Befreite Schöpfung. Leonardo Boff
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Die dritte Weise, in der sich Macht ausdrückt, ist die „Macht mit“ bzw. die Macht des Einflusses oder die Macht als Prozess. Ihre Quelle ist die Bereitschaft anderer, unsere Gedanken anzuhören. Sie ist „Macht mit“, die uns befähigt, gemeinsam zu handeln und echt partizipatorische Organisationen zu schaffen. Während die „Macht über“ die Autorität einer bestimmten Position benutzt, um den eigenen Willen durchzusetzen, indem sie Gehorsam verlangt, hat die „Macht mit“ persönlichen Respekt zur Grundlage, der praktisch erworben wurde. „‚Macht mit‘ ist subtiler, flexibler und zerbrechlicher als Autorität. Sie hängt von persönlicher Verantwortung, von unserer eigenen Kreativität und unserem Mut sowie von der Bereitschaf anderer ab, darauf zu reagieren.“ (Starhawk 1987, 258) Joanna Macy, eine buddhistische ökologische und Friedensaktivistin, betrachtet diese Art von Macht als eine Art Synergie auf der Grundlage der Offenheit gegenüber anderen. „Die Ausübung von Macht als einem Prozess erfordert es, dass wir alle Zwangsausübung, die der Teilhabe von uns und anderen am Leben zuwiderläuft, entlarven und zurückweisen.“ (zitiert bei Winter 1996, 258)
Macht als Prozess lädt uns dazu ein, unser Empathievermögen zu stärken. Aktivitäten wie etwa Volkserziehung oder die Organisation von Basisbewegungen setzen diese Art von Macht ein.
In der Praxis existieren alle diese drei Formen von Macht nebeneinander und sind in jedem konkreten Stück Wirklichkeit miteinander verflochten. So zum Beispiel vermischen sich die „Macht über“ und die „Macht von innen“ oftmals miteinander, obwohl sie begrifflich das Gegenteil voneinander sind. Herrschaft muss sich letztlich auf ein gewisses Maß an Kreativität stützen, so entstellt diese auch sein mag. Oftmals zwingt jemand einem anderen seine eigene Kreativität auch auf und verwandelt so „Macht von innen heraus“ in „Macht über“. In ähnlicher Weise kann sich „Macht mit“ auch in „Macht über“ verwandeln. Starhawk schreibt, dass in der herrschenden Kultur beide leicht miteinander verwechselt werden. Einfluss kann sehr leicht in Autorität umschlagen, insbesondere deshalb, weil wir alle so sehr durch Macht als Herrschaft indoktriniert wurden.
Die Tatsache, dass „Macht mit“ oft mit „Macht über“ vermengt und mit ihr verwechselt wird, wurde tiefgehend von der Philosophin Hannah Arendt analysiert. Im Zusammenhang mit ihrer Reflexion über Gewalt, der extremsten Form von „Macht über“, und der Macht, gemeinsam zu handeln (was Starhawks „Macht mit“ entspricht) schreibt sie:
„Obwohl Macht [Macht mit] und Gewalt [Macht über] ganz verschiedenartige Phänomene sind, treten sie zumeist zusammen auf. Bisher haben wir nur solche Kombinationen analysiert, wobei sich herausgestellt hat, dass in ihnen jedenfalls die Macht immer das Primäre und Ausschlaggebende ist. Dies ändert sich jedoch, sobald wir unsere Aufmerksamkeit den selteneren Fällen zuwenden, wo sie in Reingestalt auftreten […]. Auch die größte Macht kann durch Gewalt vernichtet werden; aus den Gewehrläufen kommt immer der wirksamste Befehl, der auf unverzüglichen, fraglosen Gehorsam rechnen kann. Was niemals aus den Gewehrläufen kommt, ist Macht […]. Politisch gesprochen genügt es nicht zu sagen, dass Macht und Gewalt nicht dasselbe sind. Macht und Gewalt sind Gegensätze: Wo die eine absolut herrscht, ist die andere nicht vorhanden. Gewalt tritt auf den Plan, wo Macht in Gefahr ist; überlässt man sie den ihr innewohnenden Gesetzen, so ist das Endziel, ihr Ziel und Ende, das Verschwinden von Macht […]. Gewalt kann Macht vernichten; sie ist gänzlich außerstande, Macht zu erzeugen.“ (1970, 53–54; 57)
In ähnlicher Weise sagt Starhawk, dass „Herrschaftssysteme die ‚Macht mit‘ zerstören, denn diese kann nur unter solchen wirklich existieren, die gleich sind und auch anerkennen, dass sie gleich sind“ (1987, 12). Im Gegensatz zu „Macht über“ kann die „Macht mit“ jederzeit von der Gruppe selbst widerrufen werden; sie verletzt die Freiheit der anderen nicht.
