Nachtengel von Köln. Reinhard Rohn

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Nachtengel von Köln - Reinhard Rohn Jan Schiller

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mag Bilder«, sagte sie und legte ihren Rucksack ab.

      »Ich suche Therese«, sagte Schiller. »Wann hast du sie zuletzt gesehen?«

      Broder warf seine Zigarette in eine kleine Blechdose, die zu seinen Füßen stand. »Heute ist Dienstag, nicht wahr?«, sagte er. »Da hat Therese ihren Vorlesetag – sie geht nachmittags in einen Kindergarten in Bilderstöckchen und liest vor. Danach wollte sie zu mir kommen. Sie sitzt mir Modell.«

      »Sie sitzt dir Modell?« Schiller konnte vor Überraschung nichts anderes tun als Broders Worte wiederholen.

      »Du kümmerst dich zu wenig um sie«, erklärte Broder vorwurfsvoll. »Therese ist sicher, dass sie bald sterben wird. Wohl eine Prophezeiung aus einer Zeit, als ihr Mann noch gelebt hat … irgend so etwas, und darum soll ich sie malen. Ich glaube sogar, das Bild ist für dich.«

      10

      Als Birte wieder in ihrem Alfa saß, ging eine SMS ein. »Wann kommst du?«, fragte Max. »Und denk an unseren Urlaub!«

      So ungeduldig war er selten, aber diese Reise nach Hawaii war ihm wichtig, und wahrscheinlich spürte er auch, wie sie in diesen neuen Fall gesogen wurde. So war das häufig: dass sie regelrecht in einen Strudel geriet, der sie immer weiter wegtrieb von den Dingen des Alltags. Diese grausam verbrannte Frauenleiche beschäftigte sie – und nun war offenbar auch Therese verschwunden. Wo mochte die alte Hebamme sich auf der Suche nach dieser Julika umsehen? Am Bahnhof gewiss oder vielleicht würde sie auch nur im Dom sitzen, zum Richter-Fenster hinaufblicken und beten.

      Birte überlegte, zum Dom zu fahren, als ihr Smartphone wieder summte. Eine unbekannte Nummer.

      »Sind Sie im Präsidium?«, fragte Monika Grams, die Rechtsmedizinerin.

      »Ich bin auf dem Weg«, entgegnete Birte.

      »Diese Tote, die Sie gebracht haben, macht eine Menge Arbeit«, sagte die Rechtsmedizinerin in einem vorwurfsvollen Tonfall. »Aber ich mag so etwas ja, wenn die Dinge nicht gleich auf der Hand liegen. Eine echte Herausforderung, sich eine Brandleiche anzusehen.«

      »Was genau haben Sie herausgefunden?«

      Monika Grams lachte auf. »Sie kommen gerne sofort zur Sache, was? Also, ich bin nun sicher, dass es sich um eine Frau handelt, etwa fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt. Die inneren Organe sind gut erhalten. Die Frau war gesund, und sie war bereits tot, als der Täter sie in Brand gesteckt hat. Kein Ruß und keine hohe Kohlenmonoxidkonzentration in der Lunge. Ich schicke Ihnen gleich an paar Bilder rüber. Wir haben sie mit einer 3D-Kamera fotografiert.«

      »Und die Todesursache?«, fragte Birte.

      »Ja, darauf wollte ich nun kommen. Bei Brandleichen kann man den Zeitpunkt schlecht bestimmen. Klar, die Messung der Körpertemperatur bringt da nichts, aber was die Todesursache angeht: Ein heftiger Schlag auf den Hinterkopf, würde ich sagen. Hinter dem rechten Ort ist das Schläfenbein massiv eingedrückt. Kann man auch im Röntgenbild gut erkennen. Es handelt sich vermutlich um eine laterobasale Fraktur, die eine starke Hirnblutung ausgelöst haben könnte.«

      »Das heißt, die Frau könnte ermordet worden sein?«, entgegnete Birte.

      »Ein Sturz oder ein Schlag mit einem schweren Gegenstand«, erwiderte die Rechtsmedizinerin. »Genauer werden wir das kaum herausfinden. Ich habe Ihnen die Aufnahme soeben gemailt. Aber es gibt noch etwas, das Sie interessieren wird. Der Täter hat nicht besonders ordentlich gearbeitet. Die Leiche ist nicht völlig verbrannt. Der linke Fuß ist fast unversehrt. Da sieht man noch das kräftige Pink auf den Zehennägeln und am Knöchel eine zarte Tätowierung. Ein großes I und ein großes A in einem roten Herzen. Finden Sie gleich alles in Ihrer Mailbox.«

      Nele hielt ihr einen Kaffeebecher hin, während sie die Bilder auf dem Bildschirm betrachtete. Die Tätowierung und die bemalten Zehen waren gut zu erkennen. »Könnte dieses I auch ein J sein?«, fragte Birte und deutete auf den Buchstaben.

