Nachtengel von Köln. Reinhard Rohn

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Nachtengel von Köln - Reinhard Rohn Jan Schiller

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aber ich habe nichts. Meine beiden Puppen … gestohlen.« Sie zog sich die Mütze vom Kopf. Kurzes, blondes, schmutziges Haar kam zum Vorschein. »Ich habe sogar auf Deutsch gespielt, für Touristen. ›Faust‹. Eine Figur war Faust, die andere Mephistopheles.« Sie veränderte ihre Stimme ein wenig. »›Ich bin der Geist, der stets verneint.‹« Dann begann sie zu husten, und zwei weitere Tränen rollten ihr über die Wangen.

      Birte wartete einen Moment. Dann sagte sie zu ihrer eigenen Überraschung: »Ich muss etwas über diese Mädchen wissen, die aus Rumänien kommen, aber vorher kannst du duschen und dir etwas anderes anziehen.«

      Es war kurz vor halb sieben, als sie mit Danuta in ihrer Wohnung eintraf. Max schlief noch. Nachdem sie Danuta das Badezimmer gezeigt und ihr ein paar Kleidungsstücke hingelegt hatte, nahm Birte wieder ihren Laptop hervor. Gab es einen Fahrplan? Konnte man einsehen, wann Busse aus Bukarest oder Sibiu nach Köln kamen? Nein, sie fand nichts. Von Köln aus wurden sieben Ziele in Rumänien angeflogen, aber nur die Namen Bukarest und Sibiu sagten ihr etwas. Dann schickte sie Nele eine Nachricht, dass sie sich bei der Bundespolizei, die für den Bahnhof zuständig war, erkundigen mussten, ob etwas über Busse aus Rumänien bekannt war.

      Als Danuta in einer ihrer alten Jeans und einem weißen T-Shirt aus dem Bad kam, trat ihr ein veränderter Mensch entgegen. Sie wirkte nun noch jünger und viel hübscher.

      Gleichzeitig schlurfte leicht hinkend Max aus dem Schlafzimmer. Er trug seinen langen Bademantel, der seine Prothese bedeckte. Erstaunt blickte er die fremde Frau an.

      Birte lächelte. »Max, das ist Danuta aus Litauen. Sie ist Puppenspielerin und irgendwie in Köln gestrandet. Ich glaube, wir müssen ihr ein wenig helfen.«

      6

      Wenn es nicht um Therese ginge, sagte er sich, wenn es ihr nicht so wichtig wäre, herauszufinden, ob die Tote die rumänische Frau war, die bei ihr übernachtet hatte, dann würde er keine Rücksicht nehmen – dann würde er morgen früh in der Maschine nach Bordeaux sitzen. Doch es ging um Therese … Der Mensch, der die größte Konstante in seinem Leben gewesen war.

      Er fuhr von der Rechtsmedizin nicht mehr ins Präsidium, sondern in seine Wohnung. Nein, nicht in seine Wohnung. Im Dunkeln stieg er die Treppen hinauf, als müsse er sich anschleichen, dann klopfte er an Nadines Tür. Zu spät fiel ihm ein, dass er etwas hätte kaufen sollen – eine Flasche Wein, Blumen, irgendetwas.

      Nadine öffnete sofort, als hätte sie auf ihn gewartet. Sie blinzelte ins Treppenhaus, als würde es ihr schwerfallen, in die Dunkelheit zu starren.

      Sie ist wahrhaftig die schönste Frau, die ich je gekannt habe. Dieser Gedanke überfiel ihn geradezu.

      Nadine trug wie so oft einen schwarzen Rollkragenpullover und ihre schwarze Hornbrille, hinter denen ihre blauen Augen funkelten. Ihre blonden Haare, die sie zusammengebunden hatte, schimmerten, als würde sich ein geheimes Licht in ihnen verbergen.

      »Du kommst doch noch«, sagte sie; es klang freundlich, ja beinahe erleichtert, und sie tat etwas, das sie noch nie getan hatte: Sie schlang die Arme um ihn und küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund.

      Dann zog sie ihn herein und fingerte gleichzeitig an dem Reißverschluss seiner Jacke. Ihr Kuss wurde immer leidenschaftlicher. Ihre Zunge zuckte wild hin und her. Sie zerrte seine Jacke herunter, dann taumelten sie beide in einer Umarmung in Nadines Schlafzimmer.

      Er sah ihre weiße wunderschöne Brust aufblitzen, nachdem sie ihren Pullover abgestreift hatte. Hastig knöpfte er sein Hemd auf und dachte kurz daran, dass sein T-Shirt darunter alt und zerschlissen war.

