Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson
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Читать онлайн книгу Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson страница 20
Nachdem er aus seiner Hütte zwangsgeräumt wurde, bezieht Thompson Quartier in der Kellerwohnung von Annie und Fred Schoelkopf in der Nähe von Otisville. Die Schoelkopfs schließen Thompson ins Herz; sie bereiten ihm nächtliche Mahlzeiten zu und versorgen ihn mit Bargeld, damit er seinen Roman Prince Jellyfish beenden kann.
9. August 1959
Otisville, New York
Liebe Mom,
sollte es in meinen letzten Briefen an guten Nachrichten und aufmunternden Neuigkeiten gefehlt haben, hat das einen guten Grund. Ich habe mich in einer Serie kleiner Katastrophen verfangen; nichts Ernstes, aber jene Art von Dingen, die eine weniger robuste Person jederzeit um den Verstand bringen kann. Hier ein kleiner Überblick:
1 ich bin zwangsgeräumt worden
2 die Lenkung des Wagens ist hinüber
3 ich konnte den Wagen nicht aus der Einfahrt bewegen, der Vermieter hievte ihn hoch und beschlagnahmte einen Reifen als Anzahlung für die Stromrechnung
4 ich hielt den Vermieter fest
5 meine Arbeitslosenversicherung wurde gekündigt
6 bis ich die Lenkung wieder in Ordnung bringen konnte, fiel der Wagen buchstäblich auseinander
7 die KFZ-Versicherung wurde gekündigt, da ich die vorletzte Zahlung nicht geleistet habe
8 mein Führerschein wurde verlängert, doch ich kann den Wagen jetzt nicht einmal nach New York fahren, um ihn zu verhökern.
Der Wagen fährt noch – gerade irgendwie und nicht besonders sicher – und ich denke, ich könnte entweder [Paul] Semonin oder Forbes8 dazu bewegen, hierher zu kommen und ihn für mich nach New York zu fahren. Wenn er dort erst einmal steht, kann ich dafür immerhin noch ein bisschen Geld kriegen. Es ist ein grottenschlechter Deal, aber mir bleibt gerade keine andere Wahl.
Das hört sich jetzt alles schlimmer an, als es ist. Das alles passierte innerhalb einer Woche, und langsam geht es mir auf die Nerven. Gäbe es Annie und Fred Schoelkopf nicht, weiß der Himmel, was für ein schreckliches Schicksal mich ereilt hätte.
Du wirst das vielleicht nicht gerne hören – und ich weiß, Memo wird es hassen wie die Hölle –, aber mein Plan ist folgender: Ich gehe zurück nach Louisville, schließe mich im hinteren Schlafzimmer ein und schreibe den Roman zu Ende. Er ist jetzt zur Hälfte fertig, doch ich werde ihn niemals abschließen, wenn ich auf diese irrwitzige Tour weitermachen muss, bloß um was zu essen zu haben und zu überleben. Ich habe Viking Press angekündigt, dass sie die erste Hälfte bis Ende des Sommers bekommen. Sie haben zwar mit keinem Wort gesagt, dass sie das Buch veröffentlichen werden, ihr Interesse aber ist der einzige Lichtblick meiner sehr düster erscheinenden unmittelbaren Zukunft. Ich schreibe also den Rest in Louisville, und dann fahre ich wieder. Ich habe nicht vor, einen Job anzunehmen, wenn ich da bin, und ich habe auch nicht vor, euch einen Cent zu kosten. Ich will nur ein bisschen Frieden und Ruhe, um arbeiten zu können.
Sobald ich mich beruhigt habe, werde ich Dir alles genauer erklären. Gerade aber kann ich nichts weiter tun, als hier zu sitzen und auf die Tastatur der verdammten Schreibmaschine zu starren.
Love, HST
VON WILLIAM KENNEDY, SAN JUAN STAR:
Der Verleger des San Juan Star lässt einen einunddreißigjährigen Redakteur – William Kennedy aus Albany, New York – auf Thompsons Bewerbung antworten. Kennedy, der zum ersten Mal 1956 in Puerto Rico war, wird 1984 den Pulitzer-Preis für seinen Roman Ironweed bekommen.
25. August 1959
Puerto Rico
Mr Hunter S. Thompson
2437 Randsdell Avenue
Louisville 4, Kentucky
Sehr geehrter Mr Thompson:
Nachdem wir uns eingehend mit Ihrer Bewerbung beschäftigt haben, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Sie bei uns nicht glücklich sein würden.
Erstens ist unser Verleger Mitglied im Rotary Club.
Zweitens verleihen Ihnen Ihre literarischen Betätigungen nicht wirklich den Status von einem, der »neben der Spur« ist, da drei unserer Redaktionsmitglieder ebenso Romane geschrieben haben; ein weiterer ist Bühnenautor.
Drittens zielt unsere Strategie höchstwahrscheinlich auf »den Mann auf der Straße« ab, da damit letztlich alle gemeint sind, außer Bettlägerige und Eremiten; und es gibt in Puerto Rico nicht genügend Bettlägerige und Eremiten, um die Auflage zu erzielen, die wir anstreben.
Wir haben das Gefühl, dass es am besten für Sie wäre, wenn Sie sich wieder um Ihren Roman kümmern und vielleicht sogar gleich mit einem neuen beginnen. Sie könnten dabei die bronzene Tafel am Times Tower ins Zentrum Ihrer Geschichte stellen. Man sollte immer über das schreiben, was einem besonders vertraut ist.
Wirklich zu bedauerlich, dass wir nicht zusammenkommen. Viele Menschen laufen hier ohne Schuhe herum. Es hätte Ihnen bestimmt gefallen.
Ihre Bewerbung nehmen wir zu den Akten. Sollten wir jemals einen Süßigkeitenautomaten aufstellen und jemanden benötigen, der ihn eintritt, werden wir Sie kontaktieren.
Herzlich, im Geiste des Zen
William J. Kennedy
Geschäftsführender Redakteur
AN WILLIAM KENNEDY, SAN JUAN STAR:
Wütend über den höhnischen Ton im Antwortschreiben des Star überlegt Thompson über Wochen, wie er nach Puerto Rico kommen könnte – nur um William Kennedy zu verprügeln.
30. August 1959
2437 Randsdell Ave.
Louisville, Kentucky
Ihr Brief war niedlich, mein Freund, und Ihre Interpretation meines Briefs wiederum ist bezeichnend für einen jener intellektuellen Kretins, die für den Niedergang der amerikanischen Presse mitverantwortlich sind. Glauben Sie aber bloß nicht, dass mich Ihre Absage daran hindern wird vorbeizuschauen, und wenn ich da bin, erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen zuerst die Zähne einschlagen und Ihnen dann eine Bronzetafel tief in Ihren kleinen Darm rammen werde.
Grüßen Sie mir schön Ihre »literarische« Redaktion und Ihren rotarischen Verleger. Wenn die alle nur halb so niedlich sind wie Sie, wird das Blatt sich abgehen wie eine Rakete.
Auf den Unsinn, was die Aufbewahrung meiner Bewerbung angeht, muss ich wohl nicht näher eingehen.
cheers:
Hunter S. Thompson
VON WILLIAM KENNEDY:
Anstatt sich von den Drohungen in Thompsons Brief vom 30. August einschüchtern zu lassen, fühlt sich Kennedy herausgefordert – und macht Thompson ein interessantes Angebot.