Frankenstein. Mary Shelley
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Frankenstein - Mary Shelley страница 10
Eine der Erscheinungen, die meine Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf sich gezogen hatte, war die Beschaffenheit des menschlichen Skeletts und überhaupt jeden lebendigen Wesens. Woher, fragte ich mich oft, kam das Prinzip des Lebens? Es handelte sich um eine kühne Frage und um eine, deren Beantwortung immer für ein Geheimnis gehalten wurde, doch gibt es viele Dinge, die wir erkennen würden, wenn nicht Feigheit und Nachlässigkeit uns von der Erforschung abhielten. Ich überlegte mir das und beschloß, mich in Zukunft vordringlich mit jenen Zweigen der Naturwissenschaft zu beschäftigen, die Bezüge zur Physiologie aufweisen. Wäre ich nicht von einem fast übernatürlich anmutendem Enthusiasmus angefeuert worden, hätte ich meine Beschäftigung mit diesem Gebiet sicherlich ermüdend, wenn nicht gar unerträglich gefunden. Um die Ursachen des Lebens zu untersuchen, müssen wir uns zunächst dem Tode zuwenden. Ich studierte die Wissenschaft der Anatomie, aber das genügte nicht. Ich mußte auch den natürlichen Verfall und die Fäulnis des menschlichen Körpers beobachten. Mein Vater hatte bei meiner Erziehung die größte Vorsicht walten lassen, daß ich nicht durch abseitige Schrecknisse Schaden erleide. Ich erinnere mich nicht, bei einer abergläubischen Geschichte gezittert oder die Erscheinung eines Geistes gefürchtet zu haben. Die Dunkelheit bedeutete nichts für meine Phantasie; ein Friedhof war für mich nur der Aufnahmeort für Körper ohne Leben, die zur Nahrung der Würmer wurden, nachdem sie einstmals Wesen voll Schönheit und Kraft dargestellt hatten. Nun sah ich mich gezwungen, die Ursachen und den Ablauf dieses Verfalls zu untersuchen sowie Tage und Nächte in Gewölben und Leichenhallen zu verbringen. Meine Forschung richtete sich auf alle jene Gegenstände, die der Zartheit menschlicher Gefühle meistens zuwider sind. Ich beobachtete, wie die schöne Gestalt des Menschen zerfiel und der Verwüstung anheimgegeben war. Ich sah die Fäulnis des Todes über die blühende Wange des Lebens siegen. Ich schaute zu, als dem Wurm die Wunder des Auges und des Gehirns zur Beute fielen. Ich sammelte mich, um die Ursachen, die den Wechsel von Leben zu Tod und von Tod zu Leben bedingen, im einzelnen zu prüfen und zu analysieren, als aus der tiefsten Dunkelheit eine jähe Helle aufleuchtete. Dieser Lichtstrahl glich einem Wunder und war doch ganz einfach. Während mir von der Ungeheuerlichkeit der eröffneten Aussicht schwindelte, staunte ich dennoch, daß es mir allein unter so vielen Forschern von Genie vorbehalten sein sollte, ein solches Geheimnis zu lüften.
Ich möchte daran erinnern, daß ich nicht die Einbildung eines Verrückten schildere. Das im folgenden Erzählte ist nicht weniger gewiß als der Sonnenglanz am Himmel. Nach vielen Tagen und Nächten voll unglaublicher Mühen und Anstrengungen gelang es mir, die Ursache der Zeugung und des Lebens zu entdecken – ja noch mehr: ich vermochte nun leblose Dinge zu beleben. Eine Wunderkraft könnte das bewirkt haben; doch die Stadien der Entdeckung waren eindeutig und wahrscheinlich.
Das Erstaunen, das ich zuerst über diese Entdeckung empfand, räumte bald der Freude und dem Entzücken seinen Platz. Plötzlich war ich auf dem Gipfel meiner Wünsche angekommen. Zwar hatte ich viel Zeit für eine furchtbare Arbeit verwandt, doch konnte die Plackerei kein besseres Ende finden. Diese Entdeckung war so groß und überwältigend, daß die Schritt um Schritt erkletterten Stufen meinem Blick entschwanden und nur das Ergebnis übrigblieb. Der Wunschtraum und das Arbeitsziel der klügsten Männer seit der Erschaffung der Welt befand sich nun in meinem Griff. Allerdings erschloß sich das Geheimnis nicht sofort in seiner Ganzheit wie eine magische Prozedur. Das gewonnene Wissen war eher so beschaffen, meinen Bemühungen die Richtung auf das Forschungsziel zu weisen, als dieses schon vollständig zu präsentieren. Ich ähnelte dem Araber, der versehentlich in die Totengruft geworfen worden war, endlich aber den Durchlaß zum Leben erzwang, einzig von einem glimmenden und anscheinend unwirksamen Licht geleitet.
