Befreite Schöpfung. Leonardo Boff

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Befreite Schöpfung - Leonardo Boff

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Weise schreiben viele das Verlassen der Dschungelstädte der Mayas den Folgen der Entwaldung zu. Oftmals war die Abholzung das Ergebnis einer exzessiven Nachfrage nach Holz für Bauvorhaben (und auch für den Schiffbau), zum Befeuern von Öfen und für die Metallverarbeitung. In anderen Fällen war Abholzung die Folge der Landgewinnung für den Ackerbau. In beiden Fällen jedoch ging dies mit einer Veränderung der Weltsicht einher, welche die Beherrschung und Ausbeutung menschlicher und natürlicher „Ressourcen“ zum Zweck der Anhäufung von Reichtum rechtfertigte.

      Einige Konsequenzen für die Gegenwart

      Was können wir daraus lernen? Die Entwicklung von Patriarchat und Anthropozentrismus ist sicherlich komplex, doch es ist klar, dass irgendwie alle Formen von Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung gemeinsame Wurzeln haben. Gleichzeitig ist es hilfreich, über die Ebene der historischen Entwicklung hinauszugehen und die psychologischen Prozesse wahrzunehmen, die hier im Spiel sind.

      So legt zum Beispiel Rosemary Radford Ruether (1994) nahe, dass die frühen matrizentrischen Gesellschaften möglicherweise bereits den Keim ihrer eigenen Zerstörung in sich trugen. Im Gegensatz zur weiblichen Rolle, die von Natur aus auf die Reproduktion und Erhaltung des Lebens hingeordnet ist, muss die männliche Rolle gesellschaftlich konstruiert werden.

      In den Gesellschaften der Jäger und Sammler gegen Ende der Eiszeit spielten männliche Jäger noch eine wichtige Rolle bei der Nahrungsbeschaffung wegen der großen Mammuts, die gejagt werden mussten. Die gesellschaftlich konstruierte Rolle des Mannes als Jäger war immer noch mit einem großen Maß an Bedeutung verbunden und gab den Männern das Gefühl der Sicherheit hinsichtlich ihres Beitrags zur Gesellschaft. Doch als die Eiszeit zu Ende ging, verlor die Jagd nach und nach an Bedeutung, und die Rolle der Frauen, die das Hauptkontingent der Sammler ausmachten, wurde gestärkt.

      In der Jungsteinzeit waren Frauen oftmals sowohl die hauptsächlichen Nahrungsproduzentinnen als auch der wichtigere Elternteil. In solchen Gesellschaften – diesen des alten Europa und Anatoliens zum Beispiel – scheiterten Männer möglicherweise daran, eine Rolle zu entwickeln, die affirmativ und bedeutend genug gewesen wäre. Dies beförderte das Aufkommen eines männlichen Ressentiments gegenüber dem Ansehen der Frauen. Mary Gomes und Allen Kanner (1995) betonen, dass Herrschaft eine Möglichkeit sein kann, Abhängigkeit zu verleugnen. In einer solchen Situation begannen Männer ihre Männlichkeit in der Weise der Feindschaft gegenüber der Frau zu definieren, und die Grundlagen für das Patriarchat waren geschaffen. Solange man sich nicht mit dem zugrunde liegenden Ressentiment konfrontiert, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Patriarchat in seiner gegenwärtigen Gestalt überwunden werden kann.

      Ruether meint, dass eine konkrete Konsequenz aus dieser Analyse die Notwendigkeit ist, neue Formen der Geschlechterparität zu schaffen und Abhängigkeit durch Verwiesenheit aufeinander zu ersetzen. Insbesondere ist es dringend an der Zeit, dass in den heutigen Gesellschaften der Mann in einer neuen Rolle voll und ganz in die Elternschaft und die häusliche Arbeit einbezogen wird, die der Lebenserhaltung dient. Insgesamt müssen Geschlechterrollen durchlässiger und flexibler werden und es so beiden Geschlechtern ermöglichen, auf sinnvolle Weise an Leben hervorbringenden anstelle von Leben zerstörenden Tätigkeiten teilzuhaben. Sie führt die traditionelle balinesische Gesellschaft

      als nachahmenswertes Beispiel dafür an, wie eine stabile, nicht auf Ausbeutung beruhende Beziehung zwischen den Geschlechtern erreicht werden kann.

      Darüber hinaus findet die Analyse von Gomes und Kanner, die die Herrschaft als Mechanismus der verleugneten Abhängigkeit betrachtet, Anwendung auf unser Verhältnis zur umfassenderen planetarischen Gemeinschaft. Wir Menschen versuchen, die Erde selbst und alle Lebewesen zu beherrschen, da wir unsere Abhängigkeit vom umfassenderen Netz des Lebens zu verleugnen suchen: „Wir haben als Angehörige einer städtisch-industriellen Zivilisation unsere Identität als Gattung auf der Verleugnung dieser Wahrheit begründet. Die Abhängigkeit des Menschen von der Gastfreundschaft der Erde ist allumfassend, und das bedroht das sich als unabhängig dünkende Selbst aufs Äußerste.“ (Gomes/Kanner 1995, 114) Dieser Prozess scheint bereits vor langer Zeit mit dem Entstehen der Agrargesellschaften und der Kultur der Stadtstaaten in Gang gekommen zu sein, auch wenn das Ausmaß der Entfremdung mit der Entwicklung der Industriegesellschaften außerordentlich zugenommen hat.

