Maigret und die verrückte Witwe. Georges Simenon

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Maigret und die verrückte Witwe - Georges  Simenon Georges Simenon

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wollte mit Kommissar Maigret sprechen.«

      »Er ist leider so beschäftigt, dass er Sie nicht empfangen kann.«

      Sie zögerte, fummelte nervös an ihrer weißen Handtasche und entschloss sich, stehen zu bleiben.

      »Und wenn ich morgen wiederkomme?«

      »Das ändert nichts.«

      »Empfängt Kommissar Maigret nie jemanden?«

      »Nur in besonders dringenden Fällen.«

      »Aber mein Fall ist besonders dringend! Es geht um Leben und Tod!«

      »Das haben Sie bereits auf Ihren Meldezettel geschrieben.«

      »Und?«

      »Wenn Sie mir sagen, worum es sich handelt, werde ich es dem Kommissar mitteilen. Die Entscheidung liegt bei ihm.«

      »Wird er mich dann vielleicht empfangen?«

      »Ich kann nichts versprechen. Schon möglich.«

      Sie schien lange das Für und Wider abzuwägen und ließ sich schließlich auf der Stuhlkante nieder, Lapointe gegenüber, der sich an den Schreibtisch gesetzt hatte.

      »Worum handelt es sich?«

      »Zunächst müssen Sie wissen, dass ich seit zweiundvierzig Jahren in derselben Wohnung am Quai de la Mégisserie lebe. Im Erdgeschoss ist eine Vogelhandlung, und wenn der Besitzer im Sommer die Käfige auf den Gehweg stellt, höre ich die Vögel den ganzen Tag lang piepsen und singen. Sie leisten mir Gesellschaft.«

      »Sie haben von einer Gefahr gesprochen.«

      »Ich bin ganz bestimmt in Gefahr, aber Sie werden das sicher für Geschwätz halten. Ihr jungen Leute glaubt gern, dass wir Alten nicht mehr ganz richtig im Kopf sind.«

      »Ich denke das nicht.«

      »Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll. Seit mein zweiter Mann vor zwölf Jahren gestorben ist, lebe ich allein, und es besucht mich nie jemand in meiner Wohnung. Sie ist für mich allein zu groß, trotzdem würde ich gerne bis zu meinem Tod da wohnen. Ich bin sechsundachtzig, kann mich aber selbst um den Haushalt kümmern.«

      »Haben Sie ein Haustier? Einen Hund oder eine Katze?«

      »Nein. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich die Vögel im Erdgeschoss singen höre. Ich wohne direkt über der Vogelhandlung.«

      »Was macht Ihnen Kummer?«

      »Das ist wirklich schwer zu erklären. Nun ja, in den letzten zwei Wochen haben bei mir die Dinge jetzt schon mindestens fünfmal ihren Platz gewechselt!«

      »Wie meinen Sie das? Wenn Sie nach Hause kommen, sind sie nicht mehr an derselben Stelle?«

      »Ja, genau. Ein gerahmtes Foto hängt schief, oder eine Vase steht nicht mehr so wie vorher.«

      »Und Sie sind sich sicher, dass Sie sich nicht irren?«

      »Na bitte! Weil ich alt bin, zweifeln Sie an meinem Gedächtnis! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich seit zweiundvierzig Jahren in der Wohnung lebe. Ich weiß genau, wo alles hingehört.«

      »Und ist etwas gestohlen worden? Ist etwas verschwunden?«

      »Nein, Herr Inspektor.«

      »Haben Sie Geld zu Hause?«

      »Sehr wenig. Nur so viel, wie ich für einen Monat brauche. Mein erster Mann hat im Rathaus gearbeitet, und jetzt bekomme ich eine Witwenrente. Außerdem habe ich Ersparnisse auf der Bank.«

      »Besitzen Sie Wertsachen, Bilder, Kunstgegenstände, was weiß ich?«

      »An einigen Dingen liegt mir sehr viel, aber die sind nicht wirklich wertvoll.«

      »Hinterlässt Ihr Besucher oder Ihre Besucherin Spuren? An einem Regentag könnten es Fußspuren sein, zum Beispiel.«

      »Es hat seit zehn Tagen nicht geregnet.«

      »Zigarettenasche?«

      »Nein.«

      »Hat jemand einen Schlüssel zu Ihrer Wohnung?«

      »Nein. Nein, es gibt nur einen Schlüssel, und der ist hier in meiner Handtasche.«

      Er sah sie verständnislos an.

      »Kurz, Sie beklagen sich bloß darüber, dass einige Dinge bei Ihnen zu Hause plötzlich nicht ganz genau da sind, wo sie hingehören?«

      »So ist es.«

      »Und Sie haben nie jemanden gesehen?«

      »Nie.«

      »Und Sie haben keine Ahnung, wer es sein könnte?«

      »Nicht die geringste.«

      »Haben Sie Kinder?«

      »Leider nein.«

      »Angehörige?«

      »Eine Nichte, die ist Masseuse. Aber ich sehe sie nur selten, obwohl sie direkt am anderen Seineufer wohnt.«

      »Freunde? Freundinnen?«

      »Die meisten meiner Bekannten sind tot. Das ist allerdings noch nicht alles.«

      Ihr Blick war fest, ihre Stimme ruhig und unaufgeregt.

      »Ich werde verfolgt.«

      »Sie meinen, auf der Straße?«

      »Ja.«

      »Und Sie haben die Person, die Ihnen folgt, gesehen?«

      »Wenn ich mich umgedreht habe, waren da immer mehrere Personen. Aber ich weiß nicht, wer von denen es war.«

      »Gehen Sie oft aus?«

      »Morgens um acht mache ich meine Besorgungen im Viertel. Ich finde es sehr schade, dass es die Markthallen nicht mehr gibt, die waren gleich um die Ecke, und ich hatte da ein paar gute Adressen. Seitdem habe ich verschiedene Läden ausprobiert. Aber es ist nicht das Gleiche.«

      »Ist die Person, die Ihnen folgt, ein Mann?«

      »Das weiß ich nicht.«

      »So gegen zehn Uhr kommen Sie wohl wieder nach Hause?«

      »Ungefähr. Dann setze ich mich ans Fenster und putze mein Gemüse.«

      »Bleiben Sie nachmittags daheim?«

      »Nur wenn es regnet oder zu kalt ist. Sonst gehe ich in die Tuilerien und setze mich auf eine Bank. Ich bin nicht die Einzige, die da ihre Bank hat. Seit Jahren sehe ich Menschen in meinem Alter immer am selben Platz sitzen.«

      »Und

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