Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband). Uwe Anton
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband) - Uwe Anton страница 23
Damit warf er genau die Frage auf, die die Hyperphysik seit Jahrhunderten zu klären versuchte – erfolglos.
Dann wandte er sich dem Gegenstand zu, wegen dem er eigentlich hierher gekommen war.
Die Uhr mit dem fein ziselierten vergoldeten Gehäuse lag auf einer Arbeitsfläche. Als Terra-Nostalgiker mit einem Faible für die Vergangenheit seiner Heimatwelt und vor allem der Region, aus der er stammte und der er sich nun zugehörig fühlte, hatte er die Geschichte dieses Relikts über die Jahrtausende hinweg zurückverfolgt.
Die Erde war zwar schon mehrmals ent- und wieder bevölkert worden, doch Bi Natham Sariocc war in dem ehemaligen Bundesstaat Indien geboren worden und aufgewachsen; er fühlte sich als Inder. Auch diese Uhr stammte von dort. Als in seiner Jugend Ausgrabungen in seiner Heimatstadt stattfanden, hatte er sie gefunden, und sie hatte ihn dermaßen fasziniert, dass er sie einfach behalten hatte.
In mühevoller Kleinarbeit hatte er sie restauriert und nach uralten Vorlagen zahlreiche Teile eigens hergestellt. Ihre Herkunft war schier unglaublich. Im 19. Jahrhundert alter Zeitrechnung hatte ein englischer Adliger namens Sir Rupert Edward Challenger diese Taschenuhr seinem nur dem Namen nach bekannten Führer auf einer Expedition in unzugängliche Gebiete des indischen Subkontinents geschenkt. Fast sechshundert Jahre lang verblieb sie im Besitz der Nachkommen dieses Mannes, bis die Erde dann während des Dolan-Angriffs im September 2437 stark verwüstet worden war. Ihr damaliger Besitzer hatte sie jedoch, zusammen mit anderen wertvollen Erinnerungsstücken und Dokumenten, in einem Safe aufbewahrt, der dann wiederum fast zweieinhalb Jahrtausende später zwar verschüttet, aber ansonsten unbeschädigt aufgefunden worden war.
Bi warf einen Blick auf die Holoprojektionen, die die Abteilungssyntronik zur Vorbereitung der Versuchsanordnung erzeugt hatte, und konzentrierte sich wieder auf sich selbst. Möge ich glücklich und zufrieden leben ...
Er spürte sofort, dass es ihm auch jetzt nicht gelingen würde, im eigentlichen Sinne zu meditieren. Wenn er die Augen schloss, sah er die Taschenuhr mit ihrem anachronistischen Zeiger, und der Zeiger sprang in einem asynchronen Rhythmus immer wieder vor und zurück ...
Bi Natham Sariocc versuchte, sich zumindest in eine gewisse Trance zu versetzen. Er ignorierte das immer stärker werdende Vibrieren, das von der JOURNEE ausging, und atmete tief und gleichmäßig ein.
Plötzlich vernahm er ein Ticken. Es schien völlig stetig und gleichmäßig zu sein, doch seine Sinne waren dermaßen geschärft, dass er Sekunden später eine erste Unregelmäßigkeit hörte: Es wurde lauter.
Und dann unrhythmisch.
Und stockte schließlich ganz.
Nur um im nächsten Augenblick wieder einzusetzen, und zwar so laut und durchdringend, dass es sich mit den Vibrationen der JOURNEE vereinigte und zum Stampfen der Schiffsantriebe wurde, die gegen irgendetwas ankämpften, das sie vielleicht nicht bezwingen konnten.
Die Taschenuhr füllte nun das gesamte Blickfeld des Hyperphysikers aus. Plötzlich wurde sie durchsichtig, und er konnte ihr Inneres sehen: ein augenscheinliches Chaos von Zahnrädchen, die jedoch wohlgeordnet ineinander griffen, die so straff gespannte Feder, dass sie jeden Moment aus ihrer Fassung zu springen drohte.
Dann war die vergoldete Hülle wieder so fest und undurchlässig wie zuvor. Abrupt klappte der Deckel auf, und Bis Blick folgte den feinen Ziselierungen, und sie wurden größer und größer, verwandelten sich in Rillen, in Erdspalten, dann in Schluchten, die Flüsse Kilometer tief in den Boden gegraben hatten, in einen güldenen, fein ziselierten Grand Canyon ...
Nein, dachte Bi. Was geschieht hier? Ich verliere mich in der Uhr, werde niemals in die Wirklichkeit zurückfinden ...
