Dicke Luft in der Küche. Frank Winter

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Dicke Luft in der Küche - Frank Winter Mord und Nachschlag

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Jahre und vier Monate.«

      »Darf ich fragen, wo sich der Vater des Kindes gegenwärtig aufhält?«

      Mrs Sinclair schnäuzte demonstrativ in ihr besticktes Taschentuch.

      »Verzeihen Sie, Major, ich möchte nicht indiskret sein, aber wenn ich den Fall aufklären soll, muss ich mitunter auch unbequeme Dinge aufrühren. Es liegt in der Natur der Sache.«

      »Ist mir doch klar! Dieser Sangster ist ein Taugenichts, hat sich nach der Geburt der Kleinen einfach aus dem Staub gemacht, berappt nicht einen Penny Unterhalt! Zu meiner Zeit hätte man den Burschen standrechtlich erschossen! Vielleicht mache ich das noch!«

      MacDonald nickte einfühlsam. Die schlimmsten Tragödien spielten sich wahrlich in Familien ab. »Kann Ihre ehemalige Gattin uns Hinweise liefern?«

      »Eher weniger.«

      »Und warum nicht?«

      »Weil sie völlig gaga ist!«

      »Was bitteschön heißt gaga?«

      »Verrückt, versponnen.«

      »Die Bedeutung des Wortes ist mir wohlbekannt. Ich meinte, wie sich das bei Ihrer Exfrau äußert?«

      »Sie kennen doch Prinz Philip?«

      »Von England? Wer täte das nicht«, antwortete MacDonald zögerlich, denn er war nicht sicher, ob man ihn vergackeiern wollte. Und wahrscheinlich würde der Herr eine falsche Antwort mit einer Backpfeife quittieren.

      »Exakt. Meine Exfrau spricht nur noch mit ihm.«

      »Der Gatte der englischen Königin verkehrt bei ihr?«

      »Papperlapapp! Sie spricht mit ihm, obwohl er nicht da ist.«

      »Sie führt Selbstgespräche?«

      »Himmel! Nein! Sie redet nur mit Herren, die ihm ähnlich sehen oder wie er palavern. Hab doch gerade gesagt, dass sie gaga ist.«

      »So ist das also. Haben Sie ihn auch schon imitiert?«, erkundigte MacDonald sich ein wenig schadenfreudig, denn der Kasernenhofton missfiel ihm zunehmend.

      »Was sollte ich denn tun! Sonst hätte sie mir doch überhaupt nichts erzählt. Aber damit ist nun ein für alle Mal Schluss! Lasse mich nicht mehr zum Hampelmann machen. Mit ihrem Faible für den Knilch ist sie mir schon während unserer Ehe auf den Wecker gegangen. Ich muss jetzt aufbrechen.«

      Bevor MacDonald etwas erwidern konnte, stand der Major bereits vor ihm und zerquetschte ihm fast die Hand. Welcher Mensch suchte derart schnell das Weite, wenn es um das Schicksal von Tochter und Enkelkind ging? Hier war etwas faul im Staate Schottland.

       »Jeder Mann, der es zu etwas gebracht hat, denkt, dass das allein sein Verdienst war; seine Ehefrau lächelt und lässt ihn in diesem Glauben.«

      aus Sir James Matthew Barries (1860-1937) »What Every Woman Knows« (1908), Akt vier

