Frankenstein. Mary Shelley
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Derart waren meine Überlegungen an den ersten zwei oder drei Tagen meines Aufenthalts in Ingolstadt beschaffen. Ich lernte inzwischen die wichtigsten Örtlichkeiten meiner neuen Heimat kennen. Als die folgende Woche begann, erinnerte ich mich an die Auskunft Professor Krempes über die Vorlesungen. Zwar konnte ich mich nicht aufraffen, die Vorlesung dieses kleinen, eingebildeten Burschen zu besuchen, um ihn vom Katheder herab dozieren zu hören, aber statt dessen fiel mir das über Professor Waldmann Gesagte ein. Ich kannte ihn noch nicht, da er bisher nicht in der Stadt weilte.
Teils aus Neugierde, teils aus Müßigkeit ging ich in den Hörsaal, den Professor Waldmann kurz danach betrat. Er beeindruckte mich ganz anders als sein Kollege. Ungefähr fünfzig Jahre alt, mit grauen Schläfen und schwarzem Haupthaar, von kleiner, aber aufrechter Gestalt und mit einer angenehmen Stimme begabt, wirkte er wie die Güte selbst. Er begann seine Vorlesung mit einer Wiederholung der Geschichte der Chemie und ihrer vielfachen Fortschritte; er sprach dabei die Namen der vorzüglichsten Forscher mit Begeisterung aus. Dann gab er einen kursorischen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und erklärte viele elementare Begriffe. Nachdem er noch einige vorbereitende Experimente gemacht hatte, schloß er mit einer Lobrede auf die moderne Chemie, die ich nie vergessen werde.
»Die alten Lehrer in dieser Wissenschaft«, sagte er, »versprachen Unmögliches und leisteten nichts. Die modernen Meister versprechen sehr wenig, denn sie wissen, daß Metalle nicht umgewandelt werden können und daß das Lebenselixier ein Hirngespinst ist. Aber diese Denker, deren Hände nur im Schmutz herumzuwühlen und deren Augen einzig über dem Mikroskop oder dem Schmelztiegel nachzugrübeln scheinen, haben echte Wunder vollbracht. Sie dringen in die Schlupfwinkel der Natur ein und beobachten ihr Werk an den verborgensten Plätzen. Sie erforschen die Himmel genauso wie den Kreislauf des Blutes und die Zusammensetzung der Luft. Neu und unbegrenzt sind ihre Leistungen: Sie können dem Donner des Himmels befehlen, das Erdbeben nachahmen und sogar die unsichtbare Welt mit ihren eigenen Schatten äffen.«
So klangen die Worte des Professors – oder lassen Sie mich besser sagen, die Worte des Schicksals, die mich vernichten sollten. Während er sprach, war es mir, als ob meine Seele mit einem greifbaren Feind ringe. Nach und nach wurden die Elemente, aus denen mein Wesen aufgebaut war, angerührt. Saite um Saite ertönte, und bald erfüllte mich nur mehr ein Gedanke, eine Vorstellung, ein Ziel. So viel ist geleistet worden, rief die Seele Frankensteins aus, noch mehr, viel mehr will ich erreichen, indem ich in die vorgegebenen Fußstapfen trete. Ich will einen neuen Weg bahnen, unbekannte Kräfte erforschen und der Welt die tiefsten Geheimnisse der Schöpfung offenbaren.
Ich schloß in dieser Nacht kein Auge. Mein Inneres befand sich in einem wilden Aufruhr. Zwar fühlte ich, daß daraus Ordnung entstehen könnte, aber ich besaß keine Kraft, sie zu verwirklichen. Erst allmählich, als schon die Morgendämmerung hereinbrach, kam der Schlaf. Nach dem Erwachen schien alles nur ein wirrer Traum gewesen zu sein. Es blieb einzig der Entschluß, meine alten Studien wieder aufzunehmen und mich einer Wissenschaft zu widmen, für die ich eine natürliche Begabung zu haben glaubte. Am selben Tage besuchte ich Professor Waldmann. Sein Benehmen in der privaten Sphäre war noch gewinnender als in der Öffentlichkeit. Während seiner Vorlesung hatte eine gewisse Würde seine Miene beherrscht, die in seinem eigenen Haus einer großen Leutseligkeit und Freundlichkeit Platz machte. Ich berichtete ihm genau dasselbe über meine früheren Ziele wie seinem Kollegen. Er hörte aufmerksam dem kurzen Bericht über meine Studien zu und lächelte bei den Namen von Cornelius Agrippa und Paracelsus, jedoch ohne die Verächtlichkeit, die Professor Krempe gezeigt hatte. Er meinte dann: »Das sind Männer, deren unermüdlichem Eifer die modernen Denker größtenteils die Grundlagen ihres Wissens verdanken. Sie waren in hohem Grade die Instrumente bei der Entdeckung von Fakten, die wir benennen und klassifizieren, was oftmals eine leichtere Aufgabe ist. Die Anstrengungen genialer Männer, auch wenn sie in die falsche Richtung zielen, werden letztlich fast immer zu einem dauerhaften Gewinn für die Menschheit.«
Auf diese Bemerkung hin, die ohne jede Anmaßung oder Heftigkeit war, erwähnte ich, daß seine Vorlesung meine Vorurteile gegen die moderne Chemie beseitigt habe. Ich drückte dies in maßvollen Redewendungen aus und befleißigte mich der Bescheidenheit und Ehrerbietung, die sich für einen jungen Menschen gegenüber seinem Lehrmeister gebührt. Allerdings ließ ich mir auch nicht die geringste Begeisterung über meine beabsichtigten Arbeiten anmerken, denn das Eingeständnis meiner mangelnden Lebenserfahrung hätte mich beschämt. Ich bat ihn um seinen Rat wegen der Bücher, die ich mir besorgen sollte.