      Doch einige Sekunden später lagen sie bereits nackt nebeneinander.

      Ich liebe sie, schrie er stumm in sich. Ein Schrei, der in ihm widerhallte. Sie ist ein Wunder. Ich liebe sie.

      Schiller erwachte aus tiefem Schlaf, als Nadine mit nassen Haaren und in ein gelbes Handtuch gehüllt aus dem Bad kam. Mühsam richtete er sich auf.

      »Ich fahre dich zum Flughafen«, sagte er und hatte für einen Moment die Hoffnung, dass sie ohne ihn gar nicht abfliegen würde.

      Sie küsste ihn flüchtig auf den Mund und ging dann zum Kleiderschrank, um sich anzuziehen.

      »Dieser Mann in Bordeaux«, sagte sie, das Gesicht von Schiller abgewandt, »er lebt jetzt meistens in Tel Aviv … Er heißt Marcel … Wir hatten vor langer Zeit mal etwas miteinander, und ich glaube, er denkt, es könnte wieder anfangen.«

      Sie hatte sich einen weißen Pullover und eine schwarze Jeans angezogen. Sie schaute ihn an.

      »Und?«, fragte er. »Könnte wieder etwas anfangen?«

      Einen Moment regte sie sich gar nicht, als würde sie den Atem anhalten. »Nein, wohl nicht«, sagte sie leiser und tastender. »Ich habe mich in einen notorisch unzuverlässigen Polizisten verliebt, der nach Kaffee und manchmal auch nach richtigem Feuer riecht. Seinetwegen habe ich sogar eine Kugel abbekommen.«

      Schiller dachte mit einem Schauer daran, dass Nadine bei seinem letzten großen Fall angeschossen worden war. In der Nacht hatte er die Narbe – einen schmalen weißlichen Streifen auf ihrer Haut – gesehen. Zum Glück hatte die Kugel sie nur gestreift und sie nicht gefährlich verletzt.

      »Was macht dein neuer Fall?«, fragte sie, während sie ein paar Sachen in einen Rucksack stopfte. Anscheinend hatte sie noch nichts gepackt.

      In wenigen Worten erzählte Schiller, was vorgefallen war und was sie wussten.

      »Deshalb hast du gerochen, als hättest du stundenlang an einem Lagerfeuer gesessen. Geht es um Prostitution? Wurde die Frau deswegen aus Rumänien nach Deutschland gelockt?«

      Er stand auf und zog sich an. »Vermutlich. Wir werden uns in den einschlägigen Bordellen umsehen müssen.«

      Nadine zog die Augenbrauen in die Höhe. »Auch im Pascha? Ich wollte da immer schon mal hinein. Das ist doch auch eine Art Theater, oder nicht?«

      Das Pascha war das mit Abstand größte Bordell Kölns, eine Legende geradezu. Elf Etagen und fast hundertfünfzig Zimmer.

      »Frauen wie du werden da nicht gerne gesehen«, sagte er in einem leicht spöttischen Tonfall. Im nächsten Moment erschrak er, als er auf sein Smartphone sah und das Datum las. Der Todestag seiner Eltern – Therese hatte ihm gestern noch vorgehalten, dass er an diesem Tag in Urlaub hatte fahren wollen.

      Einen Augenblick später, als hätte sie sein Erschrecken bemerkt, erklärte Nadine: »Ich nehme mir ein Taxi zum Flughafen. Du musst arbeiten, und ich habe keine große Lust auf eine Abschiedsszene. Ich bin ja auch in vier Tagen zurück.«

      Vor der Tür verabschiedeten sie sich mit einem Kuss, der wenig von der Leidenschaft der Nacht hatte, als wären sie beide von dem überrascht, was mit ihnen geschehen war.

      Es war kurz nach acht Uhr, als Schiller in seinem alten Golf saß. Er wählte Therese an, die jedoch nicht an ihr Telefon ging. Niemals kam es vor, dass die alte Frau länger als bis sieben Uhr schlief. War sie um diese Zeit schon unterwegs und suchte diese Julika? Von dem Schal, den sie im Haus gefunden hatten, wusste sie noch nichts. Die alte Hebamme begleitete zwar keine Hausgeburten mehr, aber sie kümmerte sich noch um alleinerziehende Frauen, die nach der Geburt nur notdürftig von einem Pflegedienst betreut wurden.

      Nach seinem dritten Anruf, als er bereits am Südfriedhof angekommen war,

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