Befreite Schöpfung. Leonardo Boff

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Befreite Schöpfung - Leonardo Boff

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die Menschheit bedroht.

      Und mehr noch: Was ausreichend sein mag, um ein begrenztes Überleben der Menschheit zu ermöglichen, könnte dennoch nicht genug sein, um Liebe, Schönheit und die Pflege des Geisteslebens aufrechtzuerhalten. Der ökologische Kulturhistoriker (oder „Geologe“) Thomas Berry (1914–2009) betont, dass die Menschen nur auf einem Planeten in die Evolutionsgeschichte eintreten konnten, der so schön ist wie der unsere. Auf die Schönheit der Erde scheint es wesentlich anzukommen, wenn wir das bewahren sollen, was wir an der Menschheit am meisten schätzen.

      In gewisser Hinsicht mögen einige der oben angeführten Argumente selbst anthropozentrisch erscheinen. Doch auf einer anderen Ebene ist es auch eine Anerkennung unserer gegenseitigen Verbundenheit mit allem Leben, wenn wir den Standpunkt vertreten, dass Menschen andere Arten im weitesten und umfassendsten Sinne brauchen. Letztlich aber ist der Anthropozentrismus, so erläutert Warwick Fox (1990), sowohl irrational als auch einengend, und zwar aus folgenden Gründen:

      Er stimmt mit der naturwissenschaftlichen Realität nicht überein. Weder unser Planet noch die Menschheit können als das Zentrum des Universums betrachtet werden. Die Biosphäre der Erde stellt ein dynamisches Ganzes dar, innerhalb dessen die Menschen in Abhängigkeit von allen anderen Arten existieren. Wir können uns auch nicht als die Krone der Schöpfung betrachten. Die Evolution ist ein Phänomen, das sich in Verzweigungen ausbreitet, und keine hierarchische Pyramide.

      Anthropozentrische Einstellungen haben sich in der Praxis als katastrophal erwiesen. Sie haben uns dazu geführt, Arten und Ökosysteme im schnellsten Tempo seit der kosmischen Katastrophe, die das Verschwinden der Dinosaurier bewirkte, zu zerstören.

      Er ist keine logisch stringente Auffassung, denn es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen uns und anderen Arten – weder in evolutionärer noch in physischer Hinsicht. Unser eigener Leib ist in Wahrheit eine symbiotische Gemeinschaft: Fast die Hälfte unseres Trockengewichts stammt von anderen Organismen wie etwa von Hefepilzen und Bakterien in unserem Darm, die uns helfen, unsere Nahrung zu verstoffwechseln, und die wichtige Vitamine erzeugen.

      Er ist moralisch verwerflich, weil er nicht mit einer wirklich offenen Einstellung gegenüber der Erfahrung vereinbar ist. Er ist im Kern eine egoistische Haltung, die uns in einer Illusion gefangen hält und uns gegenüber der Wahrheit blind macht.

      Der Anthropozentrismus mag uns „natürlich“ erscheinen, doch er verleugnet die ökologische Einsicht, dass wir in grundlegender Weise auf das ganze Netz des Lebens bezogen und von diesem abhängig sind. Wir können nicht ohne die Erde existieren; wir sind Teil eines größeren Ganzen. Es gibt keine „Umwelt“ außerhalb von uns. Wir tauschen ständig Materie mit unserer Umgebung aus, atmen Sauerstoff ein und nehmen Wasser und Nährstoffe auf, die einstmals Teil anderer Kreaturen waren. Alles Leben auf Erden hat denselben genetischen Kodierungsmechanismus gemeinsam. Alle anderen Lebewesen sind „unsere Beziehungen“.

      Wir sind also dazu aufgerufen, von einem Anthropozentrismus zu einer „biozentrischen“ oder „ökozentrischen“ Perspektive überzugehen. Der Anthropozentrismus ist von seinem Wesen her eine egozentrische Geisteshaltung. Doch wir sind dazu aufgerufen, unser Empathievermögen auf alle Lebewesen auszudehnen, ja sogar auf den Boden, die Luft und das Wasser, die ebenfalls ein Teil von uns sind.

      Eine anthropoharmonische Alternative

      Stephen Scharper (1997) schlägt als Alternative zur anthropozentrischen Geisteshaltung eine „anthropoharmonische“ vor. Anstatt die „Natur zu erobern“, müssen sich die Menschen in Harmonie mit der umfassenderen Ökosphäre entwickeln. Das heißt nicht, dass wir bestreiten müssten, dass der Mensch in gewisser Hinsicht einzigartig auf Erden ist. Wir sollten unsere Einzigartigkeit feiern und dabei unsere Abhängigkeit von allen anderen Kreaturen anerkennen. Es heiß auch nicht, dass die Menschen niemals andere Lebensformen töten können, denn es gibt tatsächlich keine andere Möglichkeit zu überleben, als andere Organismen aufzuzehren.

