Nachtengel von Köln. Reinhard Rohn

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Nachtengel von Köln - Reinhard Rohn Jan Schiller

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nur Ärger. Wenn du noch einmal wegläufst, muss ich dich fesseln.«

      Mit dem Nokia verschwand er, aber zumindest sperrte er sie nicht ein.

      Als sie zum Fenster ging, entdeckte sie, dass nun ein Schloss daran angebracht war. Keiner der beiden Flügel ließ sich mehr öffnen. Nun müsste sie schon das Glas zerschlagen, um hinunterspringen zu können.

      Der Anblick des Schlosses saugte ihr die letzte Kraft aus dem Körper. Erschöpft sank sie auf das Bett, und ohne dass sie es selbst recht merkte, kamen ihr die Tränen. Sie weinte stumm, bis sie so müde war, dass sie einschlief.

      8

      Max zeigte sich von seiner besten Seite. Er kochte Kaffee und deckte den Tisch fürs Frühstück. Er hatte sofort begriffen, dass Danuta etwas mit ihrem neuen Fall zu tun hatte und dass es auch darum ging, dass sie Vertrauen fasste.

      Danuta trank zunächst nur Kaffee, doch nach der ersten Brotscheibe nahm sie eine zweite und eine dritte, während Max, ganz als hätten sie eine gute Freundin zu Gast, davon sprach, dass er gleich Sport machen und dann mit seinem Verlag telefonieren wollte. In vier Wochen sollte sein Buch erscheinen – der Roman über den Tag, an dem das Kölner Stadtarchiv eingestürzt war.

      Birte beobachtete, wie die junge Frau aus Litauen sich zusehends entspannte. Mit dem Schmutz aus ihrem Haar waren auch andere Dinge von ihr abgefallen.

      Dann nach dem zweiten Kaffee sagte Danuta: »Du bist Polizistin – ich soll dir helfen, nicht?«

      Birte nickte. So deutlich hätte sie es nicht ausgesprochen, aber ja, es stimmte. »Kannst du mir etwas über diesen Bus aus Rumänien sagen?«

      Max zog sich in ihr Schlafzimmer zurück, um sich anzukleiden. Danuta sah ihm nach.

      »Netter Mann«, sagte sie, dann wurde ihr Gesicht ernst. »Ich bin oft am Bahnhof. Für Arbeit und für Unterkunft, aber nicht für die Männer – auf keinen Fall. So etwas tue ich nicht.« Sie vollzog mit der Hand eine harte Geste, als hätte sie ein Messer in der Hand und wollte etwas abtrennen. »Da habe ich den Bus gesehen. Aus Rumänien. Nein, ist eigentlich kein Bus. Ein Transporter. Vier Männer und zwei Mädchen. Die Männer sind weggegangen, aber auf die Frauen hat jemand gewartet. Junge Frauen. Kann sein – die Frau von dem Foto war dabei. Weiß ich nicht genau.« Sie beugte sich vor, um einen weiteren Schluck Kaffee zu nehmen.

      Birte hatte plötzlich das Gefühl, dass Danuta log, dass sie sich wichtigmachen wollte.

      »Wann war das?«, fragte sie. »Wann genau ist dieser Bus angekommen?«

      Danuta legte die Stirn in Falten. »War Mittwoch«, sagte sie. »Gegen Mittag.«

      »Also vor sechs Tagen?«

      Die junge Frau trank ihren Kaffee aus. »Genau«, sagte sie. Es klang allerdings nicht, als wäre sie sich ihrer Sache sicher. »Kann sein – sechs Tage.«

      Und was hast du in diesen sechs Tagen gemacht – wo bist du gewesen?, hätte Birte am liebsten gefragt, doch sie ließ es.

      Danuta fielen unvermittelt die Augen zu.

      Sie würde gerne bleiben, dachte Birte, wenigstens für eine Nacht, um sich einmal richtig auszuschlafen. Wahrscheinlich hatte sie seit langer Zeit kein richtiges Bett mehr gesehen. Aber es ging nicht. Sie konnte Max nicht einfach eine junge Frau dalassen, um die er sich kümmern musste.

