Reisen ans Ende der Welt. Ibn Battuta

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Reisen ans Ende der Welt - Ibn Battuta Edition Erdmann

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überschritt. Seit Jahrtausenden, und dann besonders vom Feldzug Alexanders des Großen an, war der Subkontinent Indien ein begehrtes Land für viele Völker und Herrscher, ebenso für Kaufleute, die sich besonders für die begehrten Gewürze, aber auch für Edelmetalle interessierten. Mit den Kriegszügen Mahmuds von Gazna hatte der Islam in Indien Fuß gefasst, ohne sich jedoch in dem Umfang ausbreiten zu können, wie es ihm anderswo möglich war. Der damals schon vorhandene Gegensatz zwischen den Muslimen und den altgläubigen Indern, den auch Ibn Battuta am eigenen Leib zu spüren bekam, setzte sich unvermindert bis heute fort.

      Es hatte den Anschein, als wollte sich Ibn Battuta in Indien auf die Dauer niederlassen; denn über acht Jahre lang hielt er sich in Delhi auf. Hier brachte er es zu großem Ansehen, sodass ihn schließlich der dortige Sultan bat, als dessen Gesandter nach China zu reisen. Schon an die vierzig Jahre alt, startete Ibn Battuta in sein größtes Abenteuer, das ihm unter den abendländischen Kennern seiner Schilderungen den Namen »Marco Polo der Araber« eingebracht hat. Diese an vielen unglücklichen Zwischenfällen, aber auch angenehmen Ereignissen reiche Reise wird Hauptinhalt seiner nachfolgenden Schilderungen sein.

      Im April 1347, also 14 Jahre nachdem er Indien betreten hatte, kam er zurück. Von Zafar an der Nordküste Arabiens durchquerte er Persien, Mesopotamien, Syrien und Palästina, wo er die furchtbare Pest erlebte, und ging von Ägypten aus zum vierten Mal als Pilger nach Mekka. Nach einem Abstecher in Sardinien gelangte er über Nordafrika Anfang 1349 nach Fez in Marokko, nachdem er über 24 Jahre unterwegs gewesen war. Hier diktierte er dem Dichter Mohammed Ibn Djuzayy seine Erlebnisse unter dem Titel »Reisen in Asien und Afrika«.

      Der durch zweieinhalb Jahrzehnte strapazierte Geist Ibn Battutas kam jedoch noch nicht zur Ruhe. Als strengen Muslim trieb es ihn nach Spanien, wo er am Kampf gegen die »Ungläubigen«, nämlich die Christen der Reconquista, teilnehmen wollte. Er hatte aber nur einen Strauß mit christlichen Wegelagerern zu bestehen, die man modern vielleicht mit Partisanen vergleichen könnte. Im Übrigen hielt er sich hauptsächlich im islamischen Königreich Granada, der letzten arabischen Bastion auf der Iberischen Halbinsel, auf.

      Den Schlussstrich unter sein Wanderleben zog Ibn Battuta, als er am 18. Januar 1352 seine letzte bedeutende Fahrt antrat. Sie führte ihn auf den Karawanenwegen, deren Mühsale dem Fünfzigjährigen sehr zu schaffen machten, durch die Sahara an den oberen Niger und in die geheimnisvolle Stadt Timbuktu, die ihn jedoch sehr beeindruckte. Agades, Gao und das Königreich Mali der Mandingoneger waren weitere Stationen dieser Reise, die es an Eindrücken jedoch nicht mit seinen asiatischen Erlebnissen aufnehmen konnte. Hinzu kam, dass man es hier an Ehrerbietung ihm gegenüber fehlen ließ. Ungeziefer und Hitze machten ihn beinahe mürbe, und an den Mahlzeiten fehlten jene feinschmeckerischen Raffinessen, die nun einmal zum Lebensstil eines Orientalen gehörten. In Agades erreichte ihn das Schreiben des Sultans von Marokko, was für die hervorragende Nachrichtenverbindung jener Zeit spricht, und das ihn zur Rückkehr bewog. Glücklicherweise zog er im Monat Ramadan durch das Hoggargebiet, wo er in dieser einzigen ruhigen Zeit des Jahres von muslimischen Wüstenräubern verschont blieb, die dieses Fest ebenfalls respektierten. Zwei Jahre nach dem Aufbruch zu dieser letzten Reise traf er schließlich Ende Dezember 1353 wieder in Marokko ein.

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      Genügsam wie die Kamele, die er zu betreuen hat, lebt dieser Beduinenjunge in der Steppe, immer aber die Hand nach einem Bakschisch ausstreckend.

      Noch 22 Jahre lebte er in seiner alten Heimat und genoss dort große Ehren. Im Jahre 1377 rief Allah seinen strenggläubigen, aber doch lebensgewandten Diener für ewig in das von seinem Propheten Mohammed gepriesene Paradies.

