Dicke Luft in der Küche. Frank Winter
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Читать онлайн книгу Dicke Luft in der Küche - Frank Winter страница 8
»Doch nicht in Edinburgh?«
»Nein, aber definitiv irgendwo in der Nähe.«
»Das gefällt mir nicht. Der Bursche soll sich mit zwielichtigen Personen eingelassen haben. Soll ich zu dir kommen?«
»Auf keinen Fall. Ich werde schon mit ihm fertig. Wie ist denn seine Stimmung?«
»Er scheint sehr wütend zu sein, psychisch nicht mehr stabil. Du bist sicher, dass du es alleine schaffst?«
»Aber ja. Mach dir keine Sorgen.«
Doch Karen Miller war überhaupt nicht klar, ob sie mit Tannahill fertig würde. Schon früher war das oftmals keine einfache Aufgabe gewesen.
»Um eine Sache beneide ich die Mitglieder der königlichen Familie. Und das sind ihre niedlichen Kinnpartien. Rasieren muss sehr einfach für sie sein, whoosh, und mit einem Schlag ist alles getan.«
Billy Connolly, Kabarettist und Schauspieler
The Duke of Edinburgh
»Ich versichere Ihnen, niemals in diesem Hause geweilt zu haben. Wenn kein roter Bodenbelag vorhanden gewesen wäre, hätte ich einen kleinen Handteppich aus meinem Köfferchen gezaubert und ihn ausgelegt. Nur deshalb habe ich gefragt. Dürfen wir eintreten?«
Mrs Craig sah streng zu Alberto und machte dann eine halbherzig einladende Handbewegung.
»Großherzigen Dank, Gnädigste. Sie werden es nicht bereuen.«
»Das will ich hoffen. Übrigens haben Sie Flecken von Tinte an den Händen.«
»Sozusagen ein fleischlicher Spickzettel. Nur für den Fall, dass ich meinen Text vergesse. Ich mache so etwas auch nicht alle Tage.«
»Es fällt schwer mir, das zu glauben.«
Sie öffnete die Tür und ging voran. Die dicken, bodenlangen Vorhänge waren zugezogen und nur einige wenige Kerzen erhellten das Zimmer. Mrs Lockhart saß mit einer Decke über den Beinen in einem hohen Sessel.
»Mam, Ihr Gatte, der Prinz, ist zurückgekehrt.«
»Sie trägt ja bürgerliche Kleidung«, flüsterte MacDonald Mrs Craig zu.
»Imaginieren Sie sich den Rest einfach hinzu! Und wenn ich Ihnen noch einen guten Rat geben darf. Besterdings sprechen Sie übers Essen. Es scheint das Einzige zu sein, das noch sie interessiert.«
MacDonald schüttelte sich wie vor einem Sprung vom Zehnmeterbrett. »Guten Tag, Lilibet. Weißt du was! Den Mann, der den roten Teppich erfand, sollte man auf seinen Geisteszustand untersuchen.«
Alberto wollte applaudieren, doch MacDonald konnte ihn rechtzeitig am Ärmel ziehen. »Excusa«, sagte er leise.
Mrs Lockhart grinste MacDonald schelmisch an, während er weitersprach: »Wenn es vier Beine hat und kein Stuhl ist, Flügel, ohne ein Flugzeug zu sein, wenn es schwimmt und kein U-Boot ist, dann essen die Chinesen es.«
Jetzt lachte sie laut auf und klatschte. »Köstlich, wie habe ich dich vermisst. Wo warst du denn, Philip?«
»In Cornwall, einen Leuchtturm einweihen. Anschließend gab es wieder das unvermeidliche Bankett. So langsam habe ich es satt. Niemals serviert man mir gewöhnliche Gerichte, immer nur dieses neumodische Zeug!«
»Ich stimme dir zu. Die Bevölkerung vergisst, dass selbst wir nur aus Fleisch und Blut sind.«
»Wo ist Ann?«
»Welche Ann?«
»Unsere Tochter.«
»Wir haben eine Tochter, die so heißt?«
»In der Tat. Übrigens, hast du gewusst, dass es außer Blindenhunden auch Hunde für Magersüchtige gibt?«
»Wie meinst du das, Philip?«
»Die Hunde essen anstelle der Magersüchtigen.«
Mrs Lockhart schüttelte sich vor Lachen. »Genug! Du musst aufhören mit deinen Bonmots, sonst platze ich noch. Politisch korrekt war das auch nicht.«
»Verrätst du mir, wo sich unsere Tochter und Catriona befinden?«
»Das weißt du doch. Ann ist mit der Kleinen davongelaufen, vermutlich, um die Welt zu verbessern.«
»Oha«, sagte Alberto und erhielt dafür von Mrs Craig einen kräftigen Knuff. Ängstlich sah er zu ihr auf. Vor herrischen Frauenzimmern hatte er große Ehrfurcht, erinnerten sie ihn doch sehr an seine Großmutter im Friaul.
»Hilfst du meinem Gedächtnis bitte auf die Sprünge und verrätst mir wohin?«
»Er hat ihr wohl einen Floh ins Ohr gesetzt.«
MacDonald sah fragend zu Mrs Craig. Ihre Lippen formten stumm das Wort Vater.
»Ich wusste gar nicht, dass die beiden wieder Kontakt haben.«
»Euch Männern entgeht so manches.«
»Von mir aus! Was ist es denn nun?«
»Sie will sich selbst finden.«
»Well, wollen wir das nicht alle?«
»Du erscheinst mir heute so gar nicht authentisch.« Mrs Lockhart hielt sich den Zeigefinger vor den Mund und winkte ihren Gatten zu sich heran. MacDonald kniete sich behutsam vor ihren Sessel. Es wäre spannend gewesen, auf einem Monitor die Zeitlupenaufnahme eines Erdrutsches daneben zu stellen. Alberto und Mrs Craig rückten in einem stillschweigenden Waffenstillstand ein Stück auf: Von dem, was Mrs Lockhart flüsterte, bekamen sie dennoch nichts mit. »Mein lieber Philip. Auch wenn du es nicht wahrhaben möchtest, du und Ann seid euch sehr ähnlich.« MacDonald wollte etwas fragen, doch Mrs Lockhart legte ihm den Finger auf den Mund. »Ailsa, wo bist du?«, rief sie mit königlich-autoritärer Stimme.
Mrs Craig trat einen Schritt nach vorne. »Hier, Mam! Was kann ich tun für Sie?«
»Machen Sie bitte meinem Gatten deutlich, dass ich mich an das rote Köfferchen mit den politischen Angelegenheiten machen muss. Es ist hohe Zeit. Wir wissen alle, dass es ihm ein Dorn im Auge ist. Doch Pflichten sind nun einmal Pflichten.«
»Aber Lilibet, wir haben uns doch gerade so gut unterhalten. Apropos, wo wohnt Ann denn gegenwärtig?«
Mrs Lockhart hatte sich geistig bereits in den wichtigsten Teil ihrer fiktiven Welt begeben.
»Haben Sie nicht gehört? Ihre Gattin hat keine Zeit mehr!«
MacDonald bemerkte, dass das Köfferchen auch Fotografien enthielt. Lächelnd nahm er ihr eine Aufnahme aus den Händen, von der er hoffte, dass sie Ann, ihre kleine Tochter und Paul zeigte. Mrs Lockhart betrachtete ihn mit gespielter Entrüstung, sagte aber nichts.
»Die Herren folgen mir!«, befahl Mrs Craig, die ihm bereits den Rücken zugekehrt hatte.