Ich sehe an Ihrem Interesse, Ihrer Verwunderung, Ihrer Hoffnung, die Ihre Augen verraten, mein Freund, daß Sie gern das Geheimnis von mir erfahren möchten. Das ist unmöglich. Wenn Sie geduldig bis zum Ende meiner Geschichte zugehört haben, werden Sie leicht einsehen, warum ich diese Sache für mich behalten muß. Ich will Sie nicht ungewarnt und von Leidenschaft getrieben in Ihre Vernichtung und Ihr unweigerliches Elend rennen lassen, wie es mir geschah. Lernen Sie von mir (vielleicht nicht aus meinen Lehren, aber wenigstens aus meinem Beispiel), wie gefährlich der Erwerb von Wissen sein kann. Erkennen Sie auch, um wieviel glücklicher der Mensch ist, der seine Heimat für die Welt hält, als derjenige, der über die Grenzen seiner Natur hinausgelangen will.
Als mir die unbegreifliche Macht in die Hände gegeben war, zögerte ich eine Weile und sann über die Möglichkeit ihrer Anwendung nach. Obwohl ich jetzt Leben verleihen konnte, blieb immer noch ein Werk von unvorstellbarer Schwierigkeit und Mühsal zu tun, nämlich die Herstellung eines organischen Gehäuses mit all seinen komplizierten Verbindungen von Fasern, Muskeln und Adern. Ich schwankte zuerst, ob ich die Schöpfung eines mir gleichenden Wesens versuchen sollte oder einer Kreatur von einfacherer Beschaffenheit. Meine Einbildungskraft schwebte jedoch seit meinem ersten Erfolg in derartigen Höhen, daß sie mir keinen Zweifel an meiner Fähigkeit erlaubte, einem Wesen, das so komplex und wunderbar eingerichtet war wie der Mensch, das Leben zu schenken. Das Material, das mir gegenwärtig zu Gebote stand, schien dem mühereichen Plan zwar kaum angemessen, doch zweifelte ich keinen Augenblick an meinem letztlichen Erfolg. Ich bereitete mich allerdings auf eine Unzahl von Rückschlägen vor. Meine Tätigkeit konnte in jedem Abschnitt vereitelt werden, so daß mein Werk unvollständig blieb. Betrachtete ich aber die Verbesserungen, die täglich in Wissenschaft und Technik erzielt werden, konnte ich mutig hoffen, daß meine derzeitigen Versuche wenigstens die Grundlage zu einem späteren Erfolg lieferten. Auch die Größe und Komplexität meines Planes ließ ich selbstverständlich nicht als Argument für seine Undurchführbarkeit gelten.
Mit diesen Erwägungen schickte ich mich zur Erschaffung eines menschlichen Wesens an. Da die Winzigkeit der Teile ein merkliches Hindernis für den schnellen Fortgang meiner Arbeit darstellte, beschloß ich – entgegen meiner ersten Absicht – dem Wesen eine gigantische Statur zu verleihen, nämlich acht Fuß hoch und entsprechend breit. Nachdem ich diese Entscheidung gefällt und einige Monate mit erfolgreichem Sammeln und Herrichten des Materials verbracht hatte, fing ich das eigentliche Werk an.
Niemand kann sich die vielgestaltigen Gefühle vorstellen, die mich in der ersten Begeisterung des Erfolges gleich einem Wirbelsturm vorwärtstrugen. Leben und Tod schienen mir ideelle Grenzen, die ich erstmals durchbrechen sollte, damit sich ein Strom des Lichtes in unsere düstere Welt ergieße. Eine neue Gattung würde mich als ihren Schöpfer und Ursprung segnen; viele glückliche und hervorragende Wesen hätten mir ihr Dasein zu verdanken. Kein Vater könnte die Verehrung seiner Kinder so beanspruchen, wie ich die ihre verdiente. Als ich diesen Überlegungen nachhing, fiel mir ein, daß ich kraft meines Vermögens leblose Gegenstände zu beleben, im Laufe der Zeit (obzwar es jetzt noch unmöglich war) das Leben auch da bewirken könnte, wo der Tod den Leib bereits zur Verwesung verurteilt hatte. Diese Gedanken spornten meinen Geist an, während ich mit unaufhörlicher Leidenschaft mein Werk fortführte. Meine Wangen bleichten infolge des Studiums, und ich magerte während meiner Zurückgezogenheit ganz ab. Manchmal, kurz vor dem ersehnten Punkt, versagte ich; trotzdem klammerte ich mich an die Hoffnung, die der nächste Tag, die nächste Stunde verwirklichen konnte. Ein Geheimnis, nur mir bekannt, war meine Zuversicht. Der Mond starrte auf meine mitternächtlichen Mühen, wenn ich mit angespanntem und atemlosem Eifer der Natur bis in ihre letzten Verstecke nachspürte. Wer kann mein Grauen nachfühlen, mit dem ich die widerlichen Dünste des Grabes ertrug und lebende Tiere quälte? Die Erinnerung läßt meine Glieder zittern und meinen Blick verschwimmen. Damals drängte mich ein unwiderstehlicher und fast wahnsinniger Impuls vorwärts. Alles war dem Zweck, leblosen Lehm zum Leben zu erwecken, unterworfen. Ich schien die Seele und die Empfindung für alles, außer diesem einen Ziel, verloren zu haben. Es war wirklich nur eine vorübergehende Entrücktheit, die mir in aller Schärfe erst bewußt wurde, als ich zu meinen alten Gewohnheiten zurückgekehrt war und der unnatürliche Anreiz aufgehört hatte. Ich sammelte Knochen in den Leichenhäusern