      Trubel im Guest House

      »So isst doch kein zivilisierter Mensch! Maria, du hättest sehen sollen, wie der Dicke seine doppelte Portion Porridge reingeschaufelt hat. Das grenzt an Fresssucht! Incredibile!« Alberto Vitiello führte sein Guest House in Fountainbridge seit Jahrzehnten. Dennoch fand der Italiener noch immer einen Anlass, um sich aufzuregen. Seine Echauffiertheit stieg mit der Entfernung, aus der die Gäste anreisten. »Ein Japaner im Schottenrock, mit passenden, langen Strümpfen und Messer! So etwas habe ich noch nie gesehen. Fehlt nur noch, dass er Gälisch mit mir reden möchte.« Gegen seine Frau und die Schwiegermutter hatte er nicht ganz so viel einzuwenden. Sie benahmen sich einigermaßen zivilisiert. Und irgendwie schien ihnen das Geschmatze auch peinlich zu sein, denn sie sahen den Dicken immer wieder besorgt an. Der Schwiegervater wiederum, so klein er war, stand ihm kaum nach. Sie hätten im Nachmittagsprogramm der BBC Scotland als Kinderschrecke auftreten können. Alberto beherbergte den seltsamen Tross nur, weil die hübsche, junge Dame im Tourist Board ihn darum gebeten hatte. Er konnte sich allerdings nicht verkneifen zu fragen, welcher Reisebus die Vier unterwegs verloren hatte, denn seines Wissens reisten Japaner nur in Großbusstärke um den Erdball. Sie hatte gelacht, ihm dann aber bestätigt, dass die beiden Ehepaare tatsächlich einer größeren Gruppe angehörten. In ihrem Hotel hatte man sich bei der Buchung der Zimmer vertan, so dass sie gewissermaßen auf der Straße standen. Seit Stunden schon regte er sich über diese Gäste auf. Und noch immer wollte er keine Ruhe geben. Von seiner Frau Maria konnte er keine moralische Unterstützung erwarten. Trotz seines heftigen Aufbegehrens dachte sie nicht im Traum daran, früh am Morgen unnötig Energie zu vergeuden und zog es vor, am Frühstückstisch zu sitzen und entspannt an einer Tasse Tee zu nippen. Der war so schwarz, dass er problemlos als Kaffee durchgegangen wäre. Sie trug blaue Wollhosen und einen fliederfarbenen Pullover. Auch im Alltag legte sie großen Wert auf elegante Kleidung. Alberto, der gerne ein einfaches Hemd und an besonders kalten Tagen zusätzlich eine Anglerweste anzog, bewunderte die Konsequenz seiner Frau, wenn es um Fragen des Stils ging. Maria hatte den »Scotsman« vor sich ausgebreitet. Angeblich wollte sie über die aktuelle weltpolitische Lage im Bilde sein. Doch Alberto hegte den Verdacht, dass sie mehr an spannenden Kriminalfällen interessiert war. Nachts schlief er oft unruhig, denn wer wusste schon, auf welch abenteuerliche Ideen seine Frau nach der Lektüre ihrer Zeitungen und Kriminalromane kam? An diesem grau-kalten Tag, in Schottland »a dreich day« genannt, verweilte sie allerdings noch immer auf der ersten Seite der Tageszeitung. Und für diese Verzögerung war ganz allein ihr Mann verantwortlich.

      »Maria«, insistierte er, »du musst doch irgendeine Ansicht dazu haben?«

      Nach einem weiteren Schluck Tee stellte sie die Tasse ab und blickte ihrem Ehemann tief in die haselnussbraunen Augen.

      »Schau doch nur, was diese Typen für ein Spektakel in unserem schönen Diningroom veranstalten!«

      »Du willst meine Ansicht dazu hören?«

      Alberto nickte angestrengt.

      »Andere Länder, andere Sitten, kann ich nur sagen. Außerdem hat sich von den übrigen Gästen keiner beschwert. Sieh mich nicht so entsetzt an. So ist es doch.«

      »Was soll das bedeuten?«

      Maria strich sich die Pulloverärmel in Form und erwiderte: »Ich denke, dass vier erwachsene Japaner in einem europäischen Land, fern von ihrer gewohnten Umgebung, verständlicherweise auffallen.«

      Alberto las seiner Frau die Worte von den Lippen ab. »Aber darum geht es doch gerade! Wir sind hier nicht in Peking …«

      »Tokio, wenn schon«, korrigierte Maria.

      »… sondern in Edinburgh. Und dass sich die anderen Gäste noch nicht beschwert haben, ist mehr als ungewöhnlich. Aber glaube mir, ewig wird das nicht gut gehen.«

      Maria wusste, dass sie ihrem Mann Einhalt gebieten musste, denn sonst würde sich das Zetermordio bis zum Lunch hinziehen. Sie antwortete nicht mehr, blickte ihn nur sehr streng an.

      Alberto schaute aus dem Fenster. »Hast du Charles schon gefüttert?«

      »Wie käme ich dazu, deinen geliebten Pfau zu versorgen? Das macht doch der Herr des Hauses, oder?«

      »Gut. Du erinnerst dich aber vielleicht noch, wie es den Iren erging? Was wäre wohl geschehen,

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