      Ein Mann von Intellekt

      und Wissbegierde

      Ibn Battutas Reiseberichte sind nicht allein für die Wissenschaft von Bedeutung, gab er doch genaue Beschreibungen von Land und Leuten seiner Zeit, sondern auch für den an frühen Entdeckungen und Abenteuern Interessierten, der hier in ein Jahrhundert zurückversetzt wird, das reich an politischen Ereignissen und kulturellen Schöpfungen in Asien war, aber auch bereits den Aufbruch der Kulturvölker, die Welt näher zu erforschen, einleitete.

      Ibn Battuta verfällt nicht dem Reiz, seine Berichte mit Übertreibungen oder Märchen auszuschmücken, sondern bleibt stets auf dem Boden der Tatsachen oder zumindest des ihm Mitgeteilten. Abweichungen davon sollten daher nicht überbewertet werden. Wenn er nämlich beim Besuch Ceylons den Adam’s Peak, der damals Serendib genannt wurde, besteigt und von ihm glaubt, er sei der höchste Berg der Welt, so mag ihn der Eindruck überwältigt haben, den er bereits auf der Anfahrt vom Meer aus hatte, und der bei einer Erhebung von 2243 Metern über dem Meer, aus dem dieser Berg scheinbar unmittelbar emporstrebt, auch einen modernen Menschen zu falschen Schätzungen verleitet. Wenn Ibn Battuta dennoch einmal der durch Jahrhunderte der Seefahrt spukenden und aus den Erzählungen von Tausendundeiner Nacht bekannten Sage vom Vogel Rock verfällt, so muss man die ganze Mentalität der Leute des Mittelalters verstehen, die auf kleinen, leichten Schiffen im riesigen, von seinem Umfang nur wenig bekannten Meer stets in Furcht vor dem Unbekannten und dem Gigantischen lebten. Inmitten einer Schar zitternder und sich verloren glaubender Seeleute mag schließlich auch Ibn Battuta von der allgemeinen Psychose angesteckt worden sein und in einer atmosphärischen Erscheinung jenes legendäre Riesentier erblickt haben.

      Neben solchen meist persönlichen Impressionen darf man jedoch Ibn Battutas Berichten den Glauben schenken, der bei fast allen arabischen Reisenden jener Jahrhunderte angebracht ist, zumal sich auch Vergleiche anbieten, die viele seiner Behauptungen bestätigen. Seine Fahrten übertreffen an Entfernung und Zeitdauer die weltberühmt gewordene Reise Marco Polos und sind in ihrem literarischen Ertrag zumindest ebenbürtig, trotzdem aber auch heute noch nur einem recht kleinen Kreis geläufig. Dies mag auch darin begründet sein, dass sich im Werk Ibn Battutas, das sich ja aus mehreren Einzelarbeiten zusammensetzt, viele Schilderungen jener Gegenden des Vorderen Orients befinden, die weitgehend bekannt sind und es damals schon waren, zum anderen Ibn Battuta nicht immer die zeitliche Folge einhält und in spätere Abschnitte Reflexionen früherer Erlebnisse einbaut. So hatten bisher alle Herausgeber bei der Einordnung des tatsächlichen Ablaufs der Ereignisse einige Schwierigkeiten. Die mangelnde Kenntnis Ibn Battutas und seines Lebenswerks dürfte auch darin begründet sein, dass man in Europa und damit im nichtmuslimischen Bereich keinen allgemeinen Kontakt zu arabischen Schriftstellern besaß, weshalb ein Ibn Battuta im Schatten Marco Polos verschwand, der in dem geistig aufblühenden Italien seiner Zeit eine gute Ausgangsbasis für die Aufnahme seiner Erlebnisse vorfand.

      Die Schwierigkeit bei der Einordnung der Berichte Ibn Battutas erklärt auch, weshalb sich die bisherigen Veröffentlichungen meist über mehrere Jahre erstreckten. Vier Bände gaben C. Defremery und B. R. Sanguinetti zwischen 1853 und 1858 in Paris heraus, und auch die Gesamtausgabe von Sir Hamilton Gibb, »The Travels of Ibn Battuta«, nahm die Jahre 1958 bis 1971 in Anspruch.

      Wenn nun nachfolgend der größte Weltreisende des Mittelalters zu Wort kommt, so muss dies im Rahmen einer Auswahl und nicht eines umfassenden Werkes geschehen. Von der Bedeutung her gesehen, wird seine wichtigste und zeitlich längste Reise, der Besuch und Aufenthalt in Indien wie auch die Fahrt nach China und die Rückkehr über die indonesische Inselwelt, den größten Raum beanspruchen. Mit dieser Reise und ihrer Beschreibung hat nämlich Ibn Battuta die bis dahin traditionellen Gebiete arabischer Geographen überschritten und seiner islamischen Welt erstmals ein umfassendes Bild jener Länder vermittelt, die zwar den Händlern nicht mehr unbekannt waren, aber für die Mehrzahl seiner Zeitgenossen jenseits des eigenen Vorstellungsbereichs lagen. Wo andere, auch noch für den modernen Leser interessante Momente und vielleicht kuriose Erlebnisse Ibn Battutas gegeben sind, sollen sie in geraffter Form und in Auszügen ein Bild von der Vielgestaltigkeit jener spätmittelalterlichen Zeit, in der sich bereits ein Umbruch andeutet, vermitteln.

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