Perry Rhodan Neo 191: Pilgerzug der Posbis. Oliver Plaschka

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Perry Rhodan Neo 191: Pilgerzug der Posbis - Oliver Plaschka Perry Rhodan Neo

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er sie: Decauville, die Kopilotin, die auf einem der wackligen Regulatorentürme saß wie ein Cowboy beim Rodeo auf einem Stier. Sie hatte sich die Haare bis auf ein einziges, unförmiges Büschel rasiert, und sie war blass und hatte blutunterlaufene Augen, sodass sie aussah wie eine Strahlenkranke. Mit der Rechten reckte sie einen Thermoschweißer wie eine Siegestrophäe empor.

      Als sie ihn erblickte, stieß sie einen wilden, trällernden Schrei aus und sprang von dem Regulator. Molinari verstand erst gar nicht, was er sah. Er hatte mit Widerstand gerechnet, aber nicht ...

      Meine Kinder. Reinigt das Schiff! Lasst die Kälte ein! Öffnet der Stille das Tor! Ergebt euch der reinen Perfektion!

      »Hörst du sie auch?«, schrie Decauville mit sich überschlagender Stimme. Ihre geröteten Augen waren riesengroß vor Erregung. »Ich erfülle ihr Werk! Hörst du sie? Hörst du sie?«

      Auf einmal fühlte Molinari sich schlaff und antriebslos, als hätte die aufgedrehte Pilotin alle Energie von ihm abgezogen. Er war nicht der Einzige. War nicht der Auserwählte. Sie hörte die Stimme ebenfalls – und sie hatte ganze Arbeit geleistet.

      Er schaute sich um. Die Lebenserhaltungssysteme standen in Flammen. Schon fielen die ersten Regulatoren aus. Funken sprühten von einer Konsole wie Frühjahrsregen.

      Das Werk war getan. Er wurde nicht mehr gebraucht.

      Ergebt euch mir.

      »Hörst du sie?«, schrie die Wahnsinnige ein letztes Mal.

      Als Molinari keine Antwort gab, stieß sie ihm den Thermoschweißer in die Brust und betätigte den Zünder.

      Unfassbarer Schmerz entflammte in seinem Leib. Halb bewusstlos taumelte er zurück, nur fort, zurück in den Flur. Er hörte noch Decauvilles schnelle Schritte, die sich entfernten, dann fiel auf einmal die künstliche Schwerkraft aus, und er begann zu schweben.

      Mit zittrigen Fingern packte er einen Vorsprung und hielt sich fest; es war der Rahmen eines Glassit-Bullauges.

      Ein letztes Seufzen fuhr durch den Gang. Die leise Symphonie der Pumpen, deren Zischen und Rauschen sonst die Räume erfüllte, erstarb. Schon schien es ihm, als wäre auch die Temperatur gefallen. Allein die fahle Notbeleuchtung verweigerte sich noch dem Unvermeidlichen.

      Ein Knarren durchdrang das Raumfahrzeug, wie das Ächzen eines sehr alten Baumstamms im Sturm.

      Molinari schloss die Augen.

      Das ist das Ende. Die Reinheit. Die Perfektion.

      Aus der Weite glaubte er, einen klaren Klang zu vernehmen, wie schwingender Kristall.

      Er kam noch einmal zu sich, ehe es vorbei war. Seine Finger, mit denen er sich nach wie vor am Fenster festhielt, waren schon blau und ohne Gefühl. Die Schmerzen im Rest seines schwebenden Körpers waren gnadenvoll fern.

      Er wandte den Kopf.

      Und mit seinem letzten Atemzug erhaschte Paolo Molinari draußen vor dem Fenster, eingefasst in die segensreiche Schwärze des Alls, einen Blick auf die blutrote, betörende Geometrie der reinen, makellosen Perfektion.

      Teil I

      Ankunft: 15. September 2058

      1.

      Edwina Kerpen

      Die Space-Disk verließ den Planetenschatten und gewann an Höhe, bis Pluto und sein Primärmond unter ihr im Sonnenschein glänzten: pastell- und erdfarbene Flächen aus Stickstoff-, Methan- und Wassereis, gespickt mit vereinzelten Kryogeysiren und alten Eisvulkanen.

      Vieles an diesem Bild stimmte nicht: Pluto war kein richtiger Planet, Charon nach Meinung mancher Astronomen kein richtiger Mond, und die nötige Schwerkraft und Lichtverstärkung, um auf beide hinabzublicken und dabei sogar Farbunterschiede wahrzunehmen, wurden von der Space-Disk gestellt.

