Dicke Luft in der Küche. Frank Winter

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Dicke Luft in der Küche - Frank Winter Mord und Nachschlag

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antiken Möbeln, durchweg Erbstücke und seit Generationen im Besitz der Familie Sinclair. Als MacDonald niemanden auf dem Boden ausmachen konnte, war er ein wenig konsterniert. »Wo ist denn Mister Lockhart?«

      »Er wäscht sich nur kurz die Hände. Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten? Es muss ja kein Drambuie sein. Wie wäre es mit einem kleinen Laphroaig

      Pro forma zeigte MacDonald auf die mannshohe, Ehrfurcht gebietende Standuhr. »Es ist erst elf Uhr.«

      »Ich weiß, ich weiß. Sie haben aber doch gewissermaßen ein professionelles Interesse an Speis und Trank.«

      »Also gut, Sie haben mich überredet. Wenn ich schon als Berufstrinker bekannt bin, will ich meinem Ruf auch Ehre machen.«

      »So einen Ausdruck habe ich noch nie gehört. Quartalsäufer ja, aber Berufstrinker?« Der Mann, der ins Zimmer trat, hatte dichtes schwarzes Haar und stahlblaue Augen. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, eher europäisch als britisch im Stil, ein weißes Hemd und eine hektische Krawatte. Sein Alter war schwer zu schätzen. Er mochte achtzig Jahre gelebt haben, sah aber mindestens zehn Jahre jünger aus. Seine Haltung drückte kompromisslose Entschlossenheit aus. Nach Jahrzehnten des Befehlens kam er mit Widerspruch wohl nur schwer zurecht. Mrs Sinclair betrachtete ihn mit einem leichten Glitzern in den Augen. Diese Seite seiner Bekannten war MacDonald ebenfalls neu. Es war, als ob man ihn mit einer allzu avantgardistischen Speisenzubereitung konfrontierte. Er erhob sich im schnellsten Tempo, das ihm gegeben war. »Sehr angenehm, mein Name ist Angus Thinnson MacDonald.«

      Der Major musterte ihn intensiv und schüttelte dann entschieden den Kopf. »Gebe kaum noch Hände. Ist meistens nicht persönlich gemeint.«

      »Meinethalben«, grummelte MacDonald und setzte sich wieder.

      Mrs Sinclair, in einer Familie von Hitzköpfen aufgewachsen, versuchte zu schlichten: »Der Major meint es nicht so.«

      Lockhart verzog keine Miene. »Wollte gerade gehen. War nett, Sie kennen zu lernen, MacDuff.«

      »Jetzt schon? Bleiben Sie doch noch ein bisschen. Mister MacDonald ist ein renommierter Journalist.«

      »Und was hat das mit dem Trinken zu tun?«

      MacDonald kam sich wie bei einer rigorosen Schulprüfung vor. »Es ist so einfach wie ein gekochtes Ei, Sir. Mein berufliches Sujet ist das Essen und Trinken.«

      »Die Ernährung dient dem Überleben. Maßloses Spachteln und Picheln ist Sünde und deshalb zu verdammen.«

      »Sie müssen es ja wissen!«

      »Aber Gentlemen, so beruhigen Sie sich doch. Wir haben keinen Anlass, in Harnisch zu geraten.«

      »Er hat mich vor den Kopf gestoßen! In meinem ganzen Leben war ich noch nie maßlos!«, sagte MacDonald verstimmt. Allzeit ein versöhnungswilliger Zeitgenosse, sollte man doch über seinen Beruf bitteschön keine unsachgemäßen Bemerkungen machen. Fairness war der ebenso dünne wie notwendige Grund der Zivilisation.

      »Habe nur die Wahrheit gesagt.«

      »Das ist Ihre Meinung. Eine sehr bescheidene, wie ich hinzufügen darf!«

      »Meine Herren, ich schlage vor, wir nehmen einen Drink zu uns. Unser Landsmann Laphroaig wird uns wieder auf Vordermann bringen. Was meinen Sie?«

      »Von mir aus gerne«, erwiderte MacDonald eine Spur ziviler.