Er suchte einen ruhigen Pol in sich selbst, einen Ort, in den er sich zurückziehen konnte, die Kraft finden würde, um diesen Wahnsinn zu überstehen.
Denn es war Wahnsinn. Wenn er nur wüsste, was mit der JOURNEE geschah ... Der Spürkreuzer versuchte, die Barriere zu durchbrechen, die Andromeda umgab, und offensichtlich kam es dabei zu Effekten, von denen Bi sich nicht die geringste Vorstellung machen konnte. Nur ihre Auswirkungen bekam er mit.
Hyperphysikalische Effekte?
Wahrscheinlich. Aber er konnte sich nicht bewegen, nicht einmal sprechen, war nicht imstande, sie irgendwie zu untersuchen.
Ein Garten, dachte er. Ziehe dich in einen Garten zurück. Dort findest du Ruhe und Ausgeglichenheit, wie bislang immer in deinem Leben. Betrachte die Blumen um dich herum, die nicht in mit dem Lineal gezogenen Beeten wachsen, es ist ein Naturgarten, so widersinnig dieses Wort auch sein mag, rieche ihren Duft, erfreue dich an ihrer Farbenpracht, und Tiere besuchen diesen Garten und stellen das Spiel der unendlichen Vielfalt der Schöpfung unter Beweis. Dort, im dichten Würgepflanzengewächs an diesem Baum nisten Vögel, die an diesem wunderschönen Morgen zwitschern, und da huscht ein Eichhörnchen den Stamm hinauf, um Nüsse für den Winter zu sammeln ...
Und dann zwitscherten die Vögel längst nicht mehr, sondern trällerten, um die Abenddämmerung willkommen zu heißen, und bauten weiter an ihrem Nest, und die possierlichen Eichhörnchen entdeckten den Nistplatz, und Vogeleier waren eine Delikatesse für sie, und eine Katze schlich heran, und sie verschmähte zwar kein Eichhörnchen, wartete aber lieber darauf, dass die kleinen Vöglein ausschlüpften, doch dann trampelte ein Klonelefanten durch den Garten, verscheuchte zwar das Eichhörnchen und die Katze, aber auch die Vogeleltern, die ihre Küken füttern wollten ...
Nein, dachte Bi.
Und öffnete die Augen.
Die Taschenuhr wirbelte um ihn herum, verlor abrupt ihre Konsistenz, zerfloss, als bestünde sie nicht mehr aus vergoldetem Metall, sondern aus Sirup, der erhitzt und immer dünnflüssiger wurde, und eine brennende Giraffe trabte an der Uhr vorbei, und das stete Ticken wurde lauter und lauter, und Bis Blick fiel in die Uhr, auf das Ziffernblatt. Die Bewegung der Zeiger stoppte. Sie wanderten mit einem Mal rückwärts, dann ruckartig wieder vorwärts, und schließlich rasten sie in scheinbar extremer Beschleunigung vorwärts und rückwärts zugleich. Und ihre Bewegungslinien verharrten dabei, blieben wie ein Nachbild bestehen und bildeten eine Art Netzwerk ...
Indras Netz, dachte der Buddhist. Ein endloses Netz von Fäden, bei dem die waagerechten durch den Raum und die senkrechten durch die Zeit verliefen. Und an jedem Kreuzungspunkt war ein Individuum in Gestalt einer Kristallperle zu finden. Das große Licht des absoluten Seins erleuchtete und durchdrang jede Perle. Darüber hinaus spiegelte jede Perle nicht nur das Licht einer jeden anderen im Netz, sondern auch jede Spiegelung jeder Spiegelung, womit die vollkommene Verbundenheit von allem mit allem entstand ...
Der Moralische Kode, dachte der Hyperphysiker. Er enthielt in seinen Psionischen Informationsquanten und Kosmonukleotiden sämtliche Aspekte der möglichen Entwicklung aller Universen, mochten sie als einander parallel, vergangen oder zukünftig erscheinen.
Ich muss hier heraus, dachte der Mensch mit dem kreatürlichen Überlebenstrieb. Gleich wird es zu spät sein. Gleich werde ich jeden Halt verloren haben.
Das Vibrieren der JOURNEE wurde so schmerzhaft, dass es Bis Gehirn zu sprengen schien. Einen Augenblick lang hatte er die irrwitzige Befürchtung, als Klonelefant wiedergeboren zu werden, dann löste sich die Welt um ihn herum auf, und er fiel in den entsetzlichen Abgrund unter der Uhr, und kein Faden des Netzes fing ihn auf, und er schrie und schrie ...
Kapitel 5