»Ich freue mich«, entgegnete Professor Waldmann, »wieder einen Schüler gewonnen zu haben. Wenn Ihr Fleiß Ihren Fähigkeiten entspricht, zweifle ich nicht an Ihrem Erfolg. Die Chemie ist derjenige Zweig der Naturwissenschaft, der die größten Fortschritte aufweist und noch größere verspricht. Aus diesem Grunde habe ich sie für mein spezielles Studium gewählt, gleichzeitig aber die anderen Zweige der Wissenschaft nicht vernachlässigt. Wer nur diese Sparte des menschlichen Wissens pflegte, würde ein armseliger Chemiker sein. Wenn Sie wirklich ein echter Wissenschaftler werden wollen und nicht nur ein unbedeutender Experimentator, dann müssen Sie sich mit allen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich der Mathematik, beschäftigen. Das ist mein Rat.«
Darauf führte er mich in sein Laboratorium und erklärte mir die Handhabung der verschiedenen Apparaturen. Er schlug mir auch einige Anschaffungen vor und versprach mir zuletzt, daß ich seine eigenen Instrumente benützen dürfe, sobald mein weitergediehenes Wissen ihren Mechanismus nicht mehr schädigen würde. Nachdem er mir die Liste der erbetenen Bücher überreicht hatte, verabschiedete ich mich.
So endete ein für mich denkwürdiger Tag; er bestimmte mein zukünftiges Schicksal.
4. KAPITEL
Von nun an wurde die Naturwissenschaft, besonders die Chemie, buchstäblich meine einzige Beschäftigung. Ich las hingerissen die von Genialität und Unterscheidungsschärfe funkelnden Werke der modernen Forscher. Ich besuchte die Vorlesungen und pflegte die Bekanntschaft mit den Männern der Wissenschaft an der Universität. Ich gestand sogar Professor Krempe beachtlich viel Verstand und Kenntnis zu, derentwegen er wertvoll für mich war; sein abstoßendes Äußeres und seine schlechten Manieren waren allerdings nicht zu übersehen. In Professor Waldmann fand ich einen wahren Freund. Seine Sanftmut wurde niemals durch einen gebieterischen Ton gestört. Seine Unterweisungen erteilte er mit derartiger Offenheit und Gutmütigkeit, daß jeder Eindruck der Pedanterie, verschwand. Auf tausenderlei Weisen ebnete er mir den Pfad des Wissens und gestaltete die schwierigen Kapitel leicht verständlich für meine Fassungskraft. Mein Fleiß war anfänglich recht wechselhaft; bald wurde er aber stetiger und wuchs sich schließlich zu einem geradezu besessenen Eifer aus. Die Sterne erloschen oft schon im Morgenlicht, während ich noch immer in meinem Laboratorium arbeitete.
Bei dieser ausschließlichen Hingabe an die Sache waren meine gewaltigen Fortschritte durchaus verständlich. Meine Begeisterung erregte das Erstaunen der Studenten und mein Können das der Lehrer. Professor Krempe fragte mich oft mit schalkhaftem Schmunzeln, welche Fortschritte Cornelius Agrippa mache. Professor Waldmann dagegen versicherte mir seine aufrichtige Freude.
So vergingen zwei Jahre. Währenddessen dachte ich an keinen Besuch in Genf, sondern jagte mit Herz und Geist hinter verschiedenen Entdeckungen her. Nur wer sie selbst erfahren hat, kann die Verlockungen der Wissenschaft begreifen. In den üblichen Bildungszweigen ist das Ziel bereits von den Vorgängern abgesteckt; Neues kann man nicht mehr erfahren. Bei einer naturwissenschaftlichen Arbeit aber besteht immer die Möglichkeit für neue Entdeckungen, für Wunder. Ein Geist von mittelmäßiger Fassungskraft, der sich diesem Studium widmet, kann zweifellos gute Leistungen erreichen; wer jedoch wie ich unaufhörlich ein Ziel anstrebt und ganz von ihm in Anspruch genommen ist, gelangt sprunghaft voran. Nach