Aus den Akten der Agence O. Georges Simenon

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Aus den Akten der Agence O - Georges  Simenon Red Eye

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Bescheidenheit einherging.

      »Sie sind jung …«, fährt er fort.

      »Und was ist mit Ihnen?«

      »Ich? Wenn Sie wüssten! Wie auch immer. Sie haben sich den härtesten Beruf ausgesucht, der zwar oberflächlich betrachtet die größten Dividenden abwirft, ganz sicher sogar, wenn man an den Wert der Juwelen denkt. Aber welches Risiko Sie dabei eingehen! Und abgesehen davon, was bekommt man schon für gestohlenen Schmuck, selbst bei den ehrlichsten Hehlern – wenn man sie so nennen kann? Es ist so ein harter Beruf, dass sich nur sehr wenige der seltenen Spezialisten darauf einlassen, und die Polizei kennt ihre Arbeitsweisen …«

      »Wollen Sie damit sagen, dass der Einbruch gestern Nacht …«

      »Der von gestern Nacht und die zwölf anderen, die ihm in den letzten Monaten hier in Paris vorangegangen sind … Also, bis vor ein paar Tagen hätte ich schwören können, es wäre das Werk von Glatzenteddy … Barkeeper! Noch mal das Gleiche, bitte!«

      »Warum sagen Sie, dass Sie’s bis vor ein paar Tagen hätten schwören können?«

      »Weil ich … Nein, entschuldigen Sie, weil mein Chef, Monsieur Torrence, der auf seine eigene Art ein sehr außergewöhnlicher Mann ist, so klug war, mit der New Yorker Polizei Kontakt aufzunehmen, und dabei herausgefunden hat, dass Glatzenteddy immer noch im Gefängnis sitzt. Die Nachricht hat uns erst gestern erreicht, aber es besteht kein Zweifel.«

      »Haben Sie irgendeinen Beweis, dass ich nicht Glatzenteddy bin, oder seine Komplizin?«, spöttelt sie.

      »Glatzenteddy, mein kleines Kind …«

      »Vorher haben Sie mich Ihre ›kleine Dame‹ genannt.«

      »Ja, und es könnte vorkommen, dass ich Sie einfach nur ›Kleines‹ nenne! Und jetzt trinken Sie aus. Was ich sagen wollte, Glatzenteddy hat nie mit Komplizen zusammengearbeitet, weder männlich noch weiblich. Die wenigen erfolgreichen Juwelendiebe – diejenigen, die man als internationale Größen bezeichnen kann – haben immer alleine gearbeitet. Aber Glatzenteddy hat es mit dieser Regel bis zur Perfektion getrieben.«

      Sie lacht eisig.

      »Sie klingen wie ein Lehrer …«

      »Wie ein Dorfschullehrer, stimmt’s?«

      Manchmal ist sie sich nicht mehr ganz sicher. Er hat so eine komische Mischung aus Demut und Stolz an sich, aus Autorität und Bescheidenheit. Und sein Blick …

      »Was glauben Sie«, fragt er, »ist der gefährlichste Zeitpunkt für einen Juwelendieb?«

      »Sie scheinen mehr darüber zu wissen als ich.«

      »Wenn er den Schmuck verkauft. Alle wertvollen Juwelen haben eine Identität, eine Bezeichnung, mit der man sie, wohin auch immer, nachverfolgen kann. Deshalb hat sich Glatzenteddy auch nie mit Kleinkram abgegeben. Wenn er ein Ding dreht, dann im großen Stil. Drei oder vielleicht auch sechs Monate lang raubt er die Juwelierläden einer einzigen Stadt aus, sagen wir Paris, London, Buenos Aires oder Rom. Er leistet gute Arbeit, erledigt sie schnell und verfährt immer nach derselben Methode. Aber solange er sich in dem jeweiligen Land aufhält, nimmt er sich sehr genau davor in Acht, auch nur eins der gestohlenen Stücke dort an den Mann zu bringen.

      Glatzenteddy ist auf seine Art ein Großhändler. Wie man so hört, hat er genug Kapital, um eine Weile auf der Ware sitzenzubleiben. Wenn er genug Beute gemacht hat, verschwindet er. Keine Spur mehr von ihm. Die internationalen Polizeikräfte warten vergeblich auf sein Wiederauftauchen.

