Maigret und die verrückte Witwe. Georges Simenon

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Maigret und die verrückte Witwe - Georges  Simenon Georges Simenon

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Wohnung verlasse, als wollte man sichergehen, dass ich nicht gleich zurückkomme.«

      »Haben Sie das mal getan?«

      »Dreimal. Ich bin wieder in meine Wohnung zurück, als hätte ich etwas vergessen.«

      »Es war natürlich niemand dort.«

      »Trotzdem waren Dinge verrückt worden. Jemand hat es auf mich abgesehen. Ich weiß nicht, warum, denn ich habe nie einem Menschen ein Leid getan. Vielleicht sind es mehrere.«

      »Was hat Ihr Mann im Rathaus gemacht?«

      »Mein erster Mann war Bürochef. Er hatte sehr viel Verantwortung. Leider ist er früh gestorben, mit fünfundvierzig, an einem Herzinfarkt.«

      »Sie haben wieder geheiratet?«

      »Fast zehn Jahre später. Mein zweiter Mann war Verkaufsleiter im Bazar de l’Hôtel de Ville, in der Abteilung für landwirtschaftliche Geräte und Werkzeug aller Art.«

      »Und er lebt auch nicht mehr?«

      »Er war damals schon lange pensioniert. Wenn er noch lebte, wäre er heute zweiundneunzig.«

      »Wann ist er gestorben?«

      »Ich glaube, das habe ich Ihnen schon gesagt. Vor zwölf Jahren.«

      »Hatte er keine Angehörigen? War er Witwer, als Sie ihn geheiratet haben?«

      »Er hatte nur einen Sohn. Der lebt in Venezuela.«

      »Hören Sie, Madame, ich werde dem Kommissar berichten, was Sie mir gesagt haben.«

      »Und? Glauben Sie, dass er mich empfängt?«

      »Er wird Ihnen eine Vorladung schicken, wenn er Sie sprechen will.«

      »Haben Sie meine Adresse?«

      »Sie steht auf Ihrem Meldezettel, nicht wahr?«

      »Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen. Wissen Sie, ich habe solches Vertrauen in ihn. Ich glaube, er ist der Einzige, der das alles verstehen kann. Ich möchte Sie nicht kränken, aber ich finde doch, dass Sie ein bisschen jung sind.«

      Er brachte sie zur Tür und durch den Flur zu der breiten Treppe.

      Als er Maigrets Büro betrat, war Janvier bereits fort.

      »Nun?«

      »Ich glaube, Sie hatten recht, Chef. Eine Verrückte, aber eine friedliche, sehr ruhige und sehr beherrschte Verrückte. Sie ist sechsundachtzig, und ich hoffe, dass ich in ihrem Alter noch genauso gut in Schuss bin.«

      »Und diese Gefahr, in der sie angeblich schwebt?«

      »Sie wohnt seit über vierzig Jahren in derselben Wohnung am Quai de la Mégisserie. Sie war zweimal verheiratet. Und sie behauptet, dass die Dinge bei ihr zu Hause ihren Platz wechseln, wenn sie die Wohnung verlässt.«

      Maigret zündete seine Pfeife wieder an.

      »Zum Beispiel?«

      »Bilder hängen plötzlich schief, Vasen stehen verkehrt …«

      »Hat sie eine Katze oder einen Hund?«

      »Nein. Aber sie lauscht gern dem Gesang der Vögel im Erdgeschoss.«

      »Ist das alles?«

      »Nein. Sie ist überzeugt, dass sie verfolgt wird.«

      »Hat sie jemanden gesehen?«

      »Nein. Eben nicht. Es ist wohl eine fixe Idee.«

      »Kommt sie wieder her?«

      »Es liegt ihr sehr viel daran, Sie persönlich zu sprechen. Sie sind für sie geradezu der liebe Gott, der Einzige, der sie verstehen kann. Was soll ich tun?«

      »Nichts.«

      »Sie kommt bestimmt wieder.«

      »Dann sehen wir weiter. Du könntest aber für alle Fälle die Concierge befragen.«

      Maigret vertiefte sich wieder in die Akte, mit der er befasst gewesen war, und der junge Lapointe kehrte ins Inspektorenbüro zurück.

      »Ist sie wirklich verrückt?«, fragte ihn Janvier.

      »Wahrscheinlich. Aber nicht verrückt im üblichen Sinn.«

      »Kennst du viele Verrückte?«

      »Eine Tante von mir ist in einer Nervenklinik.«

      »Die Alte scheint Eindruck auf dich gemacht zu haben …«

      »Ja, schon. Sie hat mich behandelt wie einen Jungen, der von gar nichts eine Ahnung hat. Sie vertraut nur Maigret.«

      Am Nachmittag ging Lapointe zum Quai de la Mégisserie, wo in den meisten Läden tatsächlich Vögel und andere Kleintiere verkauft wurden. Bei dem strahlenden Wetter waren die Terrassen der Cafés geöffnet, und als Lapointe hochschaute, stellte er fest, dass die Fenster im ersten Stock offen standen. Nur mit Mühe fand er die Loge ganz hinten im Hof. Die Concierge saß in der Sonne und stopfte Männersocken.

      »Zu wem möchten Sie?«

      Er zeigte ihr seinen Dienstausweis.

      »Können Sie mir etwas über Madame Antoine de Caramé erzählen? So heißt sie doch, oder? Die alte Dame, die im ersten Stock wohnt.«

      »Jaja. Antoine ist der Familienname ihres zweiten Mannes, und darum heißt sie eigentlich nur Madame Antoine. Aber sie nennt sich Antoine de Caramé, weil sie so stolz auf ihren ersten Mann ist. Er hatte einen wichtigen Posten im Rathaus.«

      »Und wie ist sie so?«

      »Wie meinen Sie das?«

      »Ist sie nicht ein bisschen wunderlich?«

      »Warum interessiert sich die Polizei auf einmal für sie?«

      »Sie hat uns darum gebeten.«

      »Worüber hat sie zu klagen?«

      »In ihrer Abwesenheit sollen Dinge in ihrer Wohnung verrückt worden sein. Hat sie Ihnen nichts davon erzählt?«

      »Sie hat mich nur gefragt, ob ich fremde Leute zu ihr hätte hinaufgehen sehen. Hatte ich nicht. Von hier aus sieht man auch gar nicht, wer kommt und geht. Die Treppe ist im Flur.«

      »Bekommt sie Besuch?«

      »Ihre Nichte besucht sie jeden Monat ein- oder zweimal. Aber manchmal bleibt die auch drei Monate weg.«

      »Benimmt sich Madame Antoine wie ein normaler Mensch?«

      »Sie benimmt sich so wie alle alten Frauen, die allein leben. Sie ist kultiviert und immer höflich.«

      »Ist sie zu Hause?«

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