      »Du meinst, ein J wie für Julika?« Nele versuchte das Bild zu vergrößern.

      Nein, es war ein I, kein J.

      »Eindeutig ein I«, sagte Nele.

      Birte stöhnte erleichtert auf. Also handelte es sich bei der Toten nicht um die Frau, die Therese suchte. Von ihr gab es immer noch kein Zeichen. Mittlerweile sprang aber auch die Mailbox nicht mehr an.

      »Nun brauchen wir noch einen DNA-Abgleich mit dem Schal, den wir bei der Toten gefunden haben, und den Spuren dieser Julika«, sagte Birte.

      »Die Technik ist noch nicht so weit. Morgen oder übermorgen haben wir vielleicht mehr«, meinte Nele.

      Birte nahm den Kaffee und ging zum Fenster. Auch von Neles Zimmer hatte man einen großartigen Blick auf den Dom. Sie sollte einen Streifenwagen vorbeischicken, nachsehen, ob Therese da saß, sagte sie sich. Aber vielleicht war Jan auch schon da gewesen. »Jemand hat diese Leiche angesteckt, um einen Mord zu vertuschen«, sprach sie laut vor sich hin. »Und die Tote stammt vermutlich aus Rumänien – wie diese Julika. Wissen wir etwas über Prostituierte, die aus Rumänien nach Köln einreisen?«

      »Wir könnten uns die gemeldeten Frauen anschauen«, antwortete Nele, »aber über die Illegalen haben wir natürlich nichts.«

      Birte kam ein anderer Gedanke. »Gibt es vielleicht eine Kirche, wo Rumänen sich treffen, wo sie einen Gottesdienst in ihrer Sprache abhalten? Oder gibt es spezielle rumänische Lokale?«

      Nele hob die Schultern. Sie war die hübscheste Polizistin in ganz Köln – lange blonde Haare und das ebenmäßige Gesicht eines Models. »In welche Kirche gehen Rumänen? In eine katholische wie Polen? Ehrlich, ich habe keine Ahnung.« Zehn Sekunden später hatte sie im Netz eine rumänische orthodoxe Kirchengemeinde und ein Restaurant, das typisch rumänische Gerichte anbot, ausfindig gemacht.

      »Aber was genau willst du da herausfinden?«, fragte Nele.

      Birte musste zugeben, dass sie völlig im Dunkeln tappte. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich suche nach einem Ansatz. Wie passen die Dinge zusammen? Warum haben wir es plötzlich mit zwei rumänischen Frauen zu tun?«

      11

      Schiller saß in Thereses Küche, er hatte den Tisch abgeräumt und starrte auf den Kaffee vor sich, der längst kalt geworden war. In dem Kindergarten in Bilderstöckchen war sie zur Vorlesestunde nicht aufgetaucht, auch am Bahnhof keine Spur von ihr. Bei Gulliver, der Anlaufstation für Obdachlose, hatte er nachgefragt, niemand hatte sie gesehen, und in Nippes in dem Café auf der Neusser Straße, wo sie manchmal frühstückte, hatte sie sich schon seit zwei Wochen nicht mehr blicken lassen. Ihr Handy war tot, abgeschaltet.

      Wo war sie? Dieser Gedanke quälte ihn. Er hätte längst im Präsidium sein müssen, stattdessen hatte er aus einem Hohlraum an ihrer Kellertür ihren Ersatzschlüssel hervorgeholt und hockte da und erwartete, jeden Moment ihre schlurfenden Schritte an der Tür zu hören.

      Es war bereits sechzehn Uhr am Nachmittag. Er hatte bei Google nach dem Chor gesucht, den dieser Friedbert immer noch leitete. »Encore«, so hieß seine Truppe, sollte womöglich ein Wortspiel sein. »Friedbert Frings, vierundsiebzig Jahre alt, seit dreißig Jahren verwitwet, pensionierter Oberstudienrat, leitet den Chor immer noch mit Engagement und Weitsicht.« Im Juni waren auf der Homepage von »Encore« zwei Konzerte aufgeführt: Gummersbach und Bergneustadt. Das Foto des Chorleiters schmeichelte ihm; da wirkte er gut

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