      Doch eine anthropoharmonische Ethik leben meint, einen tiefen Respekt und Liebe gegenüber allem Leben zu entwickeln. Es heißt, damit aufzuhören, Herrschaft auszuüben, zu manipulieren und die Erde zu verbrauchen und zu verschmutzen, als ob sie unser Privateigentum wäre. Und es heißt, nicht mehr zu verbrauchen, als für ein Leben in Würde und Gesundheit nötig ist – und folglich damit aufzuhören, nach grenzenloser Akkumulation zu streben.

      Arne Naess behauptet, dass uns die Tiefenökologie letztlich dazu herausfordert, neu zu definieren, was es heißt, Mensch zu sein. Dabei geht es nicht darum, dass wir unsere Identität verleugnen (sie ist ja der einzigartige Anteil, den wir an der sich entfaltenden Evolution haben), sondern vielmehr darum, sie in den umfassenderen Kontext des „ökologischen Selbst“ zu stellen. Eine solche Umorientierung muss weit über die Ebene der bloß verstandesmäßigen Akzeptanz hinausgehen, sie muss jede Facette unseres Seins und Handelns durchdringen. Insbesondere fordert sie die Menschheit dazu auf, das Streben nach Erwerb, Konsum und Herrschaft aufzugeben, da dieser Weg niemals zur echten Verwirklichung der Menschheit führen kann. Stattdessen müssen wir Sicherheit, Liebe und Gemeinschaft in Harmonie mit der umfassenderen Ökosphäre anstreben. Diese Art von Bekehrung zu einer neuen Ethik ist eine sehr tiefgehende Herausforderung, und dennoch eine, die die Menschheit zu einer erfüllteren Lebensweise hinführen könnte.

      Der Ökofeminismus vertieft in vielerlei Hinsicht noch die Kritik der Tiefenökologie am Umweltdenken. Gleichzeitig stellt er uns eine breitere Analyse zur Verfügung, die auch das Problem der zwischenmenschlichen Ungerechtigkeit mit berücksichtigt. Eine Art, den Ökofeminismus zu verstehen, ist es, ihn als eine Integration der Perspektiven des Feminismus und der Tiefenökologie zu begreifen, obwohl die Synthese, die daraus entsteht, wahrscheinlich radikaler (im ursprünglichen Sinne des Wortes, das heißt stärker an die Wurzel gehend) und umfassender ist als die Summe ihrer beiden Komponenten.

      Der Feminismus für sich genommen ist eine vielfältige und vielgestaltige Bewegung, die man nicht mit einer einzigen Definition angemessen erfassen kann. Für unseren Zusammenhang jedoch können wir Feminismus als eine tiefgehende Kritik am Patriarchat verstehen, wobei Patriarchat hier das System ist, vermittels dessen die Männer die Frauen beherrschen. Radikale Spielarten des Feminismus stellen jedoch einen Kausalzusammenhang zwischen der Herrschaft und Ausbeutung auf der Grundlage von gesellschaftlichen Klassen, Rassen, Ethnien und unterschiedlicher sexueller Orientierung her. Das Patriarchat wird so in einem sehr weiten Sinne verstanden. Ein radikaler Feminismus ist also nicht einfach das Streben nach Gleichheit zwischen Männern und Frauen innerhalb der herrschenden (Un-)Ordnung (was ohnehin nicht möglich wäre); er ist vielmehr eine Kritik aller Systeme, die Unterdrückung und Ausbeutung verstetigen.

      Vandana Shiva (1989 a und b) behauptet denn auch, dass der Feminismus letztlich eine Philosophie und Bewegung jenseits der Geschlechtergrenzen sei. Er erkennt an, dass Männlichkeit und Weiblichkeit gesellschaftlich und ideologisch konstruiert sind und dass sich das weibliche Prinzip der Kreativität in den Frauen, den Männern und der Natur verwirklicht findet. Die Wiederaneignung dieses Prinzips als eine Herausforderung für das Patriarchat beruht auf einer Integrationskraft, welche die Frauen dazu aufruft, produktiv und aktiv zu sein, und Männer dazu motiviert, ihre Aktivitäten auf die Möglichkeiten der Lebensförderung hin neu zu orientieren. Während Frauen in Gestalt der feministischen Bewegung die Führung übernommen haben – was insofern nicht mehr als recht ist, als Befreiung normalerweise bei den Unterdrückten ihren Anfang nimmt ‒, müssen auch die Männer aktiv für den Feminismus und dessen Herausforderung des Patriarchats Partei ergreifen.

      Der Feminismus ist wahrscheinlich eine der wichtigsten und originellsten Bewegungen aller Zeiten. Fritjof Capra (2004) schreibt, dass das Patriarchat bis vor Kurzem als so alles durchdringend und tief verwurzelt erschien, dass es selten, wenn überhaupt, ernsthaft infrage gestellt wurde. Dabei prägte es alle menschlichen Beziehungen und unsere Beziehung mit der Welt um uns zutiefst. Dennoch ist die feministische Bewegung

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