Befreite Schöpfung. Leonardo Boff
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Im Lauf der Zeit führte dies zur faktischen Entfernung der Frauen aus der Sphäre der Öffentlichkeit. Wilber macht deutlich, dass in Gesellschaften mit einer Gärtnerkultur (in der der Ackerbau mithilfe des Grabstocks und der Hacke erfolgt) Frauen mehr als 80 % der Nahrungsmittel produzieren, dass es darin gleichberechtigte Beziehungen zwischen Mann und Frau – trotz unterschiedlicher Rollen ‒ gibt und dass viele der Hauptgottheiten weiblich sind. Im Gegensatz dazu sind über 90 % der Agrargesellschaften (welche den Pflug benutzen) männlich dominiert, und die obersten Gottheiten sind tendenziell männlich.
Produktion, die auf Raub beruht
Selbst in der Jungsteinzeit ermöglichten es Fortschritte im Ackerbau bereits Dörfern, Überschüsse zu produzieren und im Lauf der Zeit Reichtum anzuhäufen. Mies beobachtet, dass dies zum ersten Mal in der Geschichte den Krieg ökonomisch lukrativ machte. Es war oft weitaus einfacher, sich die Produktion der anderen unter Zwang anzueignen, als für sich selbst zu produzieren. Auf diese Weise entstand „Raubproduktion“ (die von ihrem Wesen her unproduktive Produktion ist!) in Form von Eroberung und Plünderung. Man umgab Dörfer mit Mauern, und die „Kunst“ der Kriegführung wurde entwickelt. Männer erlangten das Monopol für Waffen (wahrscheinlich aufgrund ihrer überlegenen Körpergröße und aufgrund der Tatsache, dass sie von der Aufgabe der Aufzucht des Nachwuchses befreit waren), was zu einer neuerlichen Konzentration von Macht und Ansehen aufseiten der Männer und damit zum weiteren Gedeihen des Patriarchats führte. Mies schreibt, dass andauernde Beziehungen der Ausbeutung und Herrschaft zwischen Frauen und Männern und die asymmetrische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen letztlich geschaffen und aufrechterhalten wurden durch direkte Gewalt und Zwang auf der Grundlage des männlichen Monopols des Waffenbesitzes (Mies 1989, 76–88).19
Das Wachstum der Agrargesellschaften beschleunigte diesen Prozess. Als immer größere Mengen an Reichtum angehäuft wurden, wurden immer mehr Männer von der Nahrungsmittelproduktion befreit. Einerseits ermöglichte dies die Erfindung der Schrift, der Astronomie, der Metallverarbeitung und der Mathematik, doch andererseits setzte es auch Kräfte zur Schaffung von Gruppen frei, die auf die Kriegsführung spezialisiert waren. Zum ersten Mal entstanden Berufsarmeen und sogar ganze Kriegerklassen.
Im Lauf der Zeit rief das Wachstum der Bevölkerung in Stadtstaaten ebenfalls einen Wettbewerb nach zunehmend knapper werdenden natürlichen Ressourcen hervor: nach fruchtbarem Land, Wasser zur Bewässerung, wertvollen Metallen usw. Im Verlauf dieses komplexen Prozesses vollzog sich innerhalb der Gesellschaften mehr und mehr eine Teilung hinsichtlich Klassen, Geschlechtern und Rassen.
Mies schlussfolgert, dass die räuberische Form der Aneignung damals zum Paradigma aller historischen ausbeuterischen Beziehungen zwischen Menschen wurde ‒ und wir möchten hinzufügen, auch zwischen den Menschen und der umfassenderen planetarischen Gemeinschaft. Im Verlauf dieses Prozesses wurden bestimmte Gruppen von Menschen (sowie die Erde selbst) als bloße „Naturressource“ für die Bereicherung anderer betrachtet. Die Ausbeutung, die von dieser „räuberischen Produktion“ geschaffen wurde, beinhaltete mehr als die einseitige Aneignung des Mehrwertes, der über das hinaus produziert wurde, was den Bedürfnissen und Erfordernissen einer Gemeinschaft entsprach; Darüber hinaus erstreckte sie sich auf „Raub und Erbeutung der für andere Gesellschafen notwendigen Lebensmittel. Dieser Begriff von Ausbeutung impliziert darum immer auch Verhältnisse, die in letzter Instanz durch Gewalt geschaffen und aufrechterhalten werden“ (Mies 1989, 81–82).
