Einfach mal die Klappe halten. Cornelia Topf

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Einfach mal die Klappe halten - Cornelia Topf Dein Erfolg

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Mitdenken an.

      Als ich diesen Tipp einmal einem Vorgesetzten gab, erwiderte dieser: »Ach, meine Mitarbeiter wissen schon, was ich von ihnen erwarte. Und so viel Zeit habe ich ja auch nicht. Time is money!« Wie Manager so reden, wenn sie nicht zu schweigen gelernt haben. Ich fragte daraufhin (in Abwesenheit des Vorgesetzten) die Mitarbeiter. Die sagten mir: »Wir kriegen meistens nur die Hälfte mit von dem, was er will. Aber er wiederholt sich ja oft genug.« Man kann sich vorstellen, welche Achtung dieser Vorgesetzte bei seinen Mitarbeitern genießt. Er wird als Mann betrachtet, dessen Wort nicht viel wert ist. Weil er ohne Punkt und Komma redet. Respekt bekommt er von ihnen nicht – und das beruht auf Gegenseitigkeit. Denn das ist eine der erschreckendsten Konsequenzen der ungebrochenen Plappersucht in Management, Politik und Gesellschaft: die chronische Aushöhlung des gegenseitigen Respekts.

      Eine Gesellschaft, die den Respekt verloren hat

      Bei der ohne Punkt und Komma Anweisungen gebenden Mutter und ihrem Pendant im Management wird eines deutlich:

       Wer ohne Pause redet, respektiert sein Gegenüber nicht.

      Wer keine Pausen setzt, möchte auf den anderen nicht eingehen

      Warum auch? Kinder sind doch bloß Kinder. Was wissen die schon? Und Mitarbeiter sind weisungsgebunden, also weist man sie an! Deshalb sind Waldorfschulen so anders: Da reden auch die Schüler. In einer »normalen« Schule gilt der alte Pennäler-Spruch: »Wenn jeder schläft und einer spricht, dann nennt man das wohl Unterricht.« Vielleicht ist das nötig (warum?), höflich oder respektvoll ist es nicht. Dasselbe gilt für die Alltagskommunikation: Wer redet und redet, möchte dem anderen gar nicht zuhören, möchte sich in erster Linie selbst profilieren, seine Sorgen abladen, sich produzieren. Wenn wir mit anderen reden, wollen wir oft nicht wirklich mit anderen reden. Wir wollen zu anderen reden, Monologe vor Publikum halten.

      Bitte verstehen Sie das nicht als Vorwurf! Das geht uns allen so, auch mir. Der Unterschied zwischen Ihnen, mir und dem Rest der Welt besteht lediglich darin, dass Sie und ich es bemerken, wenn wir andere ohne Pause zutexten. Dass uns das ein unangenehmes Gefühl gibt. Dass wir uns dabei fragen: Möchte ich so mit anderen umgehen? So respektlos? Diese Frage ist der erste Schritt zur Befreiung aus der Sklaverei des Sprechzwangs. Es müssen noch viele weitere folgen. Denn der Sprechzwang hält uns mit vielen Fesseln umfangen. Eine davon ist das angeblich »peinliche Schweigen« (siehe ausführlich Kapitel 5):

       Wer Schweigen für peinlich hält, schweigt nicht.

      Wie Frauen und Männer zum Schweigen stehen

      Schweigen ist peinlich, denken vor allem Frauen. Weil man dem anderen damit signalisiert: Ich mag dich nicht! Männer glauben seltsamerweise das Gegenteil. Zwei Männer auf einer Bank, rauchend, schweigend – das perfekte Glück für Männer. Sie denken nämlich: Wer mich auch ohne große Worte versteht, ist ein guter Kumpel. Das erklärt, warum Männer Frauen oft als Quasselstrippen empfinden, obwohl sie objektiv betrachtet gar nicht so viel reden. Für Frauen ist Sprechen das bevorzugte Mittel zur Beziehungspflege, für Männer Schweigen (in der romantischen oder freundschaftlichen Beziehung). Es gibt Ehepaare, die seit vierzig Jahren verheiratet sind und diesen Unterschied in der Bedeutungszumessung von Schweigen immer noch nicht erkannt haben. Warum auch? Für eine konventionelle Beziehung scheint es nicht nötig zu sein, die Kommunikationsprinzipien des Partners zu verstehen.

