Maigret und die verrückte Witwe. Georges Simenon

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Maigret und die verrückte Witwe - Georges  Simenon Georges Simenon

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in den Tuilerien.«

      »Unterhält sie sich manchmal mit Ihnen?«

      »Ein paar Worte im Vorbeigehen. Sie erkundigt sich vor allem nach meinem Mann. Der liegt im Krankenhaus.«

      »Ich danke Ihnen.«

      »Ich soll ihr wohl nicht sagen, dass Sie hier waren, was?«

      »Ganz wie Sie wollen.«

      »Auf jeden Fall bin ich sicher, dass sie nicht verrückt ist. Sie hat so ihre Macken, wie alle alten Leute, aber auch nicht mehr als andere.«

      »Vielleicht komme ich noch mal vorbei.«

      Maigret war gut gelaunt. Seit zehn Tagen hatte es nicht einen Tropfen geregnet, der Himmel war hellblau, und es wehte eine leichte Brise. In diesem perfekten Mai glich Paris einer bunten Operettenkulisse.

      Maigret blieb etwas länger im Büro, um einen Bericht durchzusehen, der schon lange unerledigt herumlag und den er gern loswerden wollte. Er hörte Autos und Busse vorüberfahren, zwischendurch ertönte die Sirene eines Schleppers.

      Um kurz vor sieben öffnete er die Tür zum Büro nebenan, wo Lucas mit zwei oder drei Inspektoren den Nachtdienst angetreten hatte, und verabschiedete sich.

      Auf der Treppe überlegte er, ob er in der Brasserie Dauphine einen Aperitif trinken sollte. Er war noch unschlüssig, als er durch das Portal schritt, das von zwei Polizisten flankiert war, die ihn grüßten.

      Schließlich machte er sich doch gleich auf den Heimweg, aber schon nach wenigen Schritten in Richtung Boulevard du Palais tauchte eine kleine Gestalt vor ihm auf, die er nach der Beschreibung von Lapointe sofort erkannte.

      »Sie sind es, nicht wahr?«, sagte sie begeistert.

      Sie nannte nicht einmal seinen Namen. Es konnte nur er sein, der berühmte Kommissar, dessen Ermittlungen sie in der Zeitung verfolgte. Sie schnitt die Berichte sogar aus und klebte sie in Hefte.

      »Verzeihen Sie bitte, dass ich Sie auf der Straße anspreche, aber oben lässt man mich nicht zu Ihnen.«

      Maigret kam sich etwas lächerlich vor und konnte sich den spöttischen Blick gut vorstellen, den sich die beiden Wachtposten hinter ihm zuwarfen.

      »Aber ich verstehe das, ich kann’s ihnen nicht verübeln. Man darf Sie nicht bei Ihrer Arbeit stören, nicht wahr?«

      Am meisten beeindruckten den Kommissar ihre blassgrauen Augen, die sehr sanft waren und doch funkelten. Sie lächelte. Man sah ihr an, dass sie im siebten Himmel war. Aber man spürte auch die außergewöhnliche Energie, die in diesem kleinen Körper steckte.

      »In welche Richtung gehen Sie?«

      Er deutete zum Pont Saint-Michel.

      »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie ein Stück begleite?«

      An seiner Seite wirkte sie noch kleiner.

      »Sehen Sie, vor allem müssen Sie mir glauben, dass ich nicht verrückt bin. Ich weiß, was junge Leute über die Alten denken, und ich bin schon sehr alt.«

      »Sie sind sechsundachtzig, nicht wahr?«

      »Der junge Mann, der mich empfangen hat, hat also mit Ihnen über mich gesprochen. Er ist etwas jung für seinen Beruf, aber er ist sehr gut erzogen und sehr höflich.«

      »Haben Sie lange auf mich gewartet?«

      »Seit fünf vor sechs. Ich dachte, Sie würden Ihr Büro gegen sechs verlassen. Ich habe viele Herren herauskommen sehen. Aber nicht Sie.«

      Sie hatte also eine ganze Stunde gewartet, ohne dass die Polizisten Notiz von ihr genommen hatten.

      »Ich fühle, dass ich in Gefahr bin. Es würde doch niemand ohne Grund bei mir einbrechen und meine Sachen durchstöbern.«

      »Woher wissen Sie, dass jemand Ihre Sachen durchstöbert?«

      »Weil sie nicht mehr genau an ihrem Platz sind. Ich bin eine Ordnungsfanatikerin. Bei mir hat jedes Ding seit mehr als vierzig Jahren seinen Platz.«

      »Und das ist mehrmals passiert?«

      »Mindestens viermal.«

      »Besitzen Sie Wertgegenstände?«

      »Nein, Herr Kommissar. Nur all die kleinen Dinge, die sich im Laufe eines Lebens ansammeln und die man aus Sentimentalität behält.«

      Sie drehte sich jäh um, und er fragte:

      »Werden Sie jetzt gerade verfolgt?«

      »Nein, jetzt nicht. Ich bitte Sie, kommen Sie einmal zu mir. Vor Ort werden Sie alles besser verstehen.«

      »Ich werde das Unmögliche versuchen.«

      »Versuchen Sie doch noch ein bisschen mehr für eine alte Frau wie mich. Der Quai de la Mégisserie ist ganz in der Nähe. Kommen Sie in den nächsten Tagen vorbei, und ich verspreche Ihnen, Sie nicht aufzuhalten und auch nicht wieder in Ihr Büro zu kommen.«

      Sie war ziemlich gerissen.

      »Ich komme bald vorbei.«

      »Noch diese Woche?«

      »Vielleicht. Oder Anfang nächster Woche.«

      Sie hatten seine Bushaltestelle erreicht.

      »Entschuldigen Sie mich jetzt bitte. Ich muss nach Hause.«

      »Ich verlasse mich auf Sie«, sagte sie. »Ich vertraue Ihnen.«

      Er wusste nicht, was er von ihr halten sollte. Ihre Geschichte klang wie eine Wahnvorstellung. Aber wenn sie vor ihm stand und er ihr ins Gesicht sah, war er versucht, ihr zu glauben.

      Als Maigret nach Hause kam, war der Tisch schon fürs Abendessen gedeckt. Er küsste seine Frau auf die Wangen.

      »Du warst doch hoffentlich draußen, bei dem herrlichen Wetter?«

      »Ich habe ein paar Besorgungen gemacht.«

      Dann stellte er ihr eine Frage, die sie überraschte:

      »Sag mal, gehst du manchmal in einen Park und setzt dich auf eine Bank?«

      Sie musste nachdenken.

      »Ja, das kommt schon vor. Vor einem Termin beim Zahnarzt zum Beispiel, wenn ich zu früh bin.«

      »Heute Abend war eine Frau da, die fast jeden Nachmittag auf einer Bank in den Tuilerien sitzt.«

      »Das tun viele.«

      »Hat dich dabei schon mal jemand angesprochen?«

      »Einmal, ja. Die Mutter eines kleinen Mädchens hat mich gebeten, ein paar Minuten auf ihr Kind aufzupassen, weil sie ein paar Erledigungen auf der anderen Seite des Platzes machen wollte.«

      Auch hier war das

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