      »Normalerweise trinke ich um diese Zeit nichts«, erklärte Lockhart und klopfte mit dem Zeigefingerknöchel auf seine Armbanduhr.

      Des Gourmets Gesicht verfärbte sich weihnachtsputerrot. Das wurde immer besser! Wenn er ihn auf den Drambuie hinwies, würde er wohl Likör zu Limonade erklären! »Ich doch auch nicht!«

      Mrs Sinclair reichte den Herren kommentarlos einen doppelten Scotch und wartete, bis die Promille ihre Wirkung taten. »Möchten Sie vielleicht einen kleinen Imbiss dazu?«

      Er sah sich bereits in ein generöses Stück des Dundee Cake beißen, doch der Major winkte mit den Händen ein Andreaskreuz. »Nein, so weit muss man nicht gehen.«

      »Sie sollten Ihre Gesundheit nicht auf die leichte Schulter nehmen, John. Immerhin sind Sie in Ohnmacht gefallen.«

      »Nach einem Gläschen Whiskylikör«, rutschte es MacDonald heraus.

      »Harte Zeiten verlangen nach harten Geschützen«, sagte Mrs Sinclair. »Mister MacDonald, als Sie klingelten, wollte der Major gerade etwas erzählen.«

      Lockhart nippte an seinem Scotch und sah MacDonald über das Glas hinweg an. »Tut mit leid, wenn wir auf dem falschen Fuß angefangen haben. Die Nerven sind etwas angespannt.«

      »Halb so schlimm«, antwortete MacDonald und nahm noch einen Schluck. Als der Whisky wohlig seinen Körper durchfloss, wusste er, dass ein konstruktives Gespräch sehr viel wahrscheinlicher war.

      »Ist außerdem nicht meine Art, Mitmenschen mein Herz auszuschütten, schon gar nicht solchen, die ich gerade erst kennen gelernt habe. Doch Christabel hat ein richtiges Loblied auf Sie gesungen. Sollen ein ausgezeichneter Spürhund sein. Hatte allerdings erwartet, dass Sie über Politik schreiben.«

      MacDonald schüttelte den Kopf. »Was ist los?« Und warum nannten sie sich beim Vornamen? Das machte … Christabel niemals.

      »Ich erwähnte, dass Sie ein Meister im Ermitteln sind, Mister MacDonald.«

      »Herzlichen Dank. Wenn man das so sagen möchte. Aber um auf die unglückliche Vokabel Spürhund zurückzukommen …«

      Mrs Sinclair streckte ihm die schlanke Whiskyflasche entgegen und sah ihn flehentlich an. »Darf ich nachgießen?«

      »Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie alles, was ich Ihnen erzähle, für sich behalten, MacDuff?«

      »Selbstredend, mein Herr. Das ist Ehrensache.«

      Der Begriff schien dem Major zu gefallen, erinnerte ihn an vergangene Zeiten. Er nickte anerkennend. »Es geht um meine Tochter Ann und Enkelin Catriona. Sind wie vom Erdboden verschluckt.«

      »Seit wann?«

      »Vielleicht zwei Wochen. Bis vor einem Jahr hätte man es genau sagen können. Damals wohnte sie noch bei meiner Frau. Exfrau sollte ich besser sagen. Macht der Gewohnheit. Wie auch immer. Ann ist mit der Kleinen abgehauen. Ohne ein Wort! So etwas machen wir Lockharts nicht! Schande für den Familienstammbaum!«

      War das schlimmer als die Tatsache, dass die beiden unauffindbar waren? »Ich kann Ihnen leider nicht folgen. Von wo ist sie abgehauen?«

      »Von der komischen Freundin, bei der sie wohnte. Hielt sie bislang aber nicht davon ab, meine Exfrau regelmäßig zu besuchen. Von ihr habe ich auch erfahren, dass sie verschwunden ist.«

      »Wissen Sie, wie die Freundin heißt?«

      »Nein.«

      »Wohnsitz?«

      »Auch nicht.«

      »Wie alt ist Ihre Frau Tochter?«

      »Ann, lassen Sie mich überlegen, 34

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