      Männer haben andere Vorbehalte gegen das Schweigen: »Wer schweigt, hat nichts zu sagen!«, denken Männer vor allem im beruflichen Kontext, und das in zweifacher Hinsicht: Wer schweigt, hat keine Macht oder er kennt sich nicht aus. Deshalb reden einige Vorgesetzte so viel. »Wer viel redet, hat viel Macht«, scheinen sie zu glauben. Vorgesetzte haben große Hemmungen vor dem Schweigen, weil sie es mit Macht- und Statusverlust gleichsetzen: Wer hat ständig den Mund offen? Das muss dann wohl der Chef sein.

      Außerdem scheint Reden das Selbstwertgefühl von Männern und Frauen aufzubauen. Bei Managern ist das gut zu beobachten: Manche fangen eine Ansprache an die Belegschaft zaghaft und schüchtern an und werden umso selbstbewusster, je länger sie reden. Bei wirklich selbstbewussten Managern ist das gerade umgekehrt: Diese sagen schon die ersten drei Sätze im Brustton der Überzeugung – und schweigen danach souverän und bedeutungsvoll, weil sie gesagt haben, was gesagt werden musste. Jedes weitere Wort wäre überflüssig.

       Reden stärkt zwar das Selbstwertgefühl – aber auf Kosten Ihrer Zuhörer. Versuchen Sie, Ihr Selbstwertgefühl vor dem Reden aufzubauen, nicht während des Redens.

      Es merkt nämlich jeder Zuhörer, wenn Sie sich Mut anquasseln wollen. »Der fühlt sich eben nur wohl, wenn er den Mund offen hat« wird über solche Zwangsquassler gesagt. Gar nicht so einfach, »einfach« nur zu schweigen? Gut erkannt. Wir würden ja schon gerne ab und an die Klappe halten. Aber Frauen dürfen das nicht, weil es angeblich Missachtung des Gegenübers bedeutet, Männer können es nicht, weil sie dann angeblich inkompetent wirken. Wer diese Fehlattributionen (irrtümliche Bedeutungszuordnungen) für leicht irre hält, dem sei gesagt: Das ist nicht nur beim Schweigen so. Die komplette Kommunikationskultur der westlichen Welt ist leicht psychotisch. Nirgends zeigt sich das so deutlich wie bei der Äußerung von Wünschen.

      Verbreitet: Wünsche als Vorwürfe äußern

      »Es ist total ungerecht«, sagt der Sachbearbeiter empört zum Chef. »Ich arbeite so viel und bekomme bloß so ein schlechtes Gehalt.« »Du beteiligst dich nie an der Arbeit im Haushalt!«, sagt die Ehefrau zum Ehemann. Was wollen beide eigentlich sagen? Der Sachbearbeiter möchte sagen: »Chef, ich wünsche mir 200 Euro mehr Gehalt.« Die Ehefrau möchte sagen: »Bitte übernimm auch einige Aufgaben im Haushalt.« Warum sagen sie es nicht? Weil wir Menschen andere Menschen zum Mond schießen, aber nie gelernt haben, miteinander zu sprechen. Das erkennen wir unter anderem daran, dass einige von uns direkte oder indirekte Vorwürfe für das geeignete Mittel halten, ihre Wünsche vorzubringen. Wenn Sie das für primitiv halten, möchte ich Ihnen nicht widersprechen. Delfine und Primaten haben teilweise höher entwickelte Kommunikationsformen. Es gibt Historiker, die allen Ernstes behaupten, dass die Hälfte aller Kriege nur deshalb entfacht wurde, weil die beteiligten Parteien unfähig waren, vernünftig miteinander zu reden. Ich frage mich, was die andere Hälfte verursacht hat …

      Worauf ich hinauswill: Wer Vorwürfe für eine geeignete Form der Wunschäußerung hält, der ist mit Schweigen als Form des persönlichen Ausdrucks hoffnungslos überfordert. Glücklicherweise Sie nicht. Was Sie auszeichnet. Was aber auch heißt: Lesen Sie weiter und wenden Sie an, was Ihnen nützlich erscheint. Aber erzählen Sie nur ausgewählten Personen vom Schweigen. Denn die meisten Menschen werden es nicht verstehen, was Sie da erzählen. Ein Hochschullehrer fragte mich bei einem Stehempfang doch tatsächlich: »Wie kann ich mich denn verständlich machen, wenn ich schweige?« Seine neben ihm am Prosecco nippende Frau meinte lakonisch: »Du meinst, du bist verständlicher, wenn du redest?«

       Schweigen ist gar nicht so einfach. Wir müssen dafür erst einige Missverständnisse, Glaubenssätze und falsche Vorstellungen überwinden.

      Diese Überwindung ist alles

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