      Er tätigt seine Verkäufe weit weg, sagen wir auf einem anderen Kontinent, und viel, viel später. Dann hat er genug in der Hand, um ein paar Jahre friedlich zu leben. Ich möchte wetten, dass er irgendwo auf der Welt unter einem anderen Namen verehrt und respektiert wird, vielleicht sogar als Bürgermeister in seiner Stadt oder in seinem Dorf.

      Und dann, wenn ihm das Geld langsam ausgeht, macht er Pläne für einen neuen Feldzug. Er nimmt sechs bis zwölf Monate Urlaub …«

      Émile kippt seinen Drink hinunter und bestellt noch einen.

      »Also«, fährt er fort, »wenn die amerikanische Polizei mir – Pardon, ich meine natürlich meinem Chef, dem ehemaligen Inspektor Torrence – nicht garantiert hätte, dass sich Glatzenteddy momentan hinter Gittern befindet, nun, dann hätte ich für meinen Teil jedenfalls schwören können, dass …«

      In diesem Moment passiert etwas Ungewöhnliches. Die junge Dame legt ihre Hand auf seinen Arm und fragt ihn:

      »Wer sind Sie eigentlich?«

      »Meinen Sie nicht, dass ich Ihnen diese Frage stellen müsste? Sie wissen doch, dass ich nur ein Laufbursche der Agence O bin.«

      »Also wenn alle Laufburschen so sind wie Sie, dann möchte ich gerne mal wissen, was der Chef für einer ist.«

      »Ich auch.«

      »Aber andererseits, wenn Sie der Chef sind, warum geben Sie sich dann als …«

      »Hören Sie, an dem Punkt, an dem wir jetzt angelangt sind – und ich habe inzwischen drei Manhattan getrunken, von den vier Cognacs im Quatre Sergeants und dem Bier in dem Café an der Île Saint-Louis ganz zu schweigen –, kann ich Ihnen genauso gut gestehen, dass es eben meine Methode ist. Wenn ich Sie heute morgen befragt hätte …«

      »Wäre ich auf der Hut gewesen …«

      »Vielleicht. Oder andersherum, ich wäre auf der Hut gewesen. Wie Sie wissen, bin ich wirklich sehr schüchtern, und …«

      »Und ich versuche, Sie mit fünfzigtausend Franc zu kaufen!«

      »Haben Sie irgendeine Idee, wo wir zu Abend essen könnten? Ich habe gesehen, dass Sie ein Abendkleid gekauft haben. Über Ihre Figur können Sie sich wirklich glücklich schätzen. Aber wenn wir uns fein machen, muss ich Sie mit zu mir nach Hause nehmen, und Sie müssen dann mit meiner Mutter warten, bis ich …«

      »Sagen Sie, Monsieur Émile …«

      »Was?«

      »Wenn Sie könnten, würden Sie mich dann festnehmen?«

      Die Unterlippe der jungen Dame zittert. Sie fühlt sich schön. Zwischen den Flaschen hindurch kann sie sich im Spiegel hinter der Bar sehen. Ihre Augen glänzen, ihre Lippen beben. Und zeigt ihr Begleiter, der neben ihr sitzt, nicht sogar ein bisschen Interesse an ihr?

      Sie erwartet seine Antwort, ihre Finger haben sich verkrampft. Und die Antwort kommt prompt wie ein Schlag ins Gesicht.

      »Ohne mit der Wimper zu zucken.«

      »Haben Sie denn überhaupt kein Herz?«

      »Mein Vater, Mademoiselle, wurde umgebracht, und zwar von … Ach, vergessen Sie’s, das ist nicht die Art von Geschichte, die man in so einem Rahmen erzählt. Aber ich möchte noch was hinzufügen, wenn es Sie davon abhält, eine Dummheit zu begehen. Falls Sie vorhaben, mich abzuschütteln, hätte ich keine Bedenken, Sie ins Bein zu schießen – und in ein sehr schönes obendrein. So sehr bin ich davon überzeugt, dass Sie in die Einbrüche verwickelt sind, die …«

      »Schwein!«, faucht sie und tritt ihm gegen das Schienbein.

      »Und

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