Einfach mal die Klappe halten. Cornelia Topf
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Einfach mal die Klappe halten - Cornelia Topf страница 7
Diese Fähigkeit zum Schweigen in Verhandlungen scheint auch ein Phänomen der Nationalität zu sein. Ein britischer Verhandlungsspezialist eines internationalen Bauunternehmens erzählte mir einmal, dass es schwierig sei, mit Japanern zu verhandeln: »Die verlangen alle halbe Stunde eine Pause, um sich mit ihrer Zentrale daheim abzustimmen.« Die Deutschen seien viel einfacher über den Tisch zu ziehen: »Auch wenn die Verhandlung schon lange die Kompetenzgrenze der deutschen Manager überschritten hat, verlangen die keine Denkpause, sondern verhandeln munter weiter – und reden sich um Kopf und Kragen.« Weil sie reden, anstatt zu schweigen.
Dass es in Verhandlungen manchmal besser sein kann, zu schweigen als zu sprechen, wusste schon der römische Dichter Boethius, als er sagte: »Si tacuisses, philosophus mansisses.« Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben. Philosophen plappern nicht unüberlegt. Heute sind die Philosophen fast ausgestorben. Oder kennen Sie mehr als einen Menschen, der sich überlegt, was er sagt? Der seine Worte weise wägt, bevor er sie äußert?
Bevor man etwas Dummes sagt, schweigt man besser.
Das ist jedem klar. Warum machen es dann so wenige? Weil sie durch ihr Schweigen nicht den Eindruck erwecken wollen, ein wenig begriffsstutzig zu sein. Deshalb plappern sie lieber unüberlegt drauflos. Besser wäre, das Risiko anders auszuräumen, zum Beispiel mit einer Erklärung seines Schweigens: »Das muss ich mir erst einmal durch den Kopf gehen lassen.« Auf so einfache Sätze kommen wir meist nicht. Stattdessen quasseln wir munter drauflos und bereuen es hinterher. Wir tun das auch, weil die meisten Menschen glauben, sie könnten beides gleichzeitig: reden und denken. Das gilt für Routineüberlegungen. Man kann durchaus mit seinem Partner übers Wetter reden, während man sich eine Stulle schmiert. Doch wer das jemals wirklich getan hat, wird sicher bemerkt haben, dass er die Stulle sehr viel ordentlicher und schneller schmiert, wenn er dabei nicht gleichzeitig reden muss.
Man kann nicht gleichzeitig reden und denken
Wer sich diese Unvereinbarkeit vor Augen führt, der wird bald verärgert sein über seine eigene Gedankenlosigkeit beim Reden. Das ging bei mir so weit, dass ich selbst bei so einfachen Fragen wie »Wie geht’s dir?« erst einige Sekunden nachdachte und in mich hineinhörte, weil ich das gedankenlos-reflexhafte »Ja, danke, ganz gut und dir?« so satt hatte und so oberflächlich und unehrlich fand. Übrigens mit unerwarteten Auswirkungen auf meine Gesprächspartner. Die merkten instinktiv, dass ich eine ehrliche, überlegte Antwort gab, und waren dann ihrerseits auch bereit, so ehrlich und offen zu sein. Die Gespräche empfand ich damals als sehr angenehm (meine Gesprächspartner auch). Heute mache ich das nicht mehr ausnahmslos. Was uns einer weiteren Erkenntnis näherbringt:
Sie müssen nicht immer schweigen. Sie können und sollen durchaus wählen zwischen Schweigen und Reden. Aber wenn Sie keine Wahl haben und immer unüberlegt drauflosreden, haben Sie ein Problem. Nämlich mit Ihrer Wirksamkeit.
Auch wenn Sie es nicht bemerken – Ihre Umwelt wird das ganz sicher bemerken. Und darunter leiden. Oder Sie ausnutzen. Denn wer unüberlegt plappert, kann herrlich manipuliert werden. Warum? Siehe oben: weil man eben nicht gleichzeitig scharf nachdenken und reden kann.
