zur Rue de Buci. Sofort stellte sich ein Gefühl der Entspannung ein.

      »Bonjour, mon Commissaire«, rief Yvonne hinter der Theke, während sie sich umdrehte, um die Kaffeemaschine zu bedienen.

      Lacroix trat näher und blickte über den Tresen. Kaum dass er den Stammgast seines Frauchens sah, raste Idefix um die Theke herum. Der braune Yorkshire suchte sich ganz genau aus, von wem er gestreichelt werden wollte. Der Commissaire würde viel dafür geben, mehr Kollegen zu haben, die so viel Instinkt hatten wie dieses kleine Fellknäuel.

      »Ist noch niemand hier?«, fragte er, während er sich hinabbeugte, um den Hund zu streicheln.

      »Bin ich etwa niemand?«, fragte Yvonne in gespielter Entrüstung. »Alain war eben da, aber er musste rüber, um eine Lieferung anzunehmen.«

      Der alte Gemüsehändler führte zusammen mit seinem Sohn den Laden gegenüber. Er war ein Mitglied der Troika, die sich allmorgendlich und, wenn es die Zeit zuließ, auch zum déjeuner im Chai traf. Lacroix und sein Bruder Pierre-Richard waren die beiden anderen Mitglieder. Eigentlich hätte die Troika eine Quadriga sein müssen, denn auch Yvonne Abeille, die Wirtin des altehrwürdigen Chai de l’Abbaye, war immer in ihrer Mitte.

      »Und Pierre hat Mittagsandacht«, ergänzte Lacroix mit einem Blick auf die große Uhr über der Bar. Er konnte sich kaum an die Zeit erinnern, als sein Zwillingsbruder noch nicht Pfarrer der altehrwürdigen Basilique Saint-Clotilde in der Rue las Cases im noblen siebten Arrondissement gewesen war.

      »Wonach steht dir der Sinn?«

      »Bei der Kälte will ich etwas Rustikales – wie wäre es mit der Sabodet Lyonnais

      »Eine gute Wahl. Dazu?« Sie zeigte auf den Zapfhahn, Lacroix nickte.

      Yvonne nahm eines der kleinen Gläser und ließ das Meteor aus dem Elsass hineinlaufen. Keine Nachfrage, sie wusste, dass er stets nur kleine Gläser Bier trank, weil sie kälter, frischer, schmackhafter waren als die großen, die so schnell schal wurden.

      »Mon cœur«, rief sie in die Küche zu ihrem Mann, der am Herd stand, »machst du unserem Commissaire die Lyoneser Würste?«

      Sie stellte das Bier vor Lacroix, der in einem Schluck das halbe Glas austrank. Yvonne beobachtete ihn.

      »Sorgenfalten auf der Stirn und sehr viel Durst. Was ist los?«

      »Ein Tag, der mit einer Leiche begonnen hat, ist selten ein guter Tag«, sagte Lacroix.

      Sie fragte nicht nach, ließ ihn zuerst das Bier austrinken und begann bereits, ein neues zu zapfen, als er fortfuhr:

      »Maurice Lefèvre wurde erschlagen.«

      Er musste nichts weiter sagen, sie hob sofort den Blick und sah ihn entgeistert an.

      »Der Bäcker?«

      »Du kennst ihn?« Die Frage war rein rhetorisch. Yvonne kannte jeden, der irgendwie typisch für Paris war und länger als ein Jahrzehnt in der Stadt wohnte.

      »Ich habe mein Brot bei ihm bezogen, Baguettes und Croissants. Das dunkle Brot hole ich ja in der Rue du Cherche-Midi, wie du weißt.«

      Lacroix liebte das Landbrot mit der dunklen Kruste von der Bäckerei Poilâne.

      »Was war er für ein Mensch?«

      »Ich habe mehr mit seiner Frau zu tun gehabt. Sie macht die Auslieferungen und war zehn Jahre lang jeden Morgen pünktlich hier. Das kenne ich von anderen Lieferanten auch ganz anders. Ihn habe ich vielleicht zwei-, dreimal im Jahr gesehen, wenn er mir neue Produkte vorgestellt hat. Ein feiner Mann, wie besessen von seinem Beruf. Stets freundlich und ein wenig in sich gekehrt. Du weißt, das mag ich. Mein liebster Koch«, sie wies mit dem Kopf in Richtung Küche, »ist ja auch so.«

      »Du sagst, du hast dein Brot bei ihm bezogen. Heute also nicht mehr?«

      »Deshalb bist du der beste Commissaire von Paris. Dir entgeht einfach nichts.« Yvonne hantierte mit Flaschen und Gläsern, während sie weitererzählte. »Im letzten Mai habe ich zu einer Bäckerei hier in der Nachbarschaft gewechselt, in der Rue l’Echaudé. Ich war überzeugt von Lefèvres Baguette – bis zu dem Zeitpunkt, als die ganze Stadt davon überzeugt war. Ich war natürlich zuerst stolz, die Qualität seines Brotes als eine der Ersten erkannt zu haben. Doch nach der Prämierung ließ die Qualität nach. Der Preis stieg um zehn Cent, dafür wurden die Brote kleiner, und irgendwas stimmte nicht mehr mit

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