Das Verhältnis von „Macht mit“ und „Macht von innen“ ist vielleicht klarer. Innerhalb einer Gruppe, in der die Meinung einer jeden Person Wertschätzung erfährt (das heißt, wo wir es mit „Macht mit“ zu tun haben), ist es wahrscheinlicher, dass wir unsere „Macht von innen heraus“ zum Ausdruck bringen und entfalten werden. Und in dem Maß, indem unser kreatives und Leben schaffendes Potenzial zunimmt, werden wir auch den Respekt der anderen erfahren.
Veränderung der Machtbeziehungen
Es ist ein schwieriger Schritt von der begrifflichen Neubestimmung von Macht hin zu ihrer tatsächlichen Rekonstruktion, doch wir müssen ihn dennoch zu machen versuchen. Die räuberische Produktionsweise des Patriarchats ist von der Ausübung von „Macht über“, der Macht der Herrschaft, abhängig. Wenn man dieser Macht nicht entgegentreten kann, wenn keine neuen Formen entwickelt werden können, die eher lebensförderlich als todbringend sind, dann werden die Möglichkeiten für eine Veränderung der Welt in der Richtung, die die Ökofeministinnen anzeigen, minimal bleiben.
Es ist an dieser Stelle hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, dass Macht weder statisch noch quantitativ festgelegt ist. Die traditionellen politischen Versuche der Veränderung sprachen von „die Macht übernehmen“. Doch es gibt eine andere Möglichkeit: die Möglichkeit, neue Quellen der Macht zu schaffen und dabei an den Rändern zu beginnen. An einem gewissen Punkt wird eine Konfrontation mit denen, die die „Macht über“ innehaben, natürlich unausweichlich sein. Doch zuerst müssen die Ressourcen der „Macht mit“ und der „Macht von innen heraus“ an der Basis gestärkt werden. Und tatsächlich ist die weltweite Bewegung der Zivilgesellschaft, die sowohl in Volksorganisationen als auch in vielen Nichtregierungsorganisationen Gestalt annimmt, der Beweis, dass eine solche Macht bereits geschaffen und aufgebaut wird.
Ein Weg, um sowohl die „Macht mit“ als auch die „Macht von innen heraus“ zu stärken, ist es also, partizipatorische Organisationen zu schaffen, in denen eine Atmosphäre der Offenheit die Mitglieder in die Lage versetzt, sich frei zu fühlen, so zu sein und sich so zu geben, wie sie sind. Diejenigen, die Veränderungsprozesse zu ermöglichen versuchen, müssen auch ein gewisses Maß an Sicherheit innerhalb der Gruppe gewährleisten, die diejenigen befähigen soll, sich ehrlich, ohne Angst auszudrücken, die am meisten daran gehindert und am verwundbarsten sind. Zu diesem Zweck kann eine Reihe von „Grundregeln“ in manchen Situationen hilfreich sein.
Eine zweite Strategie, um befreiende Macht zu kultivieren, ist es, das Bewusstsein zu stärken. Joanna Macy stellt fest: „‚Macht mit‘ setzt eine aufmerksame Offenheit gegenüber der umgebenden physischen oder geistigen Welt und ein waches Bewusstsein gegenüber unseren eigenen Reaktionen und die anderer voraus. Sie ist die Fähigkeit, auf eine Weise zu handeln, die die bewusste Teilhabe am Leben insgesamt vergrößert.“ (1995, 257) Starhawk schreibt: „Ein waches Bewusstsein ist der Beginn eines jeden Widerstands. Wir können der Herrschaft nur dann widerstehen, wenn wir Bewusstsein erlangen und bewahren: ein Bewusstsein von uns selbst, von der Art und Weise, wie die Wirklichkeit um uns herum aufgebaut wird, von jeder scheinbar bedeutungslosen Entscheidung, die wir treffen, davon, dass wir tatsächlich Entscheidungen treffen.“ (1987, 79)
„Macht mit“ zu entwickeln ist nur im Kontext einer Gruppe möglich. Von ihrem Wesen her ist diese Form der Macht diejenige, die von sich selbst her am stärksten auf Beziehung angelegt ist. Menschen, die an befreienden Initiativen teilnehmen, können ihre „Macht mit“ am besten dann entwickeln, wenn die Gruppe echte Teilhabe und die gemeinsame Verantwortung in Leitungsfunktionen ermöglicht. Starhawk stellt fest: „Um andere mit Fähigkeiten auszustatten, muss eine Gruppe nicht nur so strukturiert sein, dass