Der Beschwichtigungs-Effekt
Schweigen löst keinen Trotz aus
Wir leben in hektischen Zeiten. So viele Zeitgenossen gehen uns mit so vielem auf die Nerven. Was die alles von uns wollen! Die meisten Chefs müssen nur den Mund aufmachen und schon gehen sie uns auf den Geist. Und erst einige Kollegen, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Verwandte, Kinder … Haben Sie schon einmal überlegt, dass es anderen mit Ihnen genauso geht? Warum ist das so? Wie schafft es der Chef, mit einer simplen Äußerung über den erwarteten Geschäftsverlauf der nächsten drei Monate die Hälfte seiner Abteilung gegen sich aufzubringen? Die Antwort ist einfach. Kommen Sie drauf? Sie lautet: Indem er redet.
Die meisten Menschen wissen nicht, dass selbst neutrale Äußerungen immer auch ein gewisses Maß an Reaktanz, Trotz, Widerstand auslösen.
Der Chef kann sagen, was er will. Allein deshalb, weil er Chef ist, lösen seine Worte Widerwillen bei schätzungsweise zwei Dritteln seiner Mitarbeiter aus. Diese empirische Erkenntnis der Kommunikationsforschung verstört Führungskräfte regelmäßig. Die meisten glauben noch, dass die Mitarbeiter ihnen zuhören würden, als verkündeten sie das Evangelium. Ein tragischer Irrtum.
Neulich berichtete mir ein Betriebsratsvorsitzender, dass die letzte Runde im Tarifstreit nicht halb so stressig gewesen sei wie sonst üblich. Ich fragte, ob der Chef denn endlich ein angemessenes Angebot unterbreitet habe. Der Arbeitnehmervertreter schüttelte den Kopf: »Er hat bloß viel weniger gesagt als sonst. Vielleicht hatte er einen schlechten Tag. Aber das war so angenehm für uns!« In überraschend vielen Gesprächssituationen tut Ihrem Partner jedes Wort weh, das Sie sagen. Schweigen tut nicht weh. Es lindert sogar. Also schonen Sie die Nerven Ihres Gesprächspartners. Reden Sie weniger und schweigen Sie mehr.
Der Motivations-Effekt
Schweigen motiviert
Wenn Menschen andere motivieren wollen oder müssen, was machen sie dann? Sie reden. Logisch. Warum ist das logisch? Warum wird Anfeuern, Einpeitschen, Drohen und gut Zureden als Synonym für Motivation verwandt? Wer hat das eingeführt? Die besten Motivatoren unter den Eltern und anderen Führungskräften, die ich kenne, kommen mit überraschend wenig Worten aus. Sie schweigen mehr, als sie reden, denn:
Wenige Worte und viel Schweigen motivieren am besten.
In einem Fertigungsbetrieb erlebte ich einmal ein schlagendes Beispiel dafür. Ein Produktionsleiter musste seinen Mitarbeitern beibringen, dass die neue Pumpe 20 Prozent billiger werden müsse, um mit den asiatischen Produkten konkurrenzfähig zu werden. Als ich bei ihm eintraf, zwinkerte er mir zu und sagte: »Heute halte ich meine große Motivationsrede.« Ich erwartete die übliche zweistündige »Auf-zu-neuen-Ufern-Rede« mit Versatzstücken wie »Das schaffen wir!«, wie ich sie von vielen Vorständen gut kenne. Der Fertigungsleiter überraschte mich. Er war in zwei Minuten fertig. Er ging in die Werkshalle, wo er vor seinen versammelten Mitarbeitern schon ein kleines Podest mit zwei verhüllten Objekten aufgebaut hatte. Er zog das Tuch vom ersten Objekt: Es war die verhasste asiatische Pumpe mit einem überdimensionalen Preisschild: »280 Euro«. Dann enthüllte er die eigene Pumpe: »350 Euro. Unverkäuflich!« Den Mitarbeitern fiel die Kinnlade herunter. Daraufhin sagte der Abteilungsleiter nur eines: »Wir haben drei Monate Zeit. Lasst uns ein neues Preisschild bauen!« Ende der Motivationsrede. Dass er und seine Mitarbeiter daraufhin trotzdem noch eine geschlagene Stunde um die beiden Pumpen herumstanden und stürmisch diskutierten, war das beste Beispiel dafür, wie motivierend wenig Reden und viel Schweigen wirkt: Die Mitarbeiter diskutierten bereits hitzig diverse Vorschläge zur Kostensenkung. Das hätten sie nach einer Zwei-Stunden-»Motivations«rede nie getan. Da hätten sie sich erst einmal einen Kaffee geholt,