      Aus einer ökofeministischen Perspektive gesehen stellt der moderne Kapitalismus das am weitesten entwickelte und am meisten ausbeuterische aller patriarchalischen, anthropozentrischen Systeme dar. Der weltweite, von der Herrschaft der Konzerne geprägte Kapitalismus hat, wie alle Systeme imperialer Herrschaft vor ihm, ein extraktives, nicht wechselseitiges und ausbeuterisches Objekt-Verhältnis zur Natur zur Grundlage, wie es zuerst zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Mensch und Natur etabliert wurde (Mies 1989, 83–88). Wie wir bereits bei unserer Untersuchung der Pathologie des grenzenlosen Wachstums und einer fehlgeleiteten Entwicklung gesehen haben, wird der Beitrag der außermenschlichen Ökonomie (und sehr oft der der Frauen, insbesondere deren unbezahlte Arbeit) vom herrschenden Wirtschaftssystem fast völlig unsichtbar gemacht. Tatsächlich bildet die Zerstörung des natürlichen Reichtums der Erde um einer künstlichen und illusorischen Kapitalakkumulation willen das Herzstück der Gesellschaften industriellen Wachstums, wie sie vom Kapitalismus der Konzernherrschaft geschaffen wurden. Gleichzeitig gilt, wie unsere Analyse der Konzernherrschaft und der Finanzspekulation zeigt: Diejenigen, die den Produktionsprozess und die Produkte kontrollieren, sind selbst keine Produzenten, sondern Aneigner. Was weniger deutlich sein mag, aber durch eine feministische Analyse aufgedeckt wird, ist die Tatsache, dass ihre sogenannte Produktivität die Existenz und die Unterwerfung anderer – und letztlich weiblicher – Produzenten voraussetzt (Mies 1989, 83–88). Die „räuberische Aneignung der Produktionsmittel“ bildet also das Herzstück des Kapitalismus selbst.

      Wie der Kapitalismus entstand

      Aus einer ökofeministischen Perspektive sind die Ursprünge des Kapitalismus mit verschiedenen historischen Prozessen untrennbar verbunden: der Ausbreitung von Kolonialismus und Sklaverei, der Verfolgung der Frauen während der großen Hexenjagden in Europa und dem Aufstieg der modernen Wissenschaften und der Technologie, der in die industrielle Revolution mündete. Zusammengenommen bewirkten diese Prozesse, dass die Natur nicht mehr im Bild der Mutter Erde gesehen wurde, sondern als eine leblose Maschine, die den Bedürfnissen des „Menschen“ bzw. Mannes als Rohstoffquelle und Abfallhalde dient. Gleichzeitig entstanden neue und ausgeklügeltere Formen des Patriarchats, die in effizienter Weise dazu dienten, die Frauen einer Ausbeutung auf neuem Niveau preiszugeben.

      Viele Historiker vertreten die Meinung, dass die „ursprüngliche Kapitalakkumulation“, die den Ausgangspunkt des Kapitalismus bildete, nur aufgrund der gewaltsamen Aneignung des Reichtums aus Europas Kolonien in Amerika – insbesondere Gold, Silber und Agrarprodukte aus den Kolonien Spaniens und Portugals – möglich war. Wie wir bereits erwähnt haben, bezieht sich der fiktive Brief des Guaicaipuro Cuautémoc an die Entscheidungsträger Europas scherzhaft auf 185.000 kg Gold und 16 Millionen kg Silber, die zwischen 1503 und 1660 von San Lucar de Barrameda „als erste von mehreren Freundschaftskrediten Amerikas für die Entwicklung Europas“ verschifft wurden (Britto García 1990). Natürlich verhält es sich in Wirklichkeit so, dass dieser Reichtum mit dem Schweiß, dem Blut und dem Leben Hunderttausender indianischer Arbeitskräfte in den Bergwerken ganz Lateinamerikas bezahlt wurde. Ergänzt wurde diese Arbeitskraft durch Millionen Afrikaner, die gewaltsam ihrer Heimat und ihrer Freiheit beraubt und dann als Sklaven nach Amerika verschifft wurden. Viel mehr noch wurden zur Sklavenarbeit auf den Plantagen gezwungen und sorgten so für wertvolle Exportprodukte nach Europa. Während Spanien und Portugal diesen Reichtum nicht dazu nutzten, ihre eigene industrielle Entwicklung zu finanzieren, wurde dadurch eine Nachfrage nach Luxusgütern geschaffen, die die Grundlagen für die industrielle Expansion Nordwesteuropas legte.

      Fast zur gleichen Zeit, genauer zwischen der Mitte des 15. und der Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der Scheiterhaufen, wie man sie manchmal nennt,

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