Die Vertiefung des Anthropozentrismus
Derselbe Prozess, der nach und nach zur Verfestigung der Macht des Patriarchats führte, trug auch zu einer Vertiefung des Anthropozentrismus bei. In den meisten Gesellschaften von Jägern und Sammlern ist die Beziehung zwischen den Menschen und der außermenschlichen Welt eng und unmittelbar. Von Zeit zu Zeit kann man bestimmt ein gewisses Maß von Angst vor der Natur beobachten, doch im Großen und Ganzen existiert schlicht keine strikte Trennung zwischen den Menschen und der umfassenderen Gemeinschaft des Lebens. Die Produktionsweise selbst beruht nicht auf einer Kontrolle über die Natur, sondern vielmehr auf Einklang mit ihr.
Sobald die Gesellschaft eine Gartenpflege entwickelt, wird ein Element der Kontrolle eingeführt, doch diese Veränderung ist noch relativ geringfügig. Die Menschen leben weiterhin erdverbunden, und das Niveau menschlicher Eingriffe ist noch recht niedrig. In Hirtengesellschaften führt die Zähmung von Tieren wahrscheinlich zu einem ausgeprägteren Sinn für Kontrolle und Herrschaft. Dieser nimmt in Agrargesellschaften noch weiter zu, da sie die Arbeitskraft von Tieren zum Pflügen nutzen, und noch mehr, als große Bewässerungsanlagen entstehen.
Als innerhalb der Agrargesellschaften Städte und Stadtstaaten entstehen, tritt die Hinwendung zum Anthropozentrismus noch deutlicher hervor. Bereits in den neolithischen Siedlungen muss – besonders, als sie mit Mauern und Befestigungsanlagen versehen wurden ‒ eine psychologische Trennung von der außermenschlichen Welt eingesetzt haben. Doch mit der Entstehung der Städte beschleunigte sich dieser Prozess enorm. Eine Stadt ist weitgehend die Schöpfung von Menschen, ein künstlicher Lebensraum, in dem die Natur unter Kontrolle gehalten wird und die Bauten von Menschen immer zentralere Bedeutung bekommen.
Duane Elgin (1993) schreibt auch, dass Stadtstaaten hierarchischer verfasst waren als kleine Siedlungen. Die Gesellschaft ist zunehmend in Klassen und Kasten gespalten, und es gibt eine klare Arbeitsteilung zwischen Herrschern, Priestern, Kriegern, Handwerkern und Kaufleuten. Gleichzeitig tragen Stadtstaaten zum Wachstum der „räuberischen“ Formen der Aneignung bei. Es gibt immer mehr Reichtum, der verteidigt werden muss, und immer ausgefeiltere Methoden der Kriegsführung. Gleichzeitig vollzieht sich ein soziopsychologischer Wandel, da der Reichtum systematisch erfasst und angehäuft wird und eine neue Weltsicht auf der Grundlage der „mathematischen Ordnung der Himmel“ entsteht. Parallel dazu wandern die Gottheiten von der Erde in den Himmel aus, was vielleicht der symbolische Ausdruck des Schrittes der Menschheit weg von der direkten Verbindung mit der natürlichen Welt ist.
An einem Punkt dieses Prozesses scheint die Idee des Privateigentums aufgekommen zu sein. Mit dem Wachstum der Stadtstaaten und der Aufspaltung der Gesellschaf in Klassen wurden große Grundstücke oftmals als eine Quelle des Reichtums für die mächtigeren Teile der Gesellschaft reserviert (Herrscher, Priester …). Oft wurden diese Grundstücke mithilfe von Sklavenarbeit kultiviert. In der Folge davon wurde das gemeinsame Land einer Siedlung verkleinert, was zur Verarmung des Bauernstandes führte. Im Verlauf dieses Prozesses wurde Land mehr und mehr als persönlicher Besitz und nicht so sehr als ein gemeinsamer Reichtum, der geteilt werden soll, betrachtet. (Dieser Wandel hat sich jedoch früher nicht vollständig vollzogen, und tatsächlich hat sich das Gemeineigentum von Land in vielen Kulturen bis heute gehalten). Dieser Wandel zeigt eine bedeutende Veränderung des Bewusstseins an: Land wird nun als eine Ressource betrachtet, als Privateigentum unter der Kontrolle von Menschen – in den meisten Fällen von Männern. Zuvor war Land – wie dies auch heute noch in vielen ursprünglichen Kulturen der Fall ist – etwas, was man nicht besitzen, sondern nur miteinander teilen konnte. Das Land gehörte den Menschen nicht. Eher gehörten die Menschen dem Land und – in Konsequenz davon – der Erde.
Der Aufstieg der Stadtstaaten ging oftmals mit ökologisch zerstörerischem Verhalten einher. John Perlin (2005) stellt eine Verbindung zwischen