      Edwina Kerpen war das egal, denn sie hatte ihren ersten freien Tag seit einem ganzen Monat. PUMA war für umfangreiche Wartungs- und Optimierungsarbeiten in den Testmodus versetzt, niemand außer den Positronikspezialisten hatte etwas zu tun. Und wie immer, wenn Kerpen dienstfrei hatte, arbeitete sie.

      Ihre Arbeit – ihr Leben! – war die Pluto-Multiortungsanlage PUMA, Akronym für Pluto Ultrasensoric Multilocating Array, deren Wissenschaftliche Leiterin sie seit über sieben Jahren war. PUMA war eine der effektivsten Ortungsanlagen des Solsystems. Das Großinstrument hatte nicht lange nach Indienststellung die ersten Gravitationswellen der anrückenden Sitarakh angemessen. Selbst während der Evakuierung der Erde hatten die Menschen an diesem Ort weitergeforscht, und inzwischen war die Installation noch wesentlich effektiver. Ihr Herzstück waren die beiden positronisch erweiterten LIGOS: Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorien.

      In ihnen wurden Laserstrahlen von hoher Leistung zunächst geteilt und am Ende wieder zusammengeführt – und zwar so, dass beide Teilstrahlen einander im Normalfall genau auslöschten. Wurden die Strahlstrecken jedoch von einer Gravitationswelle durchlaufen, verursachte dies eine Verzerrung der Raum-Zeit und somit eine Phasenverschiebung der Laser-Teilstrahlen samt messbarer Interferenzwirkung. Es war ein einfacher Aufbau, den Physiker im Prinzip bereits im neunzehnten Jahrhundert benutzt hatten, um die blühenden Phantasien von einem Äther, der das Weltall durchflutete, durch wissenschaftlichen Gegenbeweis zu begraben. Natürlich waren die Interferometer seither mehrere Größenordnungen empfindlicher geworden.

      Früher hatte man die benötigte Lauflänge des Laserlichts vor allem durch ein vielfaches Hin- und Herspiegeln erreicht. Nun verbanden die Interferometer mehrere Welten: Weil Charon und Pluto mit ihrer doppelt gebundenen Rotation einander immer dieselben Seiten zuwandten, sandten die auf ihren Oberflächen installierten PUMA-Anlagen ihre Laserstrahlen von vornherein fast achtzehntausend Kilometer weit, ehe sie auf einen Spiegel trafen.

      Kerpen goss sich einen heißen Früchtetee ein und presste einen ordentlichen Schuss Honig aus der Tube dazu. Dann wählte sie eine Titelliste aus ihrem persönlichen Verzeichnis aus und ließ sich zu den ersten Gitarrenklängen eines alten Johnny-Cash-Songs zurücksinken.

      Sie genoss diese privaten Ausflüge mit der Disk. Offiziell dienten sie dazu, das Observatorium zu inspizieren und bei den Außenposten auf den Kleinmonden Versorgungsgüter abzuwerfen. Inoffiziell liebte Kerpen einfach die Stille, die Einsamkeit am Rand des Systems, wo die heimatliche Sonne nur ein heller Stern unter vielen war. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die Kalten Welten, wie die verschwundenen Issgeran sie genannt hatten, den Menschen unerreichbar fern gewesen. Mittlerweile konnte Kerpen die Wunder des äußeren Solsystems aus der behaglichen Wärme unter ihrer Panzerplastkuppel bestaunen.

      Dennoch bekam sie regelmäßig eine Gänsehaut, wenn einer dieser allesamt nach Gefilden und Wesen der Unterwelt benannten Himmelskörper unter ihr hinwegrollte. Dank arkonidischer Technik und den uralten Hinterlassenschaften ihrer Vorfahren flog die Menschheit sogar schon bis in weit entfernte Sterneninseln ... Für Edwina Kerpen indes gab es keinen phantastischeren Ort im Universum als den Kuipergürtel, beim fremdartig schönen Pluto-Charon-Doppelsystem, um die Weite und Wunder des Weltraums zu spüren.

      Sie wusste, dass sie unter ihren Kollegen einen Ruf als zwar kompetente, aber humorlose Hyperphysikerin besaß. Das störte sie nicht – es konnte nicht jeder so ein schräger Vogel wie Eric Leyden sein. Oder Ephraim Oxley! Tatsächlich wirkten die meisten fähigen Köpfe, mit denen sie in den vergangenen Jahren zu tun gehabt hatte, grundlos exzentrisch auf sie. Vielleicht fehlte ihnen einfach ein Ausgleich?

      Sie

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