Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau. Edgar Rice Burroughs
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Schreiend vor Schmerz stürzte der Affe auf die Frau los, und vor Schrecken fiel sie ohnmächtig nieder.
Im selben Augenblick sprang Clayton wieder auf und eilte auf den Affen zu, ohne zu bedenken, dass er mit bloßen Händen nichts gegen ihn ausrichten könne. Aber er wollte das Letzte versuchen, um sein geliebtes Weib zu retten.
Kaum hatte er die Hand an das mächtige Tier gelegt, als es leblos vor ihm auf den Rasen rollte. Der Affe war tot! Die Kugel hatte ihn tödlich getroffen.
Als Clayton sah, dass die Gefahr beseitigt war, wandte er sich sofort seiner Frau zu. Zum Glück war sie nicht verletzt, aber sie war noch immer bewusstlos.
Vorsichtig hob er sie auf und trug sie in ihre Hütte, wo er sie sanft aufs Bett legte.
Es vergingen aber zwei Stunden, bis sie die Besinnung wieder erlangte. Verwundert schaute sie in der Hütte umher, und dann sagte sie seufzend:
O John, es ist doch gut, dass wir wirklich zu Hause sind! Ich hatte einen fürchterlichen Traum. Es war mir, als ob wir nicht mehr in London, sondern an einem schrecklichen Ort wären, wo wir von wilden Tieren angefallen wurden.
Beruhige dich, Alice, sagte er, indem er ihre Stirne streichelte, versuche wieder zu schlafen, und denke nicht mehr an den bösen Traum.
Noch in derselben Nacht wurde in der Hütte am Urwald ein Sohn geboren, während ein Leopard vor der Tür schrie und aus der Ferne das Brüllen eines Löwen erklang. - - - Lady Greystoke erholte sich aber nie wieder von der Nervenerschütterung, die sie bei dem Überfall durch den Affen erlitten hatte. Obschon sie nach der Geburt ihres Sohnes noch ein Jahr lang lebte, verließ sie die Hütte nicht mehr, und es kam ihr nie mehr ganz zum Bewusstsein, dass sie nicht in England war.
Manchmal wollte sie Clayton über die merkwürdigen nächtlichen Geräusche befragen, über die rohe und kunstlose Einrichtung ihres Heimes, in dem sie ihre Bedienten und ihre Freunde vermisste, und obschon er keinen Versuch machte, sie zu täuschen, so konnte sie doch den Zusammenhang des Ganzen nicht erfassen.
Im Übrigen war sie ganz vernünftig. Sie war glücklich, einen kleinen Sohn zu haben, und sie freute sich, dass ihr Gatte ihr beständig so viel Aufmerksamkeit erwies.
So war jenes Jahr trotzdem für sie ein glückliches, ja das glücklichste ihres jungen Lebens.
Dass es nur von Angst und Sorgen erfüllt gewesen wäre, wenn sie noch ihre vollen geistigen Fähigkeiten besessen hätte, wusste Clayton sehr wohl. Obschon er entsetzlich darunter litt, sie in diesem Zustand zu sehen, so war es ihretwegen doch ein Trost für ihn, dass sie ihre Lage nicht mehr erkannte. Schon lange hatte er die Hoffnung auf Hilfe aufgegeben. Er wusste sehr wohl, dass sie ihm nur noch durch einen günstigen Zufall zuteilwerden könnte.
Inzwischen hatte er mit unermüdlichem Eifer an der Verschönerung seines Heims gearbeitet.
Löwen, und Pantherfelle bedeckten den Boden. Schränke und Bücherregale standen an den Wänden. Merkwürdige Vasen, die er mit eigener Hand aus Lehm geformt hatte, waren mit prächtigen tropischen Blumen gefüllt, Vorhänge aus Gras und Bambus bedeckten die Fenster, und — was besonders schwierig gewesen — er hatte mit seinen einfachen Werkzeugen Holzleisten angefertigt, um die Ritzen in den Wänden und der Decke zu verschließen, und er hatte sogar einen glatten Fußboden in der Hütte gelegt.
Er selbst wunderte sich darüber, dass er imstande war, solcher ungewohnter Arbeiten Herr zu werden.
Aber er liebte die Beschäftigung, weil sie dazu beitrug, sein Heim wohnlicher zu machen. Dabei dachte er nicht bloß an seine Frau, sondern auch an ihren kleinen Sohn, über den er sich so sehr freute, obschon die Geburt dieses Weltbürgers seine Verantwortlichkeit und die Schrecken seiner Lage noch hundertfach vermehrt hatte.
Im Laufe des Jahres ward Clayton mehrmals von großen Affen angefallen. Diese schienen jetzt fortgesetzt die Nähe der Hütte aufzusuchen. Da er sich aber nie wieder ohne Gewehr und Revolver hinauswagte, brauchte er sich vor den riesigen Tieren nicht mehr so zu fürchten.
Da er beständig für Nahrung sorgen musste, ging er häufig auf die Jagd und auf die Suche nach Früchten. Damit nun nicht ein Tier in seine Hütte einbrechen könnte, brachte er an der Tür einen Holzverschluss an und verstärkte auch den Schutz an den Fenstern.
Anfangs konnte er viel Wild von seinem Fenster aus schießen, aber allmählich wurden die Tiere scheu und kamen nicht mehr so häufig in die Nähe seiner Hütte.
In seinen Mußestunden las Clayton seiner Frau oft aus den Büchern vor, die er mitgebracht hatte. Es waren darunter auch Bücher für kleine Kinder, Bilderbücher, Abc-Bücher und Lesebücher, denn, da er damit gerechnet hatte, dass er erst nach einer Reihe von Jahren nach England zurückkehren könne, hatte er schon diesbezüglich vorgesorgt.
Zuweilen schrieb Clayton an seinem Tagebuch, das er in französischer Sprache führte und in das er alle Einzelheiten seines seltsamen Lebens eintrug. Dieses Buch bewahrte er sorgfältig in einem Metallkästchen auf.
Ein Jahr nach der Geburt ihres Sohnes starb Lady Alice. Sie schied so friedlich hinüber, dass Stunden vergingen, ehe Clayton es fassen konnte, dass seine Frau tot war.
Seine schreckliche Lage kam ihm erst langsam zum Bewusstsein, und es ist zweifelhaft, ob er die ganze Größe seiner Sorgen und die schreckliche Verantwortung, die ihm jetzt für den kleinen Sohn zufiel, voll erkannte.
Die letzte Eintragung in sein Tagebuch machte er am Morgen nach dem Tode seiner Frau. Er erzählt darin die traurigen Tatsachen in einem so schlichten Tone, dass dadurch deren Wirkung nur noch erhöht wird. Es liegt darüber eine müde Stumpfheit, erzeugt durch lange Sorge und Hoffnungslosigkeit, und selbst der letzte schmerzliche Schlag konnte kaum sein Leid vergrößern.
[Brief]
Mein kleiner Sohn weint vor Hunger. — O