      »Danuta«, sagte sie behutsam. »Ich würde dir gerne helfen und morgen mit dir zum Bahnhof fahren, damit du mir diesen Bus zeigst, aber hier kannst du leider nicht bleiben, doch vielleicht weiß ich einen anderen Ort.«

      Danuta blickte auf, ihr Blick irrte umher, als hätte sie tatsächlich ein paar Sekunden geschlafen. »Ich bin müde«, sagte sie, »und ich träume von meinen Puppen. Wo sind meine Puppen?« Ihre Stimme zitterte.

      »Ich weiß vielleicht einen Ort«, wiederholte Birte. »Bei einer guten Freundin.«

      Danuta erhob sich schwerfällig, dann schlurfte sie zur Tür, müde und irgendwie enttäuscht, als wäre sie hinausgeworfen worden, und nahm ihren Rucksack.

      Birte sagte kurz Max Bescheid, der auf dem Bett an seinem Laptop saß und zum Gruß die Hand hob.

      In ihrem Alfa überlegte Birte, ob sie Therese vorher anrufen und ihren Besuch ankündigen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. So oder so war es eine Zumutung, dass sie einfach mit einer wildfremden Frau vorbeikam, aber insgeheim setzte sie auf das schier grenzenlose Mitgefühl der alten Hebamme, wenn sie Danuta erblickte.

      »Es ist wirklich wahr«, sagte Danuta im Auto. »Ich bin Danuta, und ich war Puppenspielerin … Ich war … wie heißt es? … Famous in Vilnius.« Sie griff in ihren alten Parka und holte einen Fetzen Papier hervor.

      Es war ein Ausschnitt aus einer Zeitung, erkannte Birte, als sie an einer Ampel halten musste. Auf dem Foto stand eine junge Frau mit Zöpfen, die an Fäden zwei Marionetten vor sich herführte. Mit einiger Mühe war eine jüngere, fröhliche Danuta auf dem Bild zu erkennen.

      »Ich habe gedacht, ich könnte in Deutschland mehr Geld verdienen«, sprach sie weiter. »Und ich wollte … adventure … Ja, so war es … ein adventure.«

      Dann war alles schiefgegangen.

      Danuta begann zu schniefen.

      »Du kannst bald wieder nach Hause fahren«, sagte Birte. »Ein Flug nach Vilnius kostet nicht viel, aber zuerst wird sich eine Freundin um dich kümmern, eine alte freundliche Frau.«

      Hoffentlich verspreche ich nicht zu viel, dachte Birte. Nele hatte sie bereits zweimal angerufen. Wahrscheinlich gab es neue Erkenntnisse über die tote Frau.

      Und was würde sie tun, wenn Therese nicht zu Hause war? Die alte Hebamme kannte keinen Ruhestand, eigentlich war sie immer unterwegs.

      Die Jalousien an Thereses Küchenfenster waren hochgezogen, erkannte Birte, als sie vor dem Bungalow abbremste. Sie warf Danuta einen Blick zu.

      »Hier ist es«, sagte sie. »Warte bitte einen Augenblick.«

      Danuta blickte sie aus leeren Augen an, als müsse sie sich für die nächste Enttäuschung wappnen.

      Durch eine rostige Pforte und über alte Steinplatten, die mehrfach gesprungen waren und aus denen Unkraut wuchs, ging Birte auf die Haustür zu, ein altes Monstrum aus Holz, das vor Urzeiten einmal braun gewesen war. Sie drückte einen Messingknopf, über dem zwei Namen standen, die so verwittert waren, dass man sie nicht mehr lesen konnte.

      Ein lauter Gong ertönte.

      Im nächsten Moment wusste sie, dass niemand zu Hause war. Dieser Gong würde Tote aufwecken. Sie klingelte noch einmal, aber sie lockte lediglich eine Katze heran, die aus einem Gebüsch hinter ihr hervorkam und zu miauen begann. Offenbar war sie es gewohnt, hier gefüttert zu werden.

      Ratlos ging Birte zu ihrem Alfa zurück. Nun müsste sie Therese anrufen oder einen anderen Platz für Danuta finden. Nein, sie würde die Frau für eine Nacht in einem Hotel einquartieren. Das Geld dafür würde sie aufbringen.

      Danuta schaute sie durch die Frontscheibe fragend an. Birte zuckte mit den Schultern und begann aufmunternd zu lächeln. Niemand da, sollte ihr Lächeln sagen, aber wir finden eine

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