Dicke Luft in der Küche. Frank Winter

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Dicke Luft in der Küche - Frank Winter Mord und Nachschlag

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»A Plea for Better Manners« von Norman Douglas (1868-1952), Reiseschrifsteller, Essayist und Romanautor

      Mrs Sinclair in Not

      »Sie müssen mir unbedingt helfen. Es ist grässlich!« Mrs Sinclairs Stimme klang seltsam verzerrt. Besaß sie ein Unterwasser-Telefon? Möglich wäre es. Immerhin gab es ja auch Boote für diesen Teil der Natur.

      »Meine Liebe, beruhigen Sie sich erst einmal. Was ist denn überhaupt geschehen?« MacDonald freute sich stets, wenn seine Bekannte ihn anrief. Heute hätte er aber fast einen archaischen Freudentanz vollführt, denn was konnte es Schöneres geben, als Bücher über die Atkins-Diät zur Seite zu schieben! Allerdings hatte er nicht ahnen können, dass sich das Gespräch derart turbulent gestalten würde. »Von wem sprechen Sie?«

      »Major Lockhart! Er liegt auf dem Boden, hingestreckt wie ein Märtyrer.«

      »Ist der Herr ein Bekannter von Ihnen, wenn ich fragen darf?«

      »Aber ja, ein tapferer Mitstreiter meines Vaters! Gott habe ihn selig. Selbstverständlich auch den armen Major.«

      MacDonald hätte schwören können, alle Bekannten von Mrs Sinclair zu kennen, ganz besonders Kameraden ihres verstorbenen Herrn Papa. Der Name dieses Gentleman war ihm jedoch nie untergekommen. Ein wenig sonderbar ist das schon, dachte er. »Sie haben keinen Schimmer, warum er gestrauchelt ist?«

      »Ganz und gar nicht. Ich komme mir vor wie in einer griechischen Tragödie. Major Lockhart hat nur ein winziges Schlückchen Drambuie zu sich genommen und ist kollabiert, liegt auf meinem Bengali und rührt sich nicht mehr!«

      »Das ist in der Tat ein Problem.« Und noch brenzliger würde es werden, wenn des Majors Unpässlichkeit mit dem Whiskylikör zusammenhinge. Oft schon hatte MacDonald sich gefragt, wie viele Lebensjahre die harmlos wirkenden Flaschen in Mrs Sinclairs Hausbar auf dem Buckel hatten. »Sicher haben Sie sich doch auch ein Gläschen gegönnt? Ich meine, angesichts der Umstände und so?«

      »Zwei sogar, eines vor und noch eines nach seiner Ohnmacht. Ich wusste mir einfach nicht anders zu helfen.«

      »Selbstredend. Es wäre nun gut zu wissen, ob der Gentleman noch unter uns weilt.«

      »Und wie soll ich das feststellen?«

      »Sie könnten ihn beispielsweise leicht rütteln.«

      »Unmöglich! So etwas schickt sich für eine Dame nicht. Was sollen denn die Nachbarn denken!«

      »Sie haben noch weiteren Besuch?«

      »Nein, aber es gehen doch fortwährend Menschen an meinem Wohnzimmer vorbei.«

      Mrs Sinclair war, von gelegentlichen Ausrutschern wie einem Gläschen Alkohol abgesehen, eine strenge Presbyterianerin. Weil sie als solche nichts zu verbergen hatte, gab es im gesamten Haus keine Gardinen. »An Ihre ungeschmückten Fenster hatte ich nicht gedacht. Sie können demnach nur noch einen Krankenwagen rufen.«

      »Dem Major würde das gar nicht behagen.«

      Nicht, wenn er seine leibliche Hülle bereits verlassen hat, dachte MacDonald. »Und weshalb nicht?«

      »Er ist sehr strikt, müssen Sie wissen, so wie ich auch. Seiner Ansicht nach muss jeder Mensch für sich selbst sorgen. Undenkbar, dass er wegen einer vorübergehenden Unpässlichkeit eine Ambulanz in Anspruch nähme.«

      »Was ist denn vor seiner Ohnmacht geschehen? Ich meine, außer dass er ein Gläschen Drambuie trank?«

      Mrs Sinclair hustete so laut, dass MacDonald hastig den Hörer vom Ohr zog. »Ich bin eine ehrbare Person!«, erwiderte sie mit Nachdruck.

      »Natürlich sind Sie das. Aber Sie haben doch bestimmt über irgendetwas gesprochen, nicht wahr? Kommt Major Lockhart jeden Montag bei Ihnen vorbei?«

      »Das tut er gewiss nicht! Er rief mich heute am frühen Morgen an. Wir kennen uns schon so lange und ich spürte gleich, dass etwas nicht stimmt mit ihm, so bedrückt, wie er klang.«

      »Hat er Ihnen anvertraut, warum er so deprimiert ist?«

      »Ich glaube, das wollte er, doch dann fiel er einfach um.«

      »Könnte es um seine Familie gehen?«

      »Möglicherweise, doch spricht er nicht gerne über sein Privatleben. Er hat, äh, seine Frau vor einigen Jahren verlassen.«

      »Dergleichen Dinge kommen heutzutage in den besten Familien vor.«

      »Aber er hätte doch nicht umgehend eine jüngere Dame ehelichen müssen!«, erwiderte sie entrüstet.

      Was für ein Temperamentsausbruch! MacDonald salutierte verblüfft in sein Wohnzimmer. »Natürlich nicht.«

      »Keine falsche Bewegung!«

      »Ich sitze hier ganz gemächlich in meinem Sessel und lausche Ihnen, meine Liebe. Ohne ein Anzeichen unnützer Mobilität … hallo, Mrs Sinclair! So antworten Sie doch bitte!«

      »Nein!«, rief jemand in den Hörer. Ein Schuss fiel und dann brach die Verbindung ab. MacDonald erhob sich ungestüm aus seinem Sessel und riss dabei eines der Beistelltischchen um. Die gesammelten Weisheiten mehrerer Generationen von Atkins-Exegeten purzelten auf den Teppich. Karen, seine Hausund Leibärztin, hatte ihm das Abnehmen wieder einmal dringlichst ans große Herz gelegt. Mit den schweren Bänden wollte er die Höllenqual, die ihm bevorstand, theoretisch untermauern, ehrlicherweise aber auch ein wenig hinauszögern. »Das mobile Telefon nicht vergessen, Angus«, mahnte er sich. Obwohl kein großer Anhänger dieser Gerätschaften, waren sie doch mitunter nützlich. Mrs Sinclair verfügte auch über diese Nummer. Vielleicht würde sie ihn ja unterwegs anrufen. Wer hatte bloß ›nein‹ in den Hörer gebrüllt? Es war nicht zu erkennen gewesen, zu welchem Geschlecht die Stimme gehörte. Aufgeregter Herr oder Dame in tiefer Tonlage? Und warum wurde eine Feuerwaffe benutzt? Sein treues Gefährt, ein feuerroter VW Käfer, sprang auf Anhieb an und er legte einen rasanten Start hin. Den Vögeln der Nachbarschaft, die sich gerade ein frugales Mahl zusammenpickten, behagte der Lärm überhaupt nicht. Entsetzt flatterten sie davon. MacDonald blickte durch die Windschutescheibe nach oben, auf das unübersichtliche Gemenge von Federn. Wenn das nur kein schlechtes Omen war. Verblüffend schnell gelangte er auf die Leith Street und nur eine Viertelstunde später läutete er bei Mrs Sinclair Sturm. In den Nachbarhäusern beobachtete man ihn scharf. Unter internatsgleicher Kuratel zu leben, war nicht einfach. »Was ist das, Angus?«, fragte er sich und wiegte die Nase rhythmisch hin und her. Ja, es musste ein Dundee Cake sein. Die Dame des Hauses war über die Stadtgrenzen hinaus für ihre Backkünste bekannt. Als sie sich hörbar der Haustür näherte und öffnete, wie immer ganz in schwarz gekleidet, erschrak sie. »Mister MacDonald, mit Ihnen hatte ich nicht gerechnet.« Besorgt blickte sie zu den Anwohnern, die sich ruckartig von ihren Posten zurückzogen, wie ein Regiment unter heftigem Beschuss.

      »Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Sie erzählten mir doch, dass ein Gentleman auf Ihrem Bengali liegt. Ich wusste nicht, ob er noch am Leben ist und …«

      »… ob ich ihm ein Glas Drambuie mit abgelaufenem Verfallsdatum eingeschenkt habe.«

      MacDonald errötete. »… sich bei dem Schuss jemand verletzte, wollte ich sagen.«

      »Major Lockhart geht es bereits besser. Der Schuss löste sich aus Versehen, als ich seine Pistole vom